Blickpunkt:Film

Kino

Blickpunkt:Film: Als Sie in das Projekt einstiegen, lag es schon seit über sieben Jahren bei Salma Hayek. Wie haben Sie Ihre Visionen zusammengebracht?

Julie Taymor: Das Ganze funktionierte wie eine Art Wanderpokal, verschiedene Regisseure, etwa [Walter Salles](/person/walter-salles), kamen und gingen. Ich war die einzige Frau. Salma wünschte sich einen künstlerisch ambitionierten Menschen, der die Story von der rigiden Biopic-Struktur befreite. Sie wusste, dass ich viel Zeit in Mexiko verbracht hatte und war überrascht von meinen Kenntnisse der mexikanischen Kunst und Kultur.

BF: Sind Sie sich nicht mit den Ideen in die Quere gekommen?

"Weinstein, eine schwer zu knackende Nuss"

JT: "Frida" war Salmas Baby. Aber ich war die Regisseurin und koordinierte die Vorstellungen, eine Herausforderung. Der Funke sprang über, als sie mir beim ersten Treffen zwei Stunden lang von den Schwierigkeiten erzählte, mit denen sie seit Jahren kämpfte. Salma ist attraktiv, intelligent, leidenschaftlich und witzig, dazu noch eine exzellente Schauspielerin. Schönheit kann auch ein Handicap sein, weil niemand hinter die Fassade guckt. Die meisten Regisseure interessieren sich nur für ihr Aussehen. Wir waren Partner, und Salma Hayek war bereit, alles zu tun.
BF: Konnten Sie Ihre Ideen durchsetzen? Mit Harvey Weinstein ist nicht zu spaßen.

JT: Wahrlich eine schwer zu knackende Nuss. Unser Verhältnis gestaltete sich nicht ganz so gespannt wie das zwischen Rockefeller und Diego im Film. Aber an einem bestimmten Punkt muss man abwägen und sagen, das ist mein Werk, wer zahlt dafür, inwieweit bin ich abhängig. Wir zofften uns, aber es zählt das Resultat. Weinstein ist zufrieden und ich fühle mich auch okay, bin keine negativen Kompromisse eingegangen, sondern ließ mich durch Argumente zu Änderungen überzeugen.

BF: Und was ging verloren?

JT: Ich würde keine DVD mit einem völlig anderen Film herausbringen. Man muss sich eben auf zwei Stunden beschränken und kann keinen Sechs- oder ZehnStunden-Film drehen. Ich hätte mir vielleicht einige ruhige Momente mehr gewünscht, aber bei den Testscreenings in New Jersey stießen wir auf gute Resonanz. Dabei hatte das Publikum keine Ahnung von Frida Kahlo. Es gab noch nicht einmal einen Titel.

BF: Was fasziniert Sie persönlich an der Figur?

JT: Ihre unglaubliche Kraft und Stärke. Sie war eine der ersten Frauen, die sich selbst zur Ikone stilisierte. Nicht umsonst waren [Madonna](/person/madonna) und [Jennifer Lopez](/person/jennifer-lopez) spitz auf das Projekt. Die Liebesgeschichte zwischen Frida und Diego gehört für mich zu den romantischsten. Nicht nur weil sie leidenschaftlichen Sex hatten. Es ging nicht um kleinbürgerliche Begriffe wie Treue, sondern sie versprachen sich Loyalität. Als Diego die verletzte, versetzte er der Beziehung den Todesstoß. Für das amerikanische Publikum wirkt das sehr sophisticated, denken Sie an die Clinton-Affäre. Europäer sind da freier. Der Film stellt die Frage nach bedingungsloser Liebe. Damit will ich den Zuschauer packen, Kopf und Bauch erreichen.

BF: Ihnen wird die Vernachlässigung politischer und sozialer Aspekte vorgeworfen.

JT: Damit haben wir gerechnet. Wer kennt schon die wahre Geschichte von Frida Kahlo? Feministinnen sahen sie in den achtziger Jahren als Opfer männlicher Willkür, für mich ist sie eine Frau, die leidet und dennoch das Leben in vollen Zügen genießt. Natürlich hätte ich mich mehr auf Politik und Fridas Position konzentrieren können, aber bei der Darstellung einer historischen Figur über 30 Jahre hinweg muss man auswählen. Ich entschied mich bewusst für Momente, die ihre Entwicklung als Künstlerin und Frau bestimmen. Jeder interpretiert seine ureigenste Frida.

BF: Harsche Kritik kam aus Mexiko. Mehr als nur Machismo?

JT: Ein Film in englischer Sprache, dazu unter der Regie einer Frau - da reagieren einige Mexikaner sauer und das ärgert mich. Dabei waren 95 Prozent des Teams mexikanisch, "Frida" ist kein amerikanischer, sondern ein internationaler Film, wurde vollständig in Mexiko gedreht. Als Künstlerin nervt mich dieses unsinnige nationale Denken. Niemand hindert die mexikanischen Kritikaster, einen eigenen Film zu drehen. Ich halte es jedenfalls nicht für meine Aufgabe, ellenlang die Geschichte von Trotzki und Mexiko zu erzählen. Für mich geht es zuallererst es um die Gefühle zwischen zwei Menschen, um Frida und Diego.

Die Filmemacherin Julie Taymor zu "Frida"