Blickpunkt:Film

Film

Was war Ihre Herangehensweise an den Stoff, der bereits verfilmt wurde?


[OLIVER HIRSCHBIEGEL](/person/oliver-hirschbiegel): Wir haben heute einen ganz anderen Wissensstand. Als ich 15 Jahre alt war und mich erstmals mit [Elser](/movie/elser-er-haette-die-welt-veraendert) beschäftigte, galt er als Sonderling und Kommunist, der sich in den Wahn gesteigert hat, Hitler zu töten. [Klaus Maria Brandauers](/person/klaus-maria-brandauer) Verdienst bei seinem [Spielfilm von 1989](/movie/georg-elser-einer-aus-deutschland) war, den Mann als seriösen Widerstandskämpfer zu würdigen, der aus Überzeugung und mit großem Mut handelte.


Sie sind kurzfristig zum Projekt gestoßen. Wie viel konnten Sie einbringen?


Mindestens genauso viel wie bei meinen anderen Filmen. Unter Zeitdruck werden Entscheidungen schneller getroffen, und ich kenne mich sehr gut in der beschriebenen Zeit aus. Mit Drehbuchautor und Produzent [Fred Breinersdorfer](/person/prof-dr-fred-breinersdorfer) und Drehbuchautorin [Leonie Breinersdorfer](/person/leonie-claire-breinersdorfer) habe ich sehr harmonisch zusammengearbeitet. Auch wenn Fred der Ältere ist, hörte er mir zu.


Warum haben Sie sich für die sehr explizite Darstellung von Gewalt wie Folter und Erhängung entschieden?


Die Gewalt ist nicht nur eine Metapher für die Grausamkeit des damaligen Systems. Sie ist auch ein Verweis auf die heutige Zeit, in der über die Notwendigkeit von Todesstrafe oder Folter diskutiert wird - nach meinen Wertevorstellungen ist beides unter keinen Umständen akzeptabel -, und in der die Darstellung von Gewalt in Filmen oder Games verharmlosend wirkt. Ich wollte dem Publikum zeigen, was es bedeutet, wenn ein Mensch erhängt wird. Es dauert eben zwei Minuten.


Sie haben den Film als Lovestory, Heimatfilm, Gesellschaftdrama und Politkrimi beschrieben. Was ist Ihnen das Wichtigste?


Das Wichtigste ist mir immer, dass der Zuschauer sich ganz von der Welt des Films absorbieren lässt, das klassische Kinoerlebnis! Wenn er nach dem Film über das Gesehene nachdenkt, sich Fragen stellt, habe ich meinen Job richtig gemacht und bin glücklich.



Das Verhör ist Kern des Films, gibt ihm die Struktur. Wie war Ihr Konzept?


Ich bin in der Umsetzung sehr weit gegangen, indem ich für die Verhörszenen ähnlich wie Ozu die Kamera quasi einbetonierte. Diesen Szenen setzte ich die bewegliche Kamera in den Rückblenden entgegen. Ich war teils selbst überrascht, wie fließend die Übergänge sind. Ich habe Einstellungen gedreht, mit denen ich in die Vergangenheit überblenden wollte, sie aber nicht genommen, weil sie zu artifiziell wirkten. Die formal einfachste war oft die überzeugendste Lösung.


Mussten Sie sich beeilen, um "Elser" zur Berlinale fertig zu stellen?


Es war ein Galopp. Er wurde zwei Tage vorher fertig, entsprach aber ganz meinen Vorstellungen!


Warum lief "Elser" außer Konkurrenz?


Für mich ist entscheidend, dass "Elser" im Wettbewerb, also in der Königsklasse, lief. Ob in Konkurrenz oder außer Konkurrenz, ist die Entscheidung der Festivalleitung.


Sie drehten nach mehreren internationalen Projekten wieder in Deutschland. Hat sich etwas verändert?


Nein, nichts. Es ist immer noch genauso cool. Wir haben in Deutschland einfach die effizientesten Crews der ganzen Welt. Hier wird mit nur einem Drittel der Mannschaft genauso schnell gearbeitet wie in den USA. In England sind die Crews immer noch doppelt so groß wie hier. Beim nächsten Mal, wenn ich im Ausland drehe, werde ich darauf bestehen, ein paar Leute von hier mitzubringen, etwa Steffen Graubaum, der mir für "Elser" den besten Originalton aufnahm, den ich je hatte!


Was ist Ihr nächstes Projekt? Bleiben Sie in Deutschland?


Der Sechsteiler "Back to Back" spielt in den frühen Siebzigerjahren im geteilten Berlin, ist aber von einer Engländerin, [Paula Milne](/person/paula-milne), geschrieben und von der Londoner Rainmark Films entwickelt worden. Das ZDF ist Hauptfinanzier. [Jan Mojto](/person/jan-mojto) von Beta Film lieferte die Idee, produzieren wird [Benjamin Benedict](/person/benjamin-benedict) für die UFA. Mitte Juni soll es losgehen. Manches wird in Berlin, das meiste wohl in Prag gedreht werden.

"Erhängen dauert eben zwei Minuten"