Blickpunkt:Film

Film

» Wie kamen Sie dazu, die Filmwelt mit einem Biopic über einen neuseeländischen Motorradliebhaber zu überraschen?


[ROGER DONALDSON](/person/roger-donaldson): Die Geschichte des Films beschäftigt mich schon seit meinen frühen Zwanzigern. Ich habe Burt Munro für eine Dokumentation begleitet. Dieser Mann hat mich einfach nicht losgelassen. Als er starb, war ich tieftraurig, weil ich den Kontakt zu ihm verloren hatte, und froh zugleich, dass ich mich so lebhaft an ihn und seine Eigenheiten erinnern konnte.


Ich dachte, dass sein Leben ein gutes Vehikel dafür wäre, zu erzählen, wie man mit Herausforderungen im Leben umgehen kann. Außerdem konnte ich dadurch auch ein bisschen über mich erzählen. Der Film ist also eine Mischung aus Burt Munros und meinem eigenen Leben mit Beobachtungen, die ich bei meinem Vater und Großvater gemacht habe. Er soll dem Kinopublikum etwas über das Älterwerden beibringen - und darüber, dass sich Beharrlichkeit manchmal auszahlt.


» Sie leben seit 20 Jahren in den USA. War es schwer, Australien bzw. Neuseeland zu verlassen?


Mein Heimatgefühl ist dreigeteilt: In den USA lebe ich jetzt länger als ich in Australien oder Neuseeland war. Wenn man etwas verlässt, dann ist einem nie klar, was man eigentlich zurücklässt. Das trifft einen erst später.


Mittlerweile habe ich dieses ambivalente Gefühl, zurückkehren zu wollen, gleichzeitig aber will ich es auch wieder nicht. Es ist wie ein Loch im Leben, das nicht zu füllen ist. Auf der anderen Seite beneide ich die Menschen, die nie weggegangen sind, ihre Freundin aus Schultagen geheiratet haben und ihr ganzes Leben in ein und demselben Ort verbringen.



» Wäre es für Sie schwer, die USA wieder zu verlassen?


Ich denke nicht, dass sich das für mich lohnen würde. Amerika hat einfach die besten und vielseitigsten Perspektiven fürs Filmemachen. Die Vielfalt des Landes ist in allen Lebensbereichen spürbar.


Die USA lassen sich nicht generalisieren, allenfalls aus der Ferne, wo leicht stereotype Bilder von Amerika entworfen werden. Doch wenn man erst einmal vor Ort ist, ist das sehr viel komplizierter. Alles ist steter Veränderung unterworfen. Die USA, wie sie in den Zeitungen dargestellt wird, ist trotz all der Fakten völlig anders als die gefühlte Wirklichkeit.


» Wieso haben Sie sich entschieden, den Film ohne Studiobeteiligung zu drehen?


Das hat zweierlei Gründe: Einerseits ist es ganz und gar ein Film aus dem Herzen Neuseelands, im doppelten Sinne. Er ist dort entstanden und vermittelt gleichzeitig die Seele dieses Landes. Es ist aber auch ein Film über die Sehnsucht, das Reisen, woanders hinzugehen, wodurch eine neue Perspektive auf Amerika geschaffen wird. Genauso erging es ja auch mir selbst und Burt Munro.


Als ich nach Los Angeles kam, lernte ich Gastfreundschaft kennen. Ich spazierte zum Beispiel über den Hollywood Boulevard und bestellte mir eine Tasse Kaffee. Um nicht als geiziger Australier zu wirken, gab ich dem Kellner einen Dollar als Trinkgeld. Als ich weiterging, klopfte mir auf einmal jemand auf die Schulter. Ich dachte schon, ich werde ausgeraubt. Doch es war der Kellner, dem ich versehentlich 100 Dollar gegeben hatte.


Das sind meine ersten Erfahrungen mit diesem Land. All diese persönlichen Eindrücke, zu denen natürlich auch verrauchte Bars im Nirgendwo gehören, versuchte ich im Film wiederzugeben. So besuchte ich mehrmals die Bonneville Salt Flats in Utah, wo die Geschwindigkeitsrekorde aufgestellt wurden. Selbst dieser Ort, wo es nur salzigen, flachen Boden gibt, hat sich mir jedes Mal anders präsentiert.



» Inwiefern unterschied sich diese Produktion von Ihren bisherigen Filmen?


Ich sehe generell keine großen Unterschiede zu meinen anderen Filmen, abgesehen vielleicht von einer gewissen Sensibilität, die Neuseeland und seine doch etwas naiven Bewohner auszeichnet. So versteht Munro erst, wie groß die Welt eigentlich ist, als er sie auf seiner Reise zu entdecken beginnt. Seine naive Art, sich stets mit seinem Wohnort vorzustellen, hat einen ganz besonderen Charme. Und auch das erzählt ein bisschen von mir selbst.


» Neuseeländische Produktionen sind auf dem Sprung und verkaufen sich international blendend. Woran liegt das?


Das ist natürlich in erster Linie [Peter Jackson](/person/peter-jackson) und seiner "[Der Herr der Ringe](/movie/the-lord-of-the-rings-the-motion-picture-trilogy)"-Trilogie zu verdanken. Der gigantische Erfolg hat nicht nur die Aufmerksamkeit auf das Land gerichtet, sondern Jackson hat auch Millionen von Dollars in die Infrastruktur der neuseeländischen Filmindustrie gesteckt.


Er ist der maßgebliche Beschleunigungsfaktor für all die positiven Entwicklungen, die dort jetzt stattfinden. Natürlich könnte man Filme wie meinen auch weiterhin ohne Jacksons Impulse drehen. Doch Spezialeffekte, eines der anspruchsvollsten Elemente heutiger Filme, wären ohne ihn nicht denkbar.


» Dabei war Ihr Film für neuseeländische Verhältnisse nicht billig.


Natürlich hat "[Mit Herz und Hand](/movie/mit-herz-und-hand)" mit 20 Millionen Dollar ein recht hohes Budget gehabt, doch war dies immer noch verhältnismäßig niedrig. Produziert von einem großen Filmstudio hätte er gut 40 Millionen Dollar, vielleicht sogar noch mehr gekostet. Wir bekamen von allen Seiten Unterstützung.


Vorteilhaft an der Situation in Neuseeland ist, dass die Regierung mittlerweile verstanden hat, welches Potenzial in der heimischen Filmindustrie steckt, um das Land zu repräsentieren. Zurzeit ist viel um Umbruch. Die Filmindustrie entwickelt gerade eine eigene Identität und entdeckt ihre Stärken.



» Wieso engagierten Sie dann keinen neuseeländischen Hauptdarsteller?


Glauben Sie mir, ich habe wirklich gesucht. Aber ich fand keinen, der es mit [Anthony Hopkins](/person/sir-anthony-hopkins) aufnehmen könnte. Ich war mir von Anfang an sicher, dass Anthony keine Probleme damit haben würde, den Akzent zu lernen und authentisch zu wirken. Selbst wenn ich einen talentierten Neuseeländer gefunden hätte, wäre es schwierig gewesen, diesen speziellen Akzent zu sprechen. Anthony als erfahrener Method Actor war eine sichere Bank für mich. Ich wollte nicht das schlimmste Szenario riskieren, keinen Hauptdarsteller zu finden.


» Ein schlimmes Szenario ist aber eingetreten. Ein Hubschrauber stürzte ab.


Der Hubschrauber flog in eine Hochspannungsleitung und stürzte nahe der Stadt Vernon, 54 Meilen von Salt Lake City entfernt, ab. Das Team sollte einen Drehort inspizieren. Glücklicherweise kamen alle noch rechtzeitig raus.


In diesem Moment spürte ich, was Stress bedeutet, denn bei einem solchen Absturz muss man im ersten Moment das Schlimmste vermuten. Leider blieb es nicht bei diesem einen Unfall. Anthonys Stuntman, der die Szene mit dem Motorradsturz drehte, brach sich dabei das Schlüsselbein. In meiner ganzen Karriere hat aber kein Beteiligter wirklich schlimme Verletzungen erlitten.


» Wie haben Sie sich seit "Die Bounty" verändert?


Als ich "[Die Bounty](/movie/die-bounty)" drehte, war ich ein Mittdreißiger. Natürlich habe ich seitdem sehr viele Erfahrungen dazugewonnen und eine ganz eigene Philosophie davon entwickelt, wie schwer es ist, solche Filme zu drehen.


Ich habe damals viel gelernt, vor allem, dass es meine eigene Persönlichkeit war, die mir einen Strich durch die Rechnung machte. Meine Frustration darüber, es nicht perfekt hinzubekommen, die Probleme mit dem Regen, den Requisiten, den Wirbelstürmen, all diese Wut war kontraproduktiv, weil sie mir nicht half und mich nicht gerade beliebter bei der Crew und den Schauspielern machte.


» Jahrzehntelang drehten Sie Multimillionen-Dollar-Filme. Haben Sie Ihre Seele an Hollywood verkauft und versuchen nun, Sie sich zurückzuverdienen?


Das ist eine Anschuldigung, die offenbar jeden irgendwann einmal trifft, der in Hollywood arbeitet. Ich kam nach Los Angeles auf Einladung der erfahrenen Produzenten [Richard D. Zanuck](/person/richard-d-zanuck) und [David Brown](/person/david-brown). Später traf ich [Dino De Laurentiis](/person/dino-de-laurentiis), der mir die Regie bei der "Bounty" anbot. Meine Karriere dort begann also vielversprechend.


Zwischenzeitlich wurde mir auch angeboten, Drehbuch und Regie zur Fortsetzung von "[Conan der Barbar](/movie/conan-der-barbar)" zu übernehmen. Ich habe es dann nicht gemacht, weil die Verantwortlichkeiten wechselten. Es hätte aber sicherlich Spaß gemacht. Ich war also grundsätzlich an allen möglichen Geschichten interessiert. Doch drehte ich stets Filme für andere, das stimmt. Es hat mir richtig gutgetan, mit "Mit Herz und Hand" endlich einmal einen Film für mich selbst zu machen. Ob Sie's glauben oder nicht, es war der schwerste von allen.

"Dieser Film war der schwerste von allen"