Blickpunkt:Film

Kommen Sie mit in den Hasenbau:

Ganz so wie in „Alice im Wunderland“ wird man in die Welt von „Black Rabbit“ nicht hineingeworfen. Zu bekannt sind die Versatzstücke: stressiges Küchenmilieu á la „The Bear“, Gangster wider Willen wie in diversen Neo-Noir-Stoffen, stylische Outfits und Alternative-Rock-Needledrops wie in einem Guy-Ritchie-Film – all das lockt den Genrekenner noch nicht auf die Couch.

Dennoch schafft es die erste Folge, zu überraschen. Statt einer klassischen Figureneinführung oder einer Erklärung des New Yorker Hustle-Milieus wird wiederholt mit einem Überfall im titelgebenden Szenen-Restaurant „Black Rabbit“ gegengeschnitten. Zunächst scheint das Mysterium, wer warum den Überfall beging, im Zentrum zu stehen. Doch an dieser eher konventionellen Krimifrage will sich „Black Rabbit“ nicht festbeißen. Mit hohem Produktionsaufwand und starken Bildschirmpräsenzen will die Serie an Netflix-Erfolge wie „Ozark“ anknüpfen und bleibt dabei in vielem auf bekannten Pfaden. An Ausstattung, Kostüm und Produktionswerten scheitert sie gewiss nicht. Doch auch die inszenatorischen Kniffe – einzelne Charakterepisoden oder eine Folge, die „Rashomon“-artig Perspektiven wechselt – sind nichts, was man nicht schon gesehen hätte.

Vielleicht ist es also eher der Cast, der für Aufsehen sorgt. Im Mittelpunkt stehen Jude Law und Jason Bateman als Brüderduo infernale. Als Jake und Vince Friedkin spielen die beiden Hollywoodstars abgehalfterte Ex-Rockmusiker, die nach ihrer Karriere ein Insider-Restaurant gründen. Jahre später steckt Vince in schweren finanziellen Schwierigkeiten – nicht nur, weil er seine Spielsucht nicht in den Griff bekommt. Ihm gegenüber steht der geordneter wirkende Jake, der das Etablissement unter dem Namen „Black Rabbit“ weiterführt. Hinter seiner aufgeräumten Fassade, die mit V-Ausschnitt und diversen Kettchen bereits die erste Midlife-Crisis andeutet, steckt jedoch ein von Kontrollzwang getriebener Manipulator. Als Vince in sein Leben zurückkehrt, beginnt die Fassade des so erfolgreich scheinenden Geschäftsmanns massiv zu bröckeln.


Für Jude Law scheint 2025 ein entscheidendes Jahr zu sein. Zum Jahreswechsel wurde auf Prime Video „The Order“ veröffentlicht, in dem Law nach längerer Durststrecke mal wieder in einer Hauptrolle überzeugte – als abgehalfterter Cop im amerikanischen Neo-Nazi-Milieu. Diese Rolle wurde ihm bereits von „Black Rabbit“-Showrunner Zach Baylin auf den Leib geschrieben. Zudem folgte seine Tour-de-Force-Performance in Olivier Assayas’ „The Wizards of Kremlin“, in dem Law Russlands diktatorischen Präsidenten Wladimir Putin eindrucksvoll verkörperte. In „Black Rabbit“ ist anderes Handwerk gefragt: Jede Sekunde scheint seine Figur unter dem Druck zu platzen. Und an diesem Punkt schafft es die Thrillerserie tatsächlich, sich von den altbekannten Archetypen und Bausteinen zu emanzipieren.


Die Handlung – Jake und Vince werden erpresst und müssen an Geld kommen – könnte klassischer kaum sein. Doch wie die beiden Figuren in diesem Experimentaufbau agieren, macht den Unterschied aus. Jake und Vince handeln immer weiter so, als gäbe es keine Alternativen. Sie rennen zwanghaft dem Geld hinterher, lassen sich in kriminelle Machenschaften hineinziehen, nur um ihr Gewissen reinzuwaschen. In ihrer Getriebenheit, die immer wieder an „Der schwarze Diamant“ der Safdie-Brüder erinnert, treten Mechanismen zutage, die Männer unter ihrer eigenen Männlichkeit zerbrechen lassen: die Versorgerrolle ohne geregeltes Einkommen, der Beschützer als selbst gefährdete Person, die stoische Miene in einer lebensbedrohlichen Existenzkrise. Jake und Vince stoßen an ihre Grenzen und müssen sich fragen, ob sie ein erfülltes Leben führen können, wenn sie sich weiterhin den patriarchalen Hebeln der Gesellschaft unterwerfen. Etwas unnötig baut die Serie zum Schluss noch einen Twist in diesen Kontext ein, der zwar schockieren will, letztlich aber nur die traurige Existenz zweier Männer unterstreicht, die ihren sozialen Prägungen nicht entkommen können.

„Black Rabbit“ versucht zweifellos, Konventionen aufzubrechen, bewegt sich filmisch jedoch durchgängig im Fahrwasser großer Vorbilder. Am Ende steht eine Serie, die immer wieder zum großen Wurf auszuholen scheint, sich aber selbst durch ihre allzu bekannte Ikonografie zurückhält.

Review Streaming: „Black Rabbit“