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Sie schütteln die Genres tüchtig durcheinander. Wo sollen wir "Ricky" verorten?

[FRANÇOIS OZON](/person/francois-ozon): Mein Genre ist der François-Ozon-Film. Ernsthaft, Genres interessieren mich nur, wenn sie sich mischen. Das ist mein persönlicher Geschmack. Die Entwicklung eines Films ist wie das Spiel eines Kindes, das probiert auch einiges aus. Diese überraschungslosen Formula-Filme öden mich an.


Der Zuschauer will gefordert, vielleicht auch provoziert werden und nicht alles mundgerecht serviert bekommen nach dem Schema der Gute, der Böse, und am Ende ist alles in Butter. Ich mag das Herumexperimentieren, auch wenn ich damit irritiere. Buñuel sagte, man muss die Wirklichkeit wie einen Traum inszenieren und Träume wie Wirklichkeit, vielleicht ist " [Ricky](/movie/ricky-wunder-geschehen)" ein "buñuelisierter" Film.


Am Ende herrscht Harmonie, ziemlich ungewohnt bei Ihnen.

Aber nicht total. Da ist Melancholie zu spüren, die Familie kommt zwar wieder zusammen, aber einer fehlt. Zur Familie in "[Sitcom](/movie/sitcom)" ist das ein großer Unterschied.


Seit 15 Jahren produzierten Sie mit Fidélité, warum jetzt der Wechsel?

Nach der Enttäuschung von "[Angel - Ein Leben wie im Traum](/movie/angel-ein-leben-wie-im-traum)" an der Kinokasse, begann ich "Ricky" zu schreiben. Meine Produzenten waren weder von einem fliegenden Baby noch von [Alexandra Lamy](/person/alexandra-lamy) in der Hauptrolle angetan. Sie wollten keine durchs Fernsehen populäre Schauspielerin, sondern eine mehr intellektuelle wie [Isabelle Huppert](/person/isabelle-huppert). In Frankreich ist man Snob.


Also habe ich das Projekt erst einmal ad acta gelegt und mir etwas Neues vorgeknöpft. Da rief mich [Claudie Ossard](/person/claudie-ossard) an, die Produzentin von "[Die fabelhafte Welt der Amélie](/movie/die-fabelhafte-welt-der-amelie-best-of-cinema)", und fragte nach "Ricky". Zu der in der Banlieue angesiedelten Geschichte mit einem Baby meinte sie nur trocken, das sei eine gute Voraussetzung, sie möge weder Babys noch Banlieue, sie wolle das Drehbuch lesen. Dann war sie begeistert.




Mussten Sie sich erst an die neue Filmfamilie gewöhnen?

Ich habe alle meine alten Leute verloren, Celluloid Dreams wollte nicht den Weltvertrieb übernehmen und Mars Distribution nicht den Verleih. Und meine Kumpel von Fidélité, die ich seit dem Studium kenne, sind sauer. Claudie Ossard ist älter als ich, aber eine passionierte Filmliebhaberin, wie auch die Mitarbeiter von Le Pacte, die den Film in Frankreich verleihen und den Weltvertrieb übernehmen. Man spricht nicht primär über Geld, sondern über Kino, das tut gut. No risk, no fun. Ich fühle mich wie neu geboren.


War der Einstieg der italienischen Theodora-Film als Koproduzent eine Frage der Finanzierung?

Erst einmal der Sympathie. "Ricky" kostete nicht so viel, aber doch ein bestimmtes Sümmchen. Theodora-Film hat "Angel" in Italien verliehen, wir sind inzwischen befreundet. Da wir noch Partner suchten, sind sie eingestiegen.


Stimmt es, dass Sie am Set ein kleiner Machiavelli sind?

Wer sagt denn so was! Alle Regisseure sind Manipulateure, Filmemachen ist ein Match, man amüsiert sich. Manchmal verlange ich viel, weil ich nicht genau weiß, was ich will, die Schauspieler lieben das. Aber ich bin kein Machiavelli in dem Sinn, dass ich andere leiden lasse.


Sie drehen einen Film nach dem anderen. Erschöpft Sie das nicht irgendwann?

Am Set bin ich physisch fit und voll da, der Adrenalinspiegel steigt, ich fühle mich stark. Mich ermüdet das Drumherum wie Promotion und Herumreisen, das Erklären eines Films. Mit "Ricky" ist es spannender, weil es verschiedene Interpretationsmuster und gute Diskussionen gibt. Man muss einen Film begleiten, schon um Geld für das nächste Projekt aufzutreiben. Ohne diese Verpflichtungen würde ich wie Fassbinder zwei oder drei Filme im Jahr realisieren. Übrigens bereite ich ein neues Projekt vor, noch im Frühjahr drehe ich hoffentlich. Mich packt schon wieder die Lust.

"Alle Regisseure sind Manipulateure"