Blickpunkt:Film

Kino

Die Crème de la Crème des weltweiten nicht nur Arthouse- Kinos versammelt Thierry Frémaux in der 77. Ausgabe des Festival de Cannes. Französisches bleibt ein Schwerpunkt. Mit Francis Ford Coppola, Sean Baker und Kevin Costner ist auch das US-Kino verstärkt präsent.
Das Programm des wichtigsten Termins der Filmfestivalsaison der Welt ist nach den am 22. April angekündigten Nachzüglern komplett. Es präsentiert sich ein Who Is Who des Weltkinos, in dem die heimischen Kreativen ein Gros ausmachen. Vorgestellt werden u.a. die mit Spannung erwarteten neuen Filme von [Jacques Audiard](/person/jacques-audiard), der zuletzt 2021 mit "Wo in Paris die Sonne aufgeht" an der Croisette verzauberte und zuvor mit "Der Geschmack von Rost und Knochen" und "Ein Prophet" beeindruckte, aber auch vom griechischen Autorenfilmer [Yorgos Lanthimos](/person/yorgos-lanthimos), der erst in Venedig letztes Jahr und in der Oscar-Saison mit "Poor Things" für Aufsehen gesorgt hatte.  Lanthimos bringt u. a. seinen Oscar-prämierten Star aus "Poor Things", Emma Stone, und ihren Kostar Willem Dafoe mit zur Weltpremiere seines originellen Ensembledramas, dessen Trailer einiges verspricht und das in bewährter Konstellation entstanden ist. Mit "Emilia Perez" legt der regelmäßige Cannes-Gast Audiard seine erste Komödie vor, die auch Musical ist und die Geschichte eines mexikanischen Drogenbosses erzählt, der ein neues Leben als Frau beginnt. Ein weiterer regelmäßige französischer Festivalrückkehrer ist [Michel Hazanavicius](/person/michel-hazanavicius), der ebenfalls das Genre wechselte und mit dem Animationsdrama "La plus précieuse de Marchandise" ins Palmenrennen geht. Es ist die erste Animation im Wettbewerb seit "Waltz with Bashir". Der "The Artist"Macher, der zuletzt mit einem Horrorfilm in Cannes war, schildert in der Adaption von Jean-Claude Grumberg, wie sich das Schicksal einer jüdischen Familie, die nach Auschwitz deportiert wird, mit dem eines polnischen Waldarbeiterpaars kreuzt. [Paolo Sorrentino](/person/paolo-sorrentino) mit "Parthenope", in dem der italienische Oscarpreisträger die Neapolitaner, im speziellen das Leben und die Lieben der Titelheldin schildert, gehört zu den weiteren hochgeschätzten europäischen Filmemachern, die in den Wettbewerb nach Cannes zurückkehren. Ebenso wie [Ali Abbasi](/person/ali-abbasi), der zuvor mit "Holy Spider" - und mit "Borders" im Certain Regard überzeugte. Er stellt "The Apprentice" vor und erzählt überspitzt von einem jungen Donald Trump, gespielt von Sebastian Stan, der zum großen Karrieresprung einen Pakt mit dem Teufel eingeht. Ein sehr zeitgemäßer Film. Kiril Serebrennikov porträtiert in "Limonov – The Ballad" ebenfalls einen Politiker, der vor allem Literat ist bzw. als Skandalautor beschrieben  wird, mit Ben Whishaw in der Titelrolle.

Es sieht überhaupt nach einem starken und spannenden Wettbewerb aus, aus dem die Jury unter dem Vorsitz von [Greta Gerwig](/person/greta-gerwig) die Palmen-Gewinner auswählen darf, in dem die Filmemacherinnen aber eklatant in der Minderzahl sind. Die erfahrene und renommierte Britin [Andrea Arnold](/person/andrea-arnold) gehört zu ihnen und hat nach einigen Jahren Pause einen Auftritt mit "Bird", über dessen Inhalt noch nicht viel bekannt ist, in dem
aber zwei der angesagtesten europäischen Schauspieler zu sehen sind, [Franz Rogowski](/person/franz-rogowski) und Barry Keoghan. Die fran-
zösische Regisseurin Agathe Riedinger, die das Werk von Arnold schätzt, ist mit dem einzigen Debüt im Wettbewerb verreten. "Diamant brut" erzählt von einer 19-Jährigen, die im Reality TV berühmt werden will.

Das US-Kino präsentiert sich mit breiter Brust und zahlreicher - nach dem Ende des Doppelstreicks. Mit [Francis Ford Coppola](/person/francis-ford-coppola) und [Paul Schrader](/person/paul-schrader) sind gleich zwei legendäre Filmemacher in den Wettbewerb geladen, Coppola mit seinem aufwändigen und ambitionierten Traumprojekt und Zukunftsvision "Megalopolis" und Schrader mit "Oh Canada". Sean Baker aus der jüngeren Generation, der mit "Florida Project" und "Red Rocket" in Cannes reüssierte, kehrt mit "Anora" zurück, einer romantischen Dramedy. Oscar-Preisträger Kevin Costner
präsentiert seine Rückkehr zum (klassischen) Western nach  "Der mit dem Wolf tanzt" mit dem epischen, auf mehrere Teile angelegten "[Horizon](/movie/horizon-an-american-saga)" außer Konkurrenz in der Sélection officielle. Und mit der Fortsetzung bzw. dem Prequel "[Furiosa: A Mad Max Story](/person/)" des australischen Filmemachers George Miller, der sich mit dieser Reihe in der Filmgeschichte verewigt hat, ist auch der US Major Warner mit einer Großpremiere an der Croisette. Vorgänger "[Mad Max: Fury Road](/movie/mad-max-fury-road)" hatte auch dort Premiere gefeiert. Der Film wird einer
der größten Attraktionen auf dem Roten Teppich der 77. Festivalausgabe. Über ordentlich Zugkraft verfügen sollte außerdem die große Premiere des neuen Films des mit "Der Vorname" erfolgreichen französischen Regie- und Autorenduos Alexandre De La Patellière und Matthieu Delaporte. Die Neuverfilmung des Dumas-Klassikers "Der Graf von Monte Christo" mit Pierre Niney in der Hauptrolle gehört zu den aufwändigsten heimischen Projekten.

Die kanadische Filmemacherlegende Robert Cronenberg präsentiert sein neues Werk "Shrouds", in dem Diane Kruger eine Hauptrolle spielt. [The Match Factory Productions](/company/the-match-factory) ist mit zwei Koproduktionen "Motel Destino" von Karim Aïnouz und "Grand Tour" von Miguel Gomes im Wettbewerb vertreten und mit dem Langfilmdebüt der Schauspielerin [Ariane Lebed](/person/ariane-labed)
"September Says" über zwei unterschiedliche Schwestern mit den Namen September und Juli. [Nicole Gerhards](/person/nicole-gerhards) Berliner Arthouseschmiede [Niko Films](/company/niko-film) ist als
Koproduktion am Eröffnungsfilm der unabhängigen Nebenreihe Semaine de la Critique, "Les Fantomes"/"Ghost Trail", einem Drama-Thriller-Mix von Jonathan Millet, beteiligt sowie am Drama "The Village Next to Paradise" von Kurzfilm-Lola-Gewinner Mo Harawe. Mit seinem
Langspielfilmdebüt, ein in der somalischen Wüste spielendes Familiendrama, ist er in Un Certain Regard eingeladen. Die Wiener Freibeuter Film poduziert. Die Münchner [Maze Pictures](/company/maze-pictures) und die Berliner [Razor Film](/company/razor-film-produktion) sowie Filmfaust sind ebenfalls mit Koproduktionen in verschiedenen Sektionen des Festivals vertreten - mit "Rumours" von [Evan Johnson](/person/evan-johnson) außer Konkurrenz, "Santosh" von [Sandhya Suri](/person/sandhya-suri) im Certain Regard und "Immaculata" von Kim Lêa Sakkal.

Renommierte französische Kreative wie [Leos Carax](/person/leos-carax) oder [Noemie Merlant](/person/noemie-merlant) finden sich auch in anderen Sektionen des Festivals, Carax stellt "C’est pas moi" in
Cannes Premiere vor und die Schauspielerin "Les Femmes au Balcon" in der Mitternachtsreihe. Im Rahmen der Sondervorführungen stellt [Daniel Auteuil](/person/daniel-auteuil) "Le Fil" vor. Dort ist auch der aus der Ukraine stammende, in Berlin lebende renommierte Dokumentarfilmemacher [Sergei Loznitsa](/person/sergei-loznitsa) mit "L’ invasion" vertreten, in dem  er einen persönlichen essayistischen Blick auf die Invasion Russlands wirft. [Oliver Stone](/person/oliver-stone) und Rob Wilson feiern dort auch Premiere mit der Doku "Lula".

Cannes-Überblick: Viele Rückkehrer in der Sélection officielle