Blickpunkt:Film

Kino

Blickpunkt:Film: Seit 1. April sind Sie der größte Kinobetreiber Deutschlands. Was hat Kieft & Kieft dazu bewogen, die Ufa-Kinos zu übernehmen?

Heiner Kieft: Zunächst wollten wir gar nicht alle, sondern lediglich einige Standorte übernehmen, um den bestehenden Kinobestand strategisch zu erweitern. Der Insolvenzverwalter Jens-Sören Schröder war aber an einer großen Lösung interessiert, die die Übernahme fast aller Kinos und Arbeitsplätze beinhalten sollte. Natürlich haben wir intensiv geprüft und schließlich unsere Haltung geändert. Insbesondere die entstehenden Synergieeffekte in der Verwaltung, dem Marketing und dem Waren- und Filmeinkauf sind für unser Unternehmen von großer Bedeutung.

BF: Mit den strukturellen Problemen der Ufa-Kinos wie überdurchschnittlich hohe Gebäudemieten werden auch Sie zu kämpfen haben. Wie wollen Sie das Problem angehen?

HK: Wir haben dieses Problem bereits im Vorwege gelöst. Es hätte die Übernahme der Kinos nicht gegeben, wären die Vermieter nicht zu entsprechenden Zugeständnissen bereit gewesen. Teilweise konnten wir Mietreduzierungen von über 50 Prozent erwirken. Nur so ist ein dauerhafter und rentabler Betrieb der Häuser möglich.

BF: Das zweiterfolgreichste Jahr seit der Wende liegt hinter der Kinobranche, und doch kranken viele hieisge Kinobetriebe. Wo liegen die Probleme?

Kinos zahlen für Transport und Trailering

HK: Wir haben in der Tat viele Kranke in der Branche. Es ist ja nicht so, dass lediglich die Multiplexe zu kämpfen haben. Auch vielen Mittelständlern geht es schlecht. Die Probleme sind vielfältiger Natur, ein ganz großes sehe ich allerdings in der ständig steigenden Kopienanzahl: Jeder, der einen Film bestimmter Größenordnung spielen möchte, bekommt ihn auch. Das ist in Ordnung und ich verstehe auch die Politik der Verleiher, doch wir als Kinobetreiber bekommen dadurch verwässerte Ware. Der gelieferte Wein ist nicht mehr so gehaltvoll und wir zahlen trotzdem tendenziell immer mehr dafür. Die Ware Film wird für uns immer teurer.

BF: Können Sie das anhand von Zahlen belegen?

HK: Der durchschnittliche Leihmietensatz der Cinestar-Gruppe betrug im vergangenen Jahr 48,01 Prozent. Ein Wert, der in den vergangenen zehn Jahren um fünf Prozent nach oben gegangen ist, wie unsere Statistiken zeigen. Nur zum Vergleich: In unserem Theater in Holland hatten wir 2002 einen Durchschnittsleihmietensatz von knapp 41 Prozent, ebenso in der Schweiz. In Tschechien waren es 43,9 Prozent. Von solchen Leihmietensätzen können wir in Deutschland nur träumen. Die Kosten, die uns deutsche Verleiher abverlangen, sind geradezu grotesk: Allein für die Filmbeschaffung, also für Transport, Werbekosten usw. geben wir 0,3 Prozent unserer Einnahmen aus. In welcher anderen Branche muss der Kunde den Lieferanten dafür bezahlen, dass er ihm die Ware bringt? Und nicht zu vergessen das Stichwort Trailer: Auch diesen Einsatz müssen wir selbst bezahlen.

BF: Doch auch in Deutschland wird bei der Leihmiete sehr differenziert vorgegangen.

HK: Auf den ersten Blick stimmt das. Aber in unserem Fall ist es jedoch ein enormes Problem, wenn man immer den Höchstsatz bezahlt. Selbst der größte Film ist auf Grund der enormen Kopienzahl nach vier Wochen durch. Ich kann also im Regelfall nur selten in eine niedrigere Kategorie kommen. Wie die Durchschnittssätze zeigen, funktioniert das in anderen Ländern schon. Dort sinken die Mieten schneller und tiefer. Und mich interessieren logischerweise nur die Durchschnittssätze, selbst wenn ich in Deutschland auch jetzt schon rein theoretisch einen Leihmietensatz von 38 Prozent erreichen kann.

BF: Müssten da nicht auch die Kinobetreiber selbst gegensteuern, zum Beispiel in der Programmgestaltung? Es erscheint sehr unsinnig, dass etwa in Berlin in jedem Multiplex im Großen und Ganzen das gleiche Programm gezeigt wird.

HK: Wir haben doch schon jetzt eine enorme Programmvielfalt. Es können sich eigentlich nur noch die Großkinos leisten, alle Filme zu spielen. Es ist keinesfalls so, dass ein Film bei uns nicht gezeigt wird. Selbst Arthouse-Produktionen finden ihren Platz und ihr Publikum in den Multiplexen. Ein Film wie "[Good Bye, Lenin!](/movie/good-bye-lenin)" konnte die sensationellen Zahlen doch nur erreichen, weil auch Nicht-Programmkinos und Arthäuser sich des Films angenommen haben. Mit unseren Konzepten studio@cinestar und "CineStar live" setzen wir bewusst auch andere inhaltliche Schwerpunkte. Leider ist insbesondere im Arthouse-Sektor die Unterstützung von Verleihseite nicht immer optimal.

BF: Wird für den Großteil der Filme der Höchstsatz als Einstieg verlangt?

HK: Auch hierzu eine Statistik: Die zehn erfolgreichsten Verleiher haben uns 2002 199 Filme geliefert. Davon kamen 48 mit dem Spitzensatz von 53 Prozent, 47 mit 50,4 Prozent. Das heißt, wir haben für die Hälfte der Filme über 50 Prozent bezahlt. Richtige Blockbuster waren aber nur sehr wenige dabei.

Die Kinobetreiber haben ihre Aufgabe erfüllt

BF: Gibt es denn Vorschläge von Ihrer Seite, das Leihmietensystem den Gegebenheiten besser anzupassen?

HK: Diese Diskussion ist müßig. Tatsache ist: Sieben Prozent mehr in der Kasse der Kinobetreiber, und wir könnten unsere wirtschaftliche Probleme leichter durchstehen. Wenn die Verleiher wirklich eine Gesundung des Marktes wollen, wie sie immer sagen, dann müssen sie uns entgegenkommen. Wir haben unsere Aufgabe erfüllt; wir haben die geforderten 1000 neuen Säle gebaut; jetzt sind die Verleiher dran. Und, wie gesagt, in anderen Ländern geht es auch. In England wurden Mitte der achtziger Jahre zu Zeiten des Multiplexbooms von den Verleihern pauschal nur noch 35 Prozent genommen, um den Betreibern eine schnellere Rückzahlung ihrer Kredite zu ermöglichen; das hat die Kinos gestärkt und die zehren noch heute davon.

BF: Und wie sieht es mit der viel gescholtenen Zahlungsmoral der Kinobetreiber aus?

HK: Da wird von Seiten der Verleiher eine völlig falsche Argumentation geführt. Es ist ja keineswegs so, dass es die Kinos darauf anlegen, so spät wie möglich zu zahlen. Das Geld der Verleiher ist nämlich sehr teures Geld, da werden höhere Verzugszinsen als bei jeder Bank verlangt. Folglich haben die Verleiher lange Zeit gutes zusätzliches Geld verdient - bis zur Ufa-Insolvenz, als natürlich enorme Summen verloren gingen. Zahlungsziele von 28 oder teilweise 14 Tagen sind durchaus okay. Bei den Verleihern sehe ich allerdings in der anderen Richtung keinen Bewegungsspielraum: Wie viel Skonto bekommen wir, wenn wir sofort zahlen? Kein einziger Verleiher ist auf ein derartiges Angebot eingegangen. Schneller zahlen müsste sich meiner Meinung auch auf die Leihmieten auswirken. Das wäre fair und da würden wir sofort mitmachen.

BF: Wie lautet also Ihr Plädoyer an die deutschen Verleiher?

HK: Ich kann den deutschen Verleihern nur zurufen: Wenn ihr so weitermacht, dann kriegt ihr uns alle kaputt. Man kann die Kuh melken, keine Frage; aber nicht, bis sie umfällt. Das Maß ist voll. Wir stehen mitten in einem sehr harten Verteilungskampf und wir sind nicht mehr bereit, zu den vorgegebenen Konditionen mit den Verleihern zusammenzuarbeiten. Wir werden einfach bestimmte Filme nicht mehr spielen. Die Frage ist, wie viele Kinos sich auf derartige Kämpfe einlassen können; die wenigsten verfügen über Rücklagen, niemand konnte auf Grund der enormen Investitionen der letzten Jahre Fett ansetzen.

BF: Ist Kampf für Sie also die einzige Möglichkeit?

HK: Nein, keineswegs. Ich bin vollkommen davon überzeugt, dass jedes Kino in Deutschland über kurz oder lang schwarze Zahlen schreiben kann - aber nur zu ähnlichen Voraussetzungen, wie sie in anderen europäischen Ländern herrschen. Es besteht also die Chance, sich zusammenzusetzen, um gemeinsam neue Lösungsmodelle zu entwickeln. Dies kann durchaus als Hilfeschrei verstanden werden - von jemandem, der noch fähig ist, zu schreien. Denn die Zeit läuft.

Cinestar-Chef Heiner Kieft zur aktuellen Kinosituation