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Blickpunkt:Film: Wie fühlen Sie sich als frisch designierter Berlinale-Chef?

Dieter Kosslick: Bestens. Ich packe etwas Neues an, fühle einen großen Aufschwung, habe Lust auf den aufregenden Job und freue mich auf Berlin.

BF: Was gab letztendlich den Ausschlag, vom Rhein an die Spree zu wechhseln?

DK: Nach 18 Jahren und vier Filmförderungen stelle ich mich noch einmal einer echten Herausforderung. Es geht nicht nur darum, ein Riesen-Filmfestival zu organisieren, sondern das Spannende ist, dieses A-Festival noch einmal ganz anders anzugehen, eine Struktur zu entwickeln. Da gibt es vielleicht ganz neue Kooperationen mit dem Forum. Davon verspreche ich mir neue Energien. Ich spüre ein Aufbruchgefühl und hoffe, dass der Rest mitzieht.

BF: Was ist Ihr erster Wunsch?

DK: Das Team der Berlinale kennenzulernen und Gespräche in konstruktiver Atmosphäre zu führen.

BF: Wird es eine Neubestimmung der einzelnen Sektionen geben?

DK: Moritz de Hadeln macht noch ein Festival. Es wäre stillos, irgendwie zu intervenieren, Rat- oder Vorschläge zu geben. Vor der nächsten Berlinale gebe ich keine Details bekannt. Aber Sie können sicher sein, dass sich etwas verändert.

BF: Der deutsche Film galt als Berlinale-Stiefkind. Wird sich das ändern?

DK: Wer achtzehn Jahre den deutschen Film gefördert hat, wird ihn bestimmt nicht vergessen. Das heißt nicht, das nicht auch mir mal ein Film durchrutschen kann. Ich hoffe, dass deutsche Regisseure wieder gerne in Berlin ihre Filme vorstellen.

BF: Wie sieht eine Zusammenarbeit mit de Hadeln aus?

DK: Ich werde versuchen, mich mit ihm zu treffen. Im Extremfall springe ich am 1. Mai 2001 in die Black Box.

BF: Während der letzten Berlinale beschrieben Sie die Qualitäten einer zukünftigen Festival-Leitung als "groß, stark, mächtig, gläsern, kosmopolitisch und witzig". Sind Sie das?

DK: Das habe ich nicht in dem Bewusstsein geäußert, Berlinale-Chef zu werden. Es war ein typischer Kosslick-Text, der einen Hauch komisch sein sollte und keine Kritik am Festival-Leiter. Jetzt holt mich das ein. Man sollte darüber schmunzeln. Es ist auf jeden Fall nicht ganz falsch, aber auch nicht mein programmatisches Credo.

BF: Wie wollen Sie den Spagat zwischen Glamour und Arbeitsfestival, Mainstream und Arthaus, Markt und cineastischen Ansprüchen schaffen?

DK: Dieser Spagat liegt in der Struktur der Berlinale. Sie ist ein A-Festival im Markt, ein Cineasten-Filmfestival in den Sektionen. Da kommt es zur Reibung zwischen Mainstream und Independent-Szene. Ohne amerikanische Filme geht es nicht. Ich kann da genauso in der Kritik stehen wie de Hadeln, ich mache mir keine Illusionen. Im Gegensatz zu Cannes und Venedig ist die Berlinale ein Publikumsfestival. Es ist die Quadratur des Kreises.

BF: Planen Sie eine verstärkte Zusammenarbeit zwischen Berlin, Cannes und Venedig?

DK: Das läuft nach dem Motto Kooperation und Konkurrenz beleben das Geschäft.

BF: Während die Branche noch über drei Kandidaten rätselte, sollen Sie schon einen Vorvertrag in der Tasche gehabt haben.

DK: Nein.

BF: Gab es überhaupt eine Findungskommission?

DK: Ich war jedenfalls nicht der einzige Kandidat und die Entscheidung wurde auch nicht nur von einer Person getroffen. Ich bin nicht Jack aus der Büchse, ich führte Gespräche mit Christoph Stölzl und Eberhard Diepgen. Zu dem Verfahren kann ich mich nicht äußern, da ich gefragt worden bin.

BF: Sie übernehmen die künstlerische Verantwortung, gibt es Berater oder einen starken Verwaltungmann?

DK: Ich bin zwar immer der Chef, umgebe mich aber gerne mit sehr guten und sehr starken Mitarbeitern, fühle mich nicht als Soloturner in der Zirkuskuppeln. Und bei der Berlinale gibt es gute und starke Leute.

BF: Sie gelten als unkonventionell, haben Sie keine Angst in ein Satzungs-Korsett eingeschnürt zu sein?

DK: Mein Ansprechparter ist erst einmal der neue Festspiel-Leiter Joachim Satorius, dann das Kuratorium. Ich bin es gewöhnt, mit solchen Organen umzugehen. Man ist nicht unbedingt freier, wenn man ganz alleine ist. Bei einer Krise, sei es finanziell, inhaltlich oder persönlich, ist es von Vorteil, wenn man ein Korsett hat, das einen auffängt. Da sehe ich die Funktion der Festspiel GmbH. Man muss zwar Satzungen einhalten, aber "film business is people's business", da kommt es auf die Chemie an.

BF: Und wie ist die Chemie mit Kulturstaatsminister Michael Naumann?

DK: Gut. Über die Berlinale sagte er mir it's your baby, das heißt Unabhängigkeit in der Gestaltung als Festival-Chef. Sonst hätte ich die Aufgabe auch nicht angenommen. Ich werde das Baby aufziehen, damit es groß und stark wird.

BF: Zwei neue Männer: Joachim Sartorius als Leiter der Festspiel GmbH, Dieter Kosslick als Berlinale-Chef. Alles auf Anfang?

DK: Alles auf Anfang. Mit voller Kraft.

Dieter Kosslick zu seiner Berlinale-Berufung