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Kino

Bereits [„Wicked: Teil 1“](/movie/wicked-part-1) löste einen riesigen Hype aus – am 19. November startet nun [„Wicked: Teil 2“](/movie/wicked-part-2). Wir sprachen mit Regisseur [Jon M. Chu](/person/jon-m-chu) über den Dreh der beiden Filme, die Magie des Kinos und die Herausforderungen, die Musical-Adaptionen mit sich bringen.

**Bevor wir über „Wicked: Teil 2“ sprechen, ein kurzer Blick zurück auf den ersten Film: Wie haben Sie die Veröffentlichung von Teil eins und die Rezeption durch die Fans wahrgenommen?**

**Jon M. Chu:** Der erste Film war schwierig, weil man die Leute für die Geschichte begeistern musste – die Menschen hatten das Kinosterben ausgerufen und waren der Ansicht, dass auch Musical-Filme tot seien. Ich wusste, wie toll diese Figuren sind, aber ich war positiv überrascht, dass auch die Zuschauer begeistert von ihnen waren. Ich hatte mich sehr darauf gefreut, zu zeigen, wie fantastisch unser Cast ist und, dass man auch einen Musical-Film machen kann, der sich beinahe nicht wie ein Musical anfühlt. Es war toll dann zu sehen, wie die Fans die Songs und Choreografien einstudierten; ich liebe es, wie viel Kreativität „Wicked: Teil 1“ verbreitet hat.

**Gab Ihnen das mehr Selbstvertrauen für Teil zwei?**

**Jon M. Chu:** Absolut. Wir haben beide Filme gleichzeitig gedreht und ich hatte auch beide gleichzeitig geschnitten. Etwa 15 Wochen, nachdem wir die Filme abgedreht hatten, waren sie beide zumindest grob fertiggestellt. Ein Jahr lang, bis zum Januar 2025, schaute ich mir Teil zwei nicht an. Es war sehr hilfreich, das Publikum zu kennen und zu wissen, was ihnen am ersten Film gefallen hatte. Die Reaktionen darauf gaben mir das Selbstvertrauen, dass auch „Wicked: Teil zwei“ funktionieren würde und dass die Zuschauer wissen wollen, wohin Teil eins führt. Und weil ich wusste, dass die Fans die Geschichte aus „Wicked: Teil 1“ so gut kennen, musste ich nicht viele Flashbacks einbauen, um sie daran zu erinnern, was passiert war. Das gab uns mehr Raum für die Story, wodurch diese an Tiefe gewann.

![Ariana Grande und Cynthia Erivon in „Wicked: Teil 2“ (Credit: Universal)](https://s3.eu-central-1.amazonaws.com/zone.busch.store.image/9ffacef4-0d50-48c5-9e5c-c5bb7ff270f0.jpg)

**Sie sagten bereits, dass Sie beide Filme hintereinander bzw. gleichzeitig drehten, wobei das Letzte, was Sie drehten Defying Gravity war…**

**Jon M. Chu:** Genau, das hoben wir uns wegen des Aufwands und der Stunts für den Schluss auf. Wir mussten drei verschiedene Sets dafür bauen, eins für den unteren Teil des Turms, eins für den oberen und ein weiteres Set für den oberen Teil, auf dem sie herumfliegen konnte. Cynthia musste außerdem lernen zu singen, während sie die Sicherungsgurte anhatte. Wir mussten genau planen, wie sich ihr Cape bewegt, wo sich die Affen befinden etc. Das zeigt aber auch, wie gut unser Cast ist, denn sie mussten genau wissen, wo sich ihre Figuren zu diesem Zeitpunkt emotional befinden. Bevor wir auch nur eine einzige Szene gedreht hatten, mussten wir alle Musicalnummern üben und uns genau mit den Figuren auseinandersetzen.

**Sie hatten also vorab schon ein sehr gutes Bild von beiden Filmen – wie herausfordernd war es dennoch, zwei Filme gleichzeitig zu drehen?**

**Jon M. Chu:** Es war ein riesiges, sehr herausforderndes Projekt, an dem ich über fünf Jahre gearbeitet habe. Wir wussten nicht, wie wir das angehen sollten, aber wir wussten, dass wir uns selbst vertrauen müssen. Ein wichtiger Spruch, den wir immer wieder sagten, war „It’s about the girls, stupid“. Egal, worüber wir uns Gedanken machten, sei es das Set, die Beleuchtung etc. – wir kamen immer wieder auf dieses Motto zurück. Es sollte stets darum gehen, was gerade mit Elphaba und Glinda passiert und welchen Einfluss sie aufeinander haben. Wir hatten die Ressourcen, um diese fantastische Welt zu erschaffen, das war quasi der einfache Teil. Viel schwieriger und wichtiger war die Beziehung zwischen den beiden Frauen, bei der die Zuschauer mitfiebern müssen.

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**Und von einem großen Projekt wie diesem lernt man sicherlich auch viel.**

**Jon M. Chu:** Oh ja, ich habe eine Menge gelernt. Eines des Learnings, das mir am besten gefallen hat, war das Zitat „Sorge ist ein Fehlgebrauch von Vorstellungskraft“. Wir stellen uns immer vor, was alles schiefgehen könnte, aber wenn wir uns darauf fokussieren, was stattdessen gut laufen wird, dann nehmen wir all diese negative Energie und verwenden sie für etwas Positives. Jeden Tag gibt es bei einem Filmdreh hunderte Fragen und Probleme, die man lösen muss. Unsere Vorgehensweise war immer, sie mit Kreativität zu lösen, um die bestmögliche Geschichte zu erzählen. Wenn etwas nicht die Story oder die Beziehung zwischen Elphaba und Glinda voranbrachte, dann mussten wir auch nicht unsere Energie darauf verschwenden.

**Würden Sie noch einmal so ein herausforderndes Projekt umsetzen oder brauchen Sie jetzt erst einmal eine Verschnaufpause?**

**Jon M. Chu:** Ich bin bereit! Ich fühle mich nicht erschöpft und bin der Ansicht, dass die Magie des Kinos darin besteht, dass wir nach den Sternen greifen können. Wir können Dinge tun, die in keinem anderen Medium möglich sind, was ein absolutes Privileg ist. Aber es geht mir gar nicht um das Ausmaß des Films selbst, sondern um das Ausmaß der Emotionen. Wir bekommen diese Werkzeuge, um auszudrücken, wie es sich anfühlt, ein Mensch zu sein.

**Hierbei handelt es sich allerdings nicht um Ihren ersten Musical-Film, Sie hatten zuvor auch [„In the Heights“](/movie/in-the-heights-rhythm-of-new-york) gedreht. Was konnten Sie davon lernen, was Sie jetzt auf „Wicked“ anwenden konnten?**

**Jon M. Chu:** Ich traf dort unter anderem die Kamerafrau [Alice Brooks](/person/alice-brooks) und den Choreografen [Christopher Scott](/person/christopher-scott), mit denen ich an beiden Filmen zusammenarbeitete. Bei „In the Heights“ bekam ich die Chance mit [Lin-Manuel Miranda](/person/lin-manuel-miranda) und der Autorin Quiara Alegría Hudes zusammenzuarbeiten, die beide fantastisch sind. Und ich liebte es, in einer realen Umgebung, in Washington Heights, zu drehen. „Wicked“ ist in dem Sinne anders, als dass dieser Ort nicht existiert und wir die Sets dafür extra bauen mussten. Von „In the Heights“ hatte ich aber gelernt, dass es sehr wichtig ist, eine Kultur aufzubauen. Ich musste also z.B. überlegen, was die Munchkins getan hatten, bevor der Zauberer die gelbe Straße gebaut hatte und diese Überlegungen in die Sets einfließen lassen. Das sind Dinge, die die Zuschauer so nicht sehen oder hören, aber die sie spüren. Und natürlich lernte ich, wie viel Komplexität in einem Musical steckt, mit all den Songs und Choreografien.

![Cynthia Erivo als Elphaba in „Wicked: Teil 2“ (Credit: Universal)](https://s3.eu-central-1.amazonaws.com/zone.busch.store.image/ed2f9696-28b9-48fe-9cf7-4c8313412654.jpg)

**Für den ersten Film haben Sie diese imposanten Sets gebaut und beispielsweise neun Millionen Tulpen gepflanzt. Welche Sets erwarten die Zuschauer in Teil zwei?**

**Jon M. Chu:** Wir haben unter anderem Kiamo Ko gebaut, was eine Welt ist, die auf dem Kopf steht und sich unter einer Burg befindet. Wir wollten, dass man nicht wirklich weiß, wo der Boden und die Decke sind, denn so lebt Elphaba – sie ist schwerelos. Auch Glindas Suite war sehr aufwändig: Wir haben Sie so gebaut, dass man Wände öffnen und schließen konnte und es viele geheime Nischen gab, in der Crewmitglieder und Kameras stehen konnten. Dieser Raum wurde sehr stark auf die Kameras abgestimmt, wenn man aber den Film sieht, würde man nicht darauf kommen, dass irgendetwas an diesem Zimmer anders ist. Wichtige praktische Effekte für mich waren außerdem der Blechmann und die Vogelscheuche, deren Kostüme und Gesicht rein praktisch umgesetzt wurden. Nur für einige kleine Details nutzten wir hierbei CGI. Wichtig war, dass wir auch durch die Masken noch die Emotionen der Darsteller sehen konnten – ich dachte nicht, dass das möglich sei, aber das Haar- und Make-up-Department fand für alles eine Lösung.

**Auf der Bühne sind all diese Szenen und Sets selbstverständlich viel weniger detailliert. Wie schwierig war es, das Musical für die Leinwand zu adaptieren?**

**Jon M. Chu:** Man möchte als Fan natürlich, dass die Filme sich anfühlen wie „Wicked“. Andererseits habe ich mir immer Fragen gestellt, wie etwa, ob Elphaba mit ihrer Entscheidung hadert. Und genau dafür bietet der Film mehr Raum, wir haben extra neue Songs und Szenen geschrieben. Auf der Bühne füllen wir die Lücken mit unserer Vorstellungskraft. Deshalb musste ich überlegen, wie sich bestimmte Szenen in der Bühnenshow angefühlt haben und wie ich mir die Sets währenddessen vorgestellt habe. Auch hier geht es wieder um die Kultur, die wir etablieren müssen: Wir mussten uns Gedanken darum machen, wo sich Elphaba verstecken würde, wie ihr Versteck aussieht. Es ging immer um die Figuren und darum, wo sie sich emotional befinden. Elphabas Versteck ist sehr natürlich und verworren, während Glindas Zimmer das genaue Gegenteil davon ist. Und auch die Kostüme waren fast eigene Sets und spiegeln ihr Inneres wider. Wir mussten auf jedes kleinste Detail achten. Wir erzählen die Geschichte davon, wie es sich anfühlt, hintergangen zu werden – also mussten wir auch auf einer Architektur- oder Kostüm-Ebene erzählen, wie sich das anfühlt. Die gelbe Backsteinstraße sollte ein Bild reflektieren, das uns vorgegaukelt wird, aber nicht wahr ist. Also ist in der Straße ein Loch, das schmutzig ist. Die Sets entwickelten sich mit den Figuren weiter. Viele von uns wuchsen mit „Der Zauberer von Oz“ auf und waren begeistert davon, was Filme alles können. Wir wussten deshalb, dass „Wicked“ größer war, als wir alle.

![Jon M. Chu und Cynthia Erivo am Set (Credit: Universal)](https://s3.eu-central-1.amazonaws.com/zone.busch.store.image/59063246-623f-47ed-a08a-b8e8a9cd6559.jpg)

**Allerdings sehen viele Fans des Musicals Akt 2 als den schwächeren Teil der Geschichte an. Hatte das einen Einfluss auf Ihre Arbeit oder haben Sie sich Sorgen darum gemacht?**

**Jon M. Chu:** Ich habe Akt 2 immer geliebt und war der Ansicht, dass Akt 2 überhaupt erst der Grund ist, dass „Wicked“ existiert. Hier sieht man, wie die Geschichten von [„Der Zauberer von Oz“](/movie/der-zauberer-von-oz) und „Wicked“ aufeinanderprallen. Außerdem offenbart sich hier die Essenz der Geschichte: Es geht um die Ideale, mit denen man aufgewachsen ist. Es geht darum, was passiert, wenn man für sich selbst einsteht und sich emanzipiert und was für ein einsamer Weg das sein kann. Wir haben das nicht auf einer Meta-Ebene angeschaut, sondern wollten einfach die Geschichte so gut wie möglich zu Ende erzählen.

**Sie sagten selbst, dass insbesondere Teil zwei für die heutige Gesellschaft von hoher Relevanz sei. Was macht den Film so relevant und zeitgemäß?**

**Jon M. Chu:** Wir leben in einer Welt voller Fragen. Wer wird man, wenn man die Wahrheit kennt? Was für eine Welt wollen wir aufbauen? Diese Fragen stellt der Film, aber sie sind auch in der realen Welt sehr wichtig. Können wir in einer zynischen Welt immer noch Hoffnung haben? Und ich glaube, die Botschaft, an die alle im Filmteam geglaubt haben, war „Ja, wir können noch Hoffnung haben“. Genau dafür sind Filme da, sie ermöglichen es einem, große Träume zu haben. Und zeitlose Geschichten sind immer zeitgemäß. Ich glaube, der Film wird wie auch [„Cabaret“](/movie/cabaret), [„Animal Farm“](/movie/animal-farm) oder [„1984“](/movie/1984), immer in den menschlichen Kreislauf passen. Es liegt in der menschlichen Natur sowohl „wicked“, also böse, als auch gut zu sein. Wir haben auf unserer ganz persönlichen Ebene zu kämpfen, also haben wir natürlich auch auf nationaler und politischer Ebene zu kämpfen. Es geht nicht um Politik, sondern um unsere Überlebensinstinkte. Aber das Tolle an uns Menschen ist, dass wir nicht nur überleben wollen, wir sind kreativ, wir haben Empathie und können mehrere Ideen, die widersprüchlich sind bewältigen. Und ich glaube, das war ein ganz wichtiger Aspekt, während wir den Film gedreht haben, der jetzt wichtiger denn je ist.

*Das Gespräch führte Lea Morgenstern.*


Jon M. Chu zu „Wicked: Teil 2“: „Zeitlose Geschichten sind immer zeitgemäß“