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Blickpunkt:Film: Wie fällt Ihre persönliche Bilanz der ersten Monate als General Manager aus?


Borris Brandt: Die wichtigste Aufgabe war zunächst sicherlich, gemeinsam mit den anderen Führungskräften eine Vision für die Zukunft aufzubauen. Dies haben wir gemacht und sind auf einem guten Weg. Die Personalstruktur des gesamten Unternehmens muss durchforstet werden, wobei es sicherlich an einigen Positionen gewissen Verbesserungsbedarf gibt. Noch
nicht ganz zufrieden bin ich mit der Präsentation neuer Formate. Ich hätte schon gerne ein paar mehr fertige Projekte auf dem Tisch liegen. Hier müssen wir noch richtig zulegen und uns verstärken. Für das nächste Jahr bin ich hier aber sehr optimistisch: Momentan haben wir selbst über 20 Formate in der Entwicklung, hinzu kommen noch die internationalen Projekte. Da sind wir sicherlich gut gerüstet.


BF: Ist der Reality-Boom vorbei? Wird es bei Endemol eine thematische Neuorientierung geben?


BB: Wir sind ja ohnehin kein Reality-, sondern ein Entertainment-Konzern. Wir haben eben dieses Genre erfunden. Viele Leute, die uns kopiert haben, haben sich diese Projekte dann doch zu leicht vorgestellt. Nach dem Motto: Ein paar Kameras aufhängen, Leute filmen, das Ganze zusammenschneiden - und fertig. So einfach geht es eben nicht. Was zählt, ist letztlich gutes Handwerk. Diejenigen, die dieses Handwerk nicht beherrschen, haben dem Genre letztlich geschadet. Der Reality-Boom ist sicherlich vorbei, aber Reality als Genre wird es weiter geben. Wir haben in diesem Bereich auch noch etliche spannende Formate, aber er ist nicht unser Schwerpunkt.


BF: War das "Totsenden" des Reality-Genres ein typisch deutsches Phänomen?


BB: Dass Produzenten versuchen, erfolgreiche Formate zu kopieren und sich Erfolgs-Trends anzupassen, ist sicherlich ein ganz normales Marktverhalten. Das passiert in anderen Ländern ganz genau so. Ich denke aber, dass in anderen Mediennationen ein etwas größerer Respekt vor dem Fernseh-Handwerk da ist. Da wird auch schon einmal kritisch hinterfragt, ob jemand dieses Handwerk überhaupt beherrscht und wie genau das geplante Format denn aussehen soll. Es reicht dort nicht aus, hinzugehen, mit den Armen zu wedeln und zu sagen: Das kann ich auch. Außerdem war das Publikum in Deutschland zuletzt mit der parallelen Programmierung von "Big Brother III", "Girls Camp", "To Club" usw. überfordert. Wenn der Zuschauer auf einen Schlag 50 Menschen kennen lernen soll, die er vorher noch nie gesehen, ist das einfach zu viel.


BF: Trotz allem haben Sie "Big Brother IV" angekündigt und erwarten das es ein Erfolg wird. Warum?


BB: Wenn Sie Ihr Produktions-Handwerk ernst nehmen, machen Sie sich auch Gedanken darüber, warum Sachen nicht funktioniert haben und ziehen daraus Ihre Schlüsse. Der zusätzliche Vorteil für uns: Wir haben auch das internationale Spielfeld und die Erfahrungen, die mit "Big Brother" in anderen Ländern gemacht worden. Daraus ergeben sich viele hoch spannende Ideen, etwa im Hinblick auf den Modus der Nominierungen oder die Personenkonstellation. Ich glaube, dass wir die größten Reality-Erfolge noch vor uns haben.


BF: Welche Genres stehen für Sie außerdem im Vordergrund?


BB: Momentan sind wir sehr aktiv im Bereich Comedy, sowohl Fiction-Comedy als auch Show-Comedy. In den Zeiten, wo grundsätzlich weniger Geld für Programm da ist, die Werbeeinnahmen geringer ausfallen, versuchen die Sender zunehmend Entertainment-Formate in house zu entwickeln und zu realisieren. Das macht die Situation für uns als freien Produzenten natürlich etwas schwieriger. Letztlich gilt aber ein Gesetz: Wer das beste Format hat gewinnt. Und da sehe ich uns in allen Bereichen sehr gut positioniert. Außerdem halte ich ein Comeback der großen Abendshow in modernisierter Form für wahrscheinlich. Ein großes Thema ist sicherlich auch die Daytime, wo es noch ein großes Potenzial für neuartige Formate gibt. Ich denke dabei etwa an die Mischung aus Talk und Magazin, die bereits in vielen anderen Ländern gut funktioniert. Außerdem gibt es bislang keinen, der systematisch Talent an der Basis castet, aufbaut, fördert und in den Markt bringt. Da werden wir bald führend sein.


BF: Werden Sie zunehmend gezielt Formate für den deutschen Markt entwickeln?


BB: Ja. Zum einen ist der Überblick über das weltweite Fernsehgeschehen für uns sehr wichtig. Andererseits sollten wir als größter freier Produzent im zweitgrößten Markt der Welt auch originär eigene Projekte haben. Nur wir hier in Deutschland können den täglichen Kontakt zu den deutschen Sendern halten und Formate gezielt für deren Bedürfnisse entwickeln. Deshalb haben wir uns hier und vor allem in unserem Mutterhaus in Hilversum auch im Development-Bereich extrem verstärkt.


BF: Wird der TV-Movie-Bereich weiterhin komplett in München betreut?


BB: Auf jeden Fall. Wir haben mit [Susanne Wagner](/person/susanne-wagner_d) jemanden, der sich im Markt auskennt, erfolgreich produziert und ein exzellentes Standing hat. Da sehe ich keinerlei Veranlassung mich einzumischen oder gar eine interne Konkurrenz aufzubauen. Meine Aufgabe als General Manager ist es vielmehr, Susanne Wagner den Rücken frei zu halten, damit sie optimal arbeiten kann und ihr die finanzielle Unterstützung zu genehmigen, die sie dafür benötigt.


BF: Wie weit planen Sie ein Engagement im Bereich Kinoproduktion?


BB: Vor kurzem gab es die Meldung, dass wir an einem Historienfilm fürs Kino arbeiten. Hierzu kann ich nur sagen: Man wird bei Endemol keine Sandalen zu sehen bekommen, außer vielleicht im privaten Bereich. Wahr ist vielmehr, dass wir derzeit einen historischen Stoff bearbeiten, der aber eher in der Nachkriegszeit angesiedelt ist. Grundsätzlich sind wir keine Firma, die sich um die Entwicklung von Kino-Stoffen reißt. Wenn wir aber einen guten Stoff mit Kinoformat hätten, von dem wir alle überzeugt sind, würde ich alles dafür tun, diesen ins Kino zu bringen. Und ich kenne ja noch den einen oder anderen Verleiher.


BF: Welche Rolle spielt Interaktivität bei Ihren Projekten?


BB: In erster Linie sind wir Fernsehproduzent. Allerdings denken wir in der Entwicklung von Formaten automatisch über die multimediale Auswertung nach. Dazu gehören natürlich Online und Telefon. Wir wollen zusehen, dass wir unsere Ideen möglichst vielfältig auswerten. Im Online-Bereich gibt es einen riesigen Markt, der brach liegt. Damit meine ich Daily Content, der unterhält. Bei Banken oder Versicherungen etwa, die große Portale angelegt haben, ist erheblicher Bedarf an Entertainment-Inhalten vorhanden. Die Betreiber wissen mittlerweile, dass die Nutzer auf ihre Seiten gehen, weil sie unterhalten werden wollen, nicht vorrangig weil sie fachspezifische Fragen bzgl. Zinsen o. ä. haben. Man muss die Attraktivität der Dienstleistung erhöhen, indem man sie in Zusammenhang mit Unterhaltung bringt. Da sehe ich für uns als Entertainment-Company einen wesentlichen Ansatzpunkt.


BF: Welches Potenzial sehen Sie im digitalen Fernsehen und derzunehmenden Anzahl von Spartenkanälen?


BB: Das spannendste für uns wäre natürlich ein Endemol-Kanal, den wir komplett selbst gestalten könnten. Dies ist aber kein Thema, mit dem wir uns ernsthaft beschäftigen. Dennoch ist es eine Tatsache, dass wir gerne mehr Slots hätten, um zu zeigen, was wir können. Das Problem ist: Es würde mich sicherlich sehr freuen, wenn es eine Art "Spaßkanal" gäbe. Andererseits weiß ich schon jetzt, dass ein solcher Kanal nicht viel Geld zur Verfügung hätte. Und Spaß für kein Geld ist meistens kein Spaß.

Borris Brandt über deutsche Strategien von Endemol