Blickpunkt:Film

Kino

Blickpunkt:Film: Warum haben Sie das Personal von "Der Untergang des amerikanischen Imperiums" wieder eingesetzt?

Denys Arcand: Ich wollte schon lange einen Film drehen über einen Mann, der mit seinem Tod konfrontiert ist. Das Buch habe ich schon vor "Untergang" begonnen, kam aber einfach nicht richtig in die Gänge. Vor zwei Jahren kam mir dann die Idee,
es mit den Figuren von einst zu versuchen.

BF: Ihr Film ist eine Koproduktion von Cinemaginaire und der französischen Pyramides. Ziehen Sie einen französischen Partner einem amerikanischen vor?

DA: Zu Frankreich bestehen gute Verbindungen. Pyramides finanzierte zehn Prozent des Budgets. Das klingt marginal, es macht aber einen Unterschied, ob man 45 oder 50 Tage drehen kann. Gerade die letzten Tage waren wichtig, schon wegen der Musik. Amerikaner wollen alles oder nichts, eine minoritäre Beteiligung interessiert sie relativ wenig. Beim Verleih ist es einfacher. Miramax sichtete den Film schon vor Cannes, hat aber erst einmal die internationale Resonanz abgewartet und später gekauft. Als Ausländer erreiche ich in den USA nur eine bestimmte Zuschauerschicht, daher sind US-Verleiher ziemlich vorsichtig. Wenn man einen bekannten Namen hat, kann man sie viel leichter überzeugen.

BF: Wäre der Film in englischer Sprache leichter zu verkaufen gewesen?

DA: Kanadische Filme gelten in den USA als Exoten, egal in welcher Sprache sie gedreht sind. Die Amerikaner wollen ihre Stars sehen, alles andere juckt sie wenig. In großen Kinos würden meine Filme sowieso nicht laufen. Deren Programm orientiert sich an einem klar definierten Mainstream-Publikum. Meine Erfahrung zeigt, dass französischsprachige Filme vom Bonus des Frivolen profitieren und besser ankommen als englischsprachige.

BF: Inwieweit nützt den kanadischen Filmemachern der amerikanische Produktionsboom in Ihrem Land?

DA: Der Vorteil: Wir verfügen über die neuesten technischen Geräte von der Kamera bis zum Schnitt. Der Nachteil: Für die USA gilt Kanada als Billiglohnland. Für uns wird alles teurer, weil die US-Firmen Gehälter zahlen, die unsere Möglichkeiten überschreiten. Unsere Techniker sind inzwischen sehr verwöhnt und fordern das gleiche Gehalt. Vor allem junge kanadische Regisseure können sich die besten Kräfte nicht mehr leisten. Ich konnte mein Prestige in die Waagschale werfen, da achteten sie nicht auf jeden Cent.

BF: Vor einigen Jahren gab es eine "kanadische Welle" in Europa. Inzwischen ist es ruhiger geworden.

DA: Bei nur 25 Mio. Einwohnern und einer zweisprachigen Kultur verfügen wir über keine riesige Produktion. Aber wir arbeiten ständig, und der Staat gibt sich in puncto Förderung großzügig, jedenfalls bei kleinen und mittleren Budgets. Die Fixierung auf US-Filme ist sehr groß. Darunter leidet die Aufmerksamkeit für andere. Wir hören auch von Deutschland nichts mehr. Ich bin bei [Wenders](/person/wim-wenders) und [Herzog](/person/werner-herzog) stehen geblieben. Festivalfilme verschwinden nach der ersten Euphorie, weil es an wagemutigen Verleihern fehlt.

BF: Hat es Sie geärgert, dass Sie in Cannes "nur" den Drehbuchpreis bekommen haben?

DA: Nicht wirklich. Ich galt schon mit "[Jesus von Montreal](/movie/jesus-von-montreal)" als Favorit und erhielt damals den Jurypreis. Es zählt die Teilnahme am Wettbewerb. Da wird der Film gesehen, entscheiden die Käufer über die Zukunft des Films. Auszeichnungen sind die Sahnehäubchen.

"Auszeichnungen sind die Sahnhäubchen"

BF: Was hat sich seit "Der Untergang des amerikanischen Imperiums" geändert?

DA: Es gibt zwei Unterschiede. Damals war ich 45 und musste Erfolg haben, sonst wäre ich weg vom Fenster gewesen oder hätte den Rest meiner Tage als angesäuerter Fernsehredakteur verbracht. Der neue Ruhm gab mir die Freiheit, die Filme zu machen, die ich wollte. Natürlich freue ich mich auch heute noch über Anerkennung, aber mit 62 muss ich mir nichts mehr beweisen.

BF: Wie sieht es mit einem nächsten Spielfilm aus?

DA: Anfang nächsten Jahres setze ich mich an den Schreibtisch. Es köchelt schon eine Idee zu einem intimen Film.

Denys Arcand über "Die Invasion der Barbaren"