Blickpunkt:Film

Mit der Serie [„Mozart/Mozart“](/tvshow/mozartmozart) will die [ARD](/company/ard-gemeinschaftsprogramm-erstes-deutsches-fernsehen) ab dem morgigen 12.12. die festliche Stimmung schüren. Im Fokus der von [Story House](/company/story-house-productions) produzierten, sechsteiligen Serie steht jedoch nicht Amadeus, sondern seine ältere Schwester Maria Anna. Wie es dazu kam, erzählt Showrunner [Andreas Gutzeit](/person/andreas-gutzeit) im Gespräch mit Blickpunkt:Film.

**Wie sind Sie auf diese Biographie von Mozarts Schwester gestoßen, hatten Sie sie von Anfang an im Visier oder zunächst etwas anderes mit Mozart vor?**

Für uns stand am Anfang die Frage, was nach [„Sisi“](/tvshow/sisi_7) die nächste große IP für uns sein könnte. Das ist ein bisschen unser Rezept: Wir suchen nach großen Geschichten, die alle Leute irgendwie zu kennen glauben, und schauen, ob es einen Zugang von einer anderen Seite gibt, eine Perspektive, die noch niemand eingenommen hat. Bei Mozart war das schnell der Fall. Jeder kennt Mozart. In Amerika spielen Menschen die Musik Mozarts für ihre ungeborenen Kinder im Mutterleib. Bei unseren Recherchen sind wir sehr schnell darauf gestoßen, dass es in Person von Maria Anna Mozart schon ein erstes Wunderkind gab.

**Und zack, hatten Sie eine Geschichte, die mit ihrer Gender-Thematik perfekt ins Hier und Jetzt passt.**

Natürlich hat uns diese moderne Geschichte interessiert. Wenn man tiefer in diese Biographie eintaucht, sieht man schnell wie viele Möglichkeiten sich bieten. Eine Frau, die darum kämpft, anerkannt zu werden, die sich mit dieser Haltung gegen die Gesellschaft, gegen ihre eigene Familie, sogar den eigenen Bruder auflehnt und die Erfahrung macht, dass sie sich auf ihre Talente verlassen und sich trauen muss. Diese Message hat etwas so Positives, so Aufweckendes. Das finde ich an dieser Geschichte am spannendsten. Wir haben uns aber auch gefragt, welche Elemente man kennt.

![](https://s3.eu-central-1.amazonaws.com/zone.busch.store.image/2be086c6-27c9-4b0b-b747-dd6c59be1d09.jpg) Havana Joy als Maria Anna Mozart, die ARD zeigt die Serie ab 12.12. im Stream, ab 16.12. um 20.15 Uhr im Ersten; Foto: WDR/Story House Pictures

**Mit welchem Ergebnis?**

Wenn wir uns an [Milos Formans](/person/milos-forman) Film von 1986 erinnern, Amadeus und die rosa Perücke, das durchgedrehte Lachen von [Tom Hulce](/person/tom-hulce). Das hat die Leute fasziniert. Es war nicht nur die Geschichte, es war auch dieses Over-the-top. Und das wird durch die Kostüme, die Masken, die getragen werden, forciert. Und ein weiterer wichtiger Faktor, der uns abgeholt hat und auf den wir in Literatur aus dieser Zeit und über sie gestoßen sind, war die Tatsache, dass sich Leute verkleidet haben, um andere Identitäten anzunehmen. Das hat uns bestärkt, Maria Anna sich als Amadeus verkleiden zu lassen. Das haben wir zusammengewürfelt, und ich finde, daraus ist eine sehr spannende, ehrliche, emotionale Geschichte über diese junge Frau geworden, die sehr viel Spaß macht.

**Es gibt vergleichsweise wenig Fiction über Mozart, was Ihnen bestimmt entgegen kam. Aber mit [„Amadeus“](/tvshow/amadeus_b) von Sky gibt es jetzt eine weitere neue Produktion.**

Wir scheuen keinerlei Vergleich mit Produktionen aus der Vergangenheit oder mit anderen Serien, die gleichzeitig laufen. Bei „Sisi“ hatten wir eine ähnliche Situation. Die Sky-Serie bezieht sich auf die gleiche Vorlage wie der Film von Milos Forman. Das ist auch eine Strategie, die man fahren kann. Aber diese Geschichte kennen die meisten schon. Das provoziert den Vergleich mit dem Film. Wir, [Swantje Oppermann](/person/swantje-oppermann), die mit mir die Bücher geschrieben hat, und das ganze Team, wollten eine andere, eine neue Geschichte erzählen, die man noch nie so gesehen hat.

**War es von vorne herein Ihre Strategie, die Serie was Optik, Musik, Sprache, einfach alles angeht, so heutig und jung, also für ein jüngeres Publikum, zu erzählen oder hat sich das über die Entwicklungsarbeit so ergeben?**

Wir haben uns nicht auf die Fahne geschrieben, auf Teufel komm raus etwas Junges zu machen. Aber als wir die Geschichte dieser relativ jungen Frau gesehen haben, die sich bestätigen muss mit einer Liebesgeschichte, die ebenfalls sehr gut dazu passt, hat sich das so ergeben. Wir waren völlig erstaunt, als wir herausgefunden haben, dass Salieri, der Widersacher Mozarts, genauso alt war wie Maria Anna. Forman hat daraus diesen alten, misslaunigen Mann gemacht. Da fällt es einem als Geschichtenerzähler wie Schuppen von den Augen, dass sich aus unserer Konstellation eine wunderschöne Geschichte erzählen lässt. Weil sich unsere Serie aber auch in der ARD-Primetime behaupten muss, denken wir natürlich auch ein etwas älteres Publikum mit. Diese programmatischen Ansätze haben zu einem gewissen Grad Einfluss auf die Geschichte, aber vor allem auf das Casting. Neben einem ganz tollen jungen Ensemble, haben wir Größen, die einem linearen Publikum bekannt sind wie [Peter Kurth](/person/peter-kurth_f), [Lisa Vicari](/person/lisa-vicari), [Verena Altenberger](/person/verena-altenberger) und [Philipp Hochmair](/person/philipp-hochmair).

![](https://s3.eu-central-1.amazonaws.com/zone.busch.store.image/114cfa96-a7b5-4d97-9e05-374877f2a59c.jpg)Die Geschwister Mozart im modernen Look: Havana Joy und Eren M. Güvercin; Foto: WDR/Armands Virbulis

**Zum Cast kommen wir gleich noch, aber davor steht ja in der Regel eine Regie-Entscheidung, und hierbei auf [Clara Zoe My-Linh von Arnim](/person/clara-von-arnim) zu setzen, ist schon ein Statement. Warum war sie für Sie die richtige?**

Das ist relativ einfach. Wir hatten die Geschichte schon mehrfach verkauft. Ursprünglich an Starz. Es sollte die Eröffnungsserie von Starz in Deutschland werden. So fing die Reise an. Der [WDR](/company/westdeutscher-rundfunk-wdr) war schlau genug, das Projekt immer zu begleiten und mit uns im Gespräch zu bleiben. Und zu diesem frühen Zeitpunkt haben wir Clara bereits kennengelernt und waren allesamt mitgerissen von ihrer Begeisterung. Sie war Feuer und Flamme für dieses Projekt und hat mich schnell überzeugt, als sie meinte, im Grunde sei das ihre Geschichte: Eine junge Frau setzt sich in der Unterhaltungsindustrie durch. Sie hat darin auch diese [„Mulan“](/movie/mulan_b)-Elemente gesehen. Zu dem Zeitpunkt waren [„Die Zweiflers“](/tvshow/die-zweiflers) noch nicht gedreht und sie noch keine Gewinnerin des Deutschen Fernsehpreises. Aber sie entpuppte sich als absoluter Glücksgriff.

**Woran lässt sich das festmachen?**

An ihrem Beharren auf der Modernität der Erzählung und der Modernität der visuellen Umsetzung. Aber ich fand die Zusammenarbeit auch inhaltlich sehr gut. Ich weiß noch, wie Clara die Frage aufwarf, dass man einen Weg finden müsse, um zu zeigen, dass Maria Anna Mozart mindestens so gut, wenn nicht sogar besser als ihr Bruder ist. Darauf hatten wir zu diesem Zeitpunkt noch keine gute Antwort gefunden. Wir dachten, unsere wunderbare Komponistin und Musikproduzentin [Jessica de Rooij](/person/jessica-de-rooij) wird das schon richten. Clara hatte die Idee, wenn Maria Anna spielt, und wir von klassischer zu moderner Musik übergehen, zu zeigen, wie die Menschen tatsächlich von ihrer Musik berührt werden. Da gibt es neben dem Wechsel der Musik auch eine visuelle Ebene, die in eine Metaebene führt. Das traf sich gut, wir hatten natürlich auch über eine Metaebene nachgedacht, um Raum für moderne Musik zu haben, aber der visuelle Teil hat es dann vervollständigt. Swantje Oppermann und ich waren als Autor:innen sehr dankbar dafür, dass wir so eine weitere Ebene unserer Charaktere erzählen konnten.

**Vielleicht können Sie noch etwas stärker auf Ihr Musikkonzept eingehen?**

Wie viel Klassik kann man in einer modernen jugendlichen Serie haben und wie viel Klassik muss man in einer Serie über Mozart haben, um den Mythos am Leben zu halten? Diese Diskussion haben wir noch bis zur Mischung geführt. Denn einem Publikum, dass für Mozart einschaltet, muss man auch Mozart liefern. Hier die richtige Mischung zu finden, war mindestens so schwer, wie die richtige Geschichte zu erschaffen. Und Jessica de Rooij hatte nicht so viel Zeit wie wir Autor:innen. Unsere Leitfrage war immer, wenn Mozart heute ein erfolgreicher Rockstar wäre, was für Musik würde er machen?

![](https://s3.eu-central-1.amazonaws.com/zone.busch.store.image/46877947-a41d-4acc-b78a-c8a8052b319c.jpg) Widersacher und Love Interest zugleich: Antonio Salieri, gespielt von Eidin Jalali und Maria Anna Mozart; Foto: WDR/Story House Pictures

**Es klingt nach höchst ambitioniertem Hollywood-Soundtrack, der in die weite Welt hinaus soll.**

Das ist natürlich das Ziel. Als Geschichtenerzähler:innen suchen wir nach archaischen Geschichten. Und wir suchen nach einer Form, die die Menschen auf einer emotionalen Ebene abholt. Bei all meinen Serien gehe ich mit den großen Emotionen eher ein bisschen zu weit als umgekehrt. Aber gerade in Deutschland schreckt man gerne vor der großen Emotion zurück. Dafür bin ich vielleicht ein bisschen zu international ausgerichtet, als dass ich mir darum Sorgen machen würde. Solange die Emotion real und nachvollziehbar ist, funktioniert das. Bei der Musik ist es das gleiche. Als wir Jessica gefragt haben, ob sie sich Mozarts Musik in Kombination mit modernen Elementen zutrauen würde, hat sie das als einzigartige Chance begriffen. Natürlich will ich das! Natürlich kann ich das! Das ist genau unsere Haltung. Sie hat mit ihrem Team, es waren ja Musiker aus der ganzen Welt beschäftigt, Einzigartiges geleistet. Jeder Ton ist live aufgenommen worden. Und die Musik musste zum Drehbeginn fertig sein, damit die Schauspieler:innen damit interagieren konnten.

**Wir müssen noch über die Besetzung reden. Wurde die junge Garde - [Havana Joy](/person/havana-joy-josephine-braun), [Eren M. Güvercin](/person/eren-m-guevercin), [Sonja Weißer](/person/sonja-weisser), [Eidin Jalali](/person/eidin-jalali) - klassisch gecastet oder hatten sie die schon auf dem Zettel?**

Natürlich hatten wir eine Liste, aber, die, die darauf standen, waren es am Ende nicht. Ich halte den Castingprozess für eine der größten Herausforderungen. Man muss dabei seinem Gefühl vertrauen, gleichzeitig ist es ja nie die Entscheidung eines einzelnen. Es gibt Input von vielen Seiten, Sendern, Finanziers. Funktioniert das auf unserem Sendeplatz? Funktioniert das im Ausland? Diese Entscheidungen machen mich am meisten nervös, weil man große Fehler machen kann. Jedenfalls war es bei Havanna tatsächlich so, dass sie reinkam und diese Figur und ihre Geschichte sofort verstanden hat. Jeder hat gesagt: Sie ist es. Und das war noch, bevor sie den großen Erfolg mit „Love Sucks“ hatte. Auch Eren Güvercin hat uns sofort mit seiner anderen Interpretation von Rockstar, von toxischer Männlichkeit überzeugt. Das war kein Klischee. Wir wollten nicht den selbstüberzeugten, frauenfeindlichen Bruder erzählen, das ist alles viel filigraner geworden.

**Schön atypisch ist auch das andere Geschwisterpaar besetzt. Verena Altenberger, die oft dramatische Rollen spielt, als exaltierte Marie Antoinette, Philipp Hochmair, den man auch als Rampensau kennt, spielt als österreichsicher Kaiser den homme raisonnable. Ein toller Twist.**

Diese Marie Antoinette haben wir gar nicht geschrieben, von uns kommt nur der emotionale Bogen, den die Figur durchmacht. Diese Interpretation kommt allein von Verena, anfangs eine gewisse Verletzlichkeit mit einzubringen, nicht sofort völlig over the top zu sein, dann aber den Spaß, den sie mit dieser Figur hat, so aufzufächern, das war einfach wunderbar. Und dann noch im Zusammenspiel mit Lisa Vicari als ihre Vertraute. Das funktioniert hervorragend. Mit Philipp Hochmair war es ähnlich, er ist in Österreich ja ein Superstar. Man hat in seinem Spiel gespürt, dass er Spaß an der Rolle hatte. Ich bin oft von Besetzungen auch nicht sonderlich überrascht, weil viel Type-Casting gemacht wird. Aber die Schauspieler:innen freuen sich, wenn sie die Möglichkeit bekommen, ihr ganzes Spektrum zu zeigen.

![](https://s3.eu-central-1.amazonaws.com/zone.busch.store.image/2c88a443-209b-4169-9347-6a3536116671.jpg) Im Spielrausch: Verena Altenberger als Marie Antoinette mit Lisa Vicari als Gräfin von Greiner; Foto: WDR/Armands Virbulis

**Auch Peter Kurth in der Vaterrolle ist eher ungewöhnlich.**

Peter Kurth erfüllt mit seinem leisen und besonnenen Spiel unseren Leopold Mozart voll und ganz. Wir machen es dieser außergewöhnlichen Vaterfigur in unserer Serie auch nicht besonders leicht. Seine Kinder verachten ihn, ihm droht die Firma wegzurutschen und dann taucht auch noch ein Geheimnis aus der Vergangenheit, das alles noch mehr eskalieren lässt. Peter Kurth spielt diese Rolle eben nicht wie man es erwarten könnte. Man verflucht diesen Leopold und doch bricht er uns das Herz. 

**Können Sie sagen, wie teuer die Serie geworden ist?**

Nein, das darf ich nicht. Aber es ist ja bei jeder Produktion so, egal, wie hoch das Budget ist: Man kommt immer an den Punkt, wo man sich noch ein bisschen mehr zur Decke strecken will, aber kein Geld mehr da ist, weil in Korrelation zum Budget auch der Anspruch steigt. Die ARD hat sich ins Zeug gelegt, dass es stattfinden konnte. Fast noch wichtiger war aber, dass der Vertrieb, die [Bavaria Media](/company/bavaria-media), von Anfang an dabei war. Dieser „Vorschuss“ aufs Budget hat sehr geholfen. Das Ding zu finanzieren, ging letztlich nur durch die Zusammenarbeit in der Gruppe.

**Gibt es schon Gedankenspiele, wie Sie die Geschichte der Mozarts in einer nächsten Staffel fortsetzen könnten?**

Wir haben da eine Welt gebastelt, die uns noch so viele tolle Möglichkeiten gibt, diese Geschichten aufzuarbeiten. Man muss sich nur das vorletzte Bild aus der Serie anschauen. Da schreibt Vater Mozart einen Namen auf einen Brief. Das ist das Osterei. Dann kann man sich vorstellen, wo die Reise hingehen kann. Und es gibt noch ein zweites Osterei, eigentlich müsste die zweite Staffel „Mozart/Mozart/Mozart“ heißen. Wir wissen aber auch, dass nur der Erfolg entscheidet, ob es eine zweite Staffel geben wird.

Das Interview führte Frank Heine

Andreas Gutzeit zu „Mozart/Mozart“: „Wir scheuen keinerlei Vergleich“