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» Warum haben Sie sich für die Rolle des Diplomaten Herbert Neumann in "Der Mann von der Botschaft" entschieden?


[BURGHART KLAUßNER](/person/burghart-klaussner): Weil das Drehbuch gut ist, weil ich den Regisseur mag und weil ich Zeit hatte.


» Was hat Ihnen an dem Drehbuch gefallen?


Die Situation von Menschen, die kein Zuhause haben und aneinander Halt zu finden versuchen, hat mich fasziniert. Das betrifft sowohl meine Rolle als auch die des Kindes in "[Der Mann von der Botschaft](/movie/der-mann-von-der-botschaft)".


Außerdem hat es mir gefallen, eine Geschichte über ein seltsames Paar zu erzählen. Eine schräge, sehr ungewöhnliche Begegnung zwischen zwei Fremden, die beide irgendwie auf der Flucht sind. Denn nicht nur das Straßenkind, auch Herbert Neumann hat kein Zuhause. Als Diplomat ist er nie länger als drei Jahre an einem Ort, neue Freundschaften lohnen sich in dieser kurzen Zeit schon gar nicht mehr.


» Diese ungewöhnliche Begegnung hat demnach gar nichts mit einem bestimmten Ort zu tun, sie hätte überall passieren können. Spielt die Geschichte also nur zufällig in Georgien?


Das könnte man so sagen. [Dito Tsintsadze](/person/dito-tsintsadze) aber, der Regisseur, ist Georgier, lebt in Berlin und hat in deutsch-georgischer Zusammenarbeit diesen Film in seiner Heimat gedreht. Insofern ist es kein Zufall.


Georgien ist für einen deutschen Zuschauer extrem fremd. Gleichzeitig ist es aber auch ein Ort, der eine gewisse Durchlässigkeit exemplarisch aufzeigen kann. Er ist nicht reich und gesetzt, nicht schon angekommen, sondern auf der Suche nach einer neuen Definition, nach einem Aufbruch.




» Der Film zeichnet ein ziemlich düsteres Bild von Georgien. Haben Sie das bei dem sechswöchigen Dreh dort auch so empfunden?


Eigentlich nicht. Es war Sommer, irrsinnig heiß und sehr hell. Die Georgier sind auf den ersten Blick zurückhaltend, scheinen schon fast melancholisch zu sein, aber beim näheren Zusammenkommen von einer unglaublichen Herzlichkeit. Zugleich sind die Menschen sehr respektvoll und stark von ihrer christlichen Tradition geprägt. Sie haben ihren eigenen Ritus, den georgisch-orthodoxen Ritus, eine eigene Sprache und eine eigene Schrift. Ein ziemliche Identitätsleistung für fünf Millionen Einwohner!


» Was unterscheidet die Dreharbeiten in Georgien von einem Film, der in Deutschland gefilmt wird?


Wir hatten weniger Luxus. Die ganze Unterbringung der Schauspieler hatte einen stark improvisatorischen Charakter. Mir kommt das aber entgegen, denn ich kann mit dieser ganzen fest gefügten Logistik nicht viel anfangen. Das georgische Essen war allerdings einfach nicht mein Ding.


Aber das sind ja alles Randphänomene. Das eigentliche Drehen war absolut professionell. Kameramann [Benedict Neuenfels](/person/benedict-neuenfels) ist aus Deutschland, genauso wie ein Großteil des Teams. Mit der Technik vor Ort hat auch alles geklappt. Es gibt ja schließlich auch eine georgische Filmindustrie mit einer Riesentradition.




» Wie lief die Kommunikation?


Ich habe mich über Dito und mit Hilfe eines Dolmetschers verständigt. Mit [Lika Martinova](/person/lika-martinova), die im Film Sashka spielt, habe ich sozusagen über die Schwingungen, die in der Luft lagen, kommuniziert. Es war die 1:1-Situation wie im Film. Ich fand es albern, mich per Dolmetscher mit dem Mädchen zu unterhalten. Was hätte ich sie fragen sollen? Etwa "Hast du ordentlich gefrühstückt?" oder "Was machst du morgen?" Ich habe mich ihr nicht aufgedrängt, sondern versucht, mich zurückhaltend zu verhalten. Ich wollte den Abstand, den es im Film gibt, auch privat produzieren.


Für mich war wichtig, herauszufinden, wie eine solche Begegnung zwischen einem Mann und einem Flüchtlingsmädchen überhaupt stattfindet und welche Möglichkeiten der Kommunikation es gibt, wenn man eben nicht die gleiche Sprache spricht.


» Lika Martinova selbst ist ein Straßenkind. Wie hat das die Dreharbeiten beeinflusst?


Wir hatten ein einschneidendes Erlebnis mit der Mutter von Lika, die Alkoholikerin und Mitglied einer Bande ist. An einem Drehtag relativ gegen Anfang stand Lika plötzlich heulend wie ein Schlosshund vor uns. Es stellte sich heraus, dass sie um ein Haar einer Entführung der Bande ihrer Mutter entgangen war, die ein Lösegeld für sie von uns erpressen wollte! Ab diesen Zeitpunkt bekam Lika Bodyguards. Das Ganze war echt ein Schock für mich.




» Inwiefern war die Beziehung zwischen dem erwachsenen Herbert Neumann und dem Mädchen am Set ein Thema?


Die entscheidenden Überlegungen fanden eigentlich vorher statt. Als Dito und ich uns kennen lernten, war das Drehbuch noch nicht ganz fertig. Da ging es zum Beispiel um die Frage, ob man noch mehr Informationen darüber braucht, was Herbert Neumann für ein Mensch ist. Warum ist er so einsam? Hat er eine Familie? Wieso nähert er sich so einem Kind an?


Wir haben im Vorfeld gemerkt, dass es völlig überflüssig ist, irgendetwas Biografisches und Psychologisches zu erklären. Damit käme man nur von Hundertsten ins Tausendste. Letztlich ist Herbert Neumann ein unbeschriebenes Blatt, irgendein Erdenpassagier, der einem anderen begegnet und eine gewisse Gemeinsamkeit sucht. Und das entsprach dann eben genau der Situation am Set.


» Was machen Sie, wenn Sie sich einsam fühlen? Spielen Sie auch Computerspiele?


Computerspiele sind nichts für mich. Eigentlich habe ich mich seit vielen Jahren kaum einsam gefühlt. Als junger Mensch war ich aber oft komplett einsam. Ich kam aus einem wohlbehüteten Elternhaus und hatte eine Schule in einem bayerischen Vorort von München besucht. Als ich zum Studieren nach Berlin kam, war ich ziemlich vor den Kopf gestoßen und konnte mich nirgends einklinken. Manchmal habe ich sogar Ämtergänge gemacht, nur um etwas zu erledigen zu haben. Ich kenne also Neumanns Gefühl der Einsamkeit gut.


» Haben Sie das Gefühl, dass die Menschen in Georgien einsam sind?


Eher nicht. Die Georgier scheinen sehr gesellig zu sein, sie tauschen sich viel aus. Ich glaube, dass man in Deutschland einsamer sein kann.

"Es ging nur mit Bodyguards"