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Blickpunkt:Film: Im Oktober werden Sie 65 Jahre alt - Zeit, Bilanz zu ziehen?

Eckhart Schmidt: Keineswegs. Ich bin gerade mittendrin in der Arbeit. Ich muss sogar sagen, dass ich selten so viel gemacht habe wie jetzt. Auch habe ich in den letzten Jahren innovativer gearbeitet als je zuvor; habe ungewöhnliche Ideen entwickelt, interessantere Filme gemacht, auch wenn es nur sehr kleine waren. Ich sehe keinen Grund, eine Bilanz zu ziehen, im Gegenteil.

BF: Das [Filmmuseum](/company/filmmuseum) hat Ihnen eine Retrospektive gewidmet, das Filmfest zeigt vier Ihrer Arbeiten. Macht Sie das stolz?

ES: Im Grunde wurde ich von den sechziger Jahren an 20 Jahre lang von der Kritik ignoriert oder verrissen. Wenn nun eine neue Generation von Kritikern oder Zuschauern meine Arbeiten anerkennt, finde ich das zwar schön, aber es macht mich nicht besonders stolz. Ich sehe das als Ausgleich, nachdem ich 20 Jahre unter bösen Kritiken gelitten habe. Natürlich freue ich mich darüber, aber ich werde nicht größenwahnsinnig, nur weil jemand was Gutes über mich schreibt.

BF: Warum hatten Ihre Filme solche Kontroversen provoziert?

ES: Deutschland ist ein Land, das mit einem ziemlichen Neidfaktor ausgestattet ist. Und wenn hier einer viel macht, dann denkt man, er arbeitet schlampig. Das stimmt aber nicht. Außerdem waren meine Filme nicht emotional. Ich habe auf herkömmliche Dramaturgie verzichtet und dem Publikum sehr große Freiheiten gelassen. Wenn man ein Publikum nicht emotionalisiert für den Helden oder die Geschichte, sondern sehr distanziert erzählt, wird es für jeden, der nicht auf die Filme zugeht, recht schwierig. Ich glaube, das war und ist nach wie vor mein Hauptproblem. Ich will den Zuschauer nicht mit dramaturgischen Tricks gewinnen, sondern respektiere ein freies Publikum, das selbst versucht, Geschichte, Charaktere sowie die zweite oder dritte Ebene herauszulesen. Ich mache es den Leuten eben nicht einfach. Ganz abgesehen davon, dass viele meiner Filme sehr radikal sind und in die Extreme gehen wie "[Loft](/movie/loft-die-neue-saat-der-gewalt)" oder "[Der Fan](/movie/der-fan)".

BF: Dennoch ist die Kritik Ihnen mittlerweile geneigter.

ES: Ja, die Journalisten berichten meines Erachtens seit zehn Jahren fairer. Ich habe das Gefühl,, dass ich jetzt besser verstanden werde. Wahrscheinlich war die Zeit auf meiner Seite. Denn inzwischen versetzen andere Regisseure die Leute in einen ähnlichen Zustand, wie ich es immer getan habe.

BF: Filme sind eine kostspielige Angelegenheit. Wie schaffen Sie es, so schnell Geld aufzutreiben?

ES: Zum einen habe ich die letzten Filme nicht auf 35 Millimeter, sondern auf High Definition gedreht. Ein annähernd gutes Format, mit dem ich großartige Erfahrungen gemacht habe. Außerdem drehe ich sehr viele Dokumentarfilme, und mit dem Geld, das übrig bleibt, kaufe ich mir eben kein Haus, sondern investiere in meine Filme. Das ist alles eine Frage der Leidenschaft.

BF: Wie schätzen Sie die Lage des deutschen Films ein?

ES: Es ist dem deutschen Film im Gegensatz zum Fernsehen nicht gelungen, eine Industrie zu bilden. Das Fernsehen mit seinen klaren Konzepten, festen Sendeplätzen und verschiedenen Sendern, für die spezielle Filme hergestellt werden, hat einen Industriecharakter. Der deutsche Film leider nicht. Das einzige Unternehmen, das hierzulande industriell funktioniert, ist [Constantin](/company/constantin-film-ag). Deswegen sind von zehn erfolgreichen Filmen auch sieben dort produziert oder verliehen worden. Ein Unternehmen, das nach industriellen Gesichtspunkten wie in Amerika oder Frankreich Filme herstellt, funktioniert. Allen anderen Produzenten ist dies nicht gelungen. Deswegen bleibt der deutsche Filmerfolg sporadisch. Es gibt zwar Glückstreffer wie "[Der Schuh des Manitu](/movie/der-schuh-des-manitu)", "[Lola rennt](/movie/lola-rennt)" oder "[Good Bye, Lenin!](/movie/good-bye-lenin)", aber das sind punktuelle Erfolge.

BF: Sehen Sie noch Hoffnung?

ES: Meine Hoffnung ist, dass es eine neue Generation von Filmemachern gibt, die eines begriffen hat: Man muss Geschichten erzählen, die ein breites Publikum ansprechen. Ich glaube, es gibt da hoffnungsvolle Namen und Produkte. Da bin ich ganz optimistisch.

Das Filmfest München zeigt folgende Eckart-Schmidt-Filme:

"Atlantis - Ein Sommermärchen" (1969/70)
"Der Fan" (1981/82)
"[Der Sandmann](/movie/der-sandmann)" (1992/93)
"[24/7 Sunset Boulevard](/movie/247-sunset-boulevard)" (2002/2003)

Tribute an Eckhart Schmidt