Blickpunkt:Film

Kino

Kulturstaatsminister [Wolfram Weimer](/person/dr-wolfram-weimer) erläutert im Exklusiv-Interview mit Blickpunkt:Film die filmpolitischen Weichenstellungen im Bundeshaushalt 2025, warum der Verzicht auf ein ungedeckeltes Tax Incentive für ihn die optimale Lösung ist, wie die Auszahlung der Fördermittel mit der Filmförderreform verknüpft ist und wo die Investitionsverpflichtung steht.

**Was sind die Gründe dafür, dass das Steueranreizmodell nun doch nicht kommt, oder ist die Umsetzung eines (ungedeckelten) Tax Incentive nur verschoben?**

Uns ging es darum, der Branche eine schnell wirksame, effektive und verlässliche Antwort zur dringend notwendigen Stärkung des Produktionsstandortes Deutschland zu geben. Es ist nun mal so, dass die Entscheidungen für Produktionsvorhaben in Deutschland in den kommenden Jahren jetzt getroffen werden. Deshalb müssen wir jetzt Planbarkeit und attraktive Investitionsanreize schaffen. Der Filmstandort Deutschland kann sich langwierige politische Ausverhandlungsprozesse rund um das Steueranreizmodell schlichtweg nicht leisten. Und wir müssen hierbei auch die engen finanziellen Spielräume der Länder und Kommunen im Blick behalten, denn die müssten die finanziellen Lasten einer Steuerzulage mittragen. 

**Sie verdoppeln dafür das Fördervolumen von DFFF und GMPF von 130 auf 250 Millionen Euro. Gilt das nur für diese Legislaturperiode oder soll das auch in Zukunft so bleiben?**

Ganz genau, und so soll es bleiben. Da gibt mir auch der Bundesfinanzminister volle Rückendeckung. Die Verankerung der Aufstockung im Regierungsentwurf 2026 ist daher für die Bundesregierung zugleich Ausgangspunkt für die Fortsetzung der Förderung auf diesem Niveau in den kommenden Jahren. Diese neue Planbarkeit ist das stärkste Signal an deutsche und internationale Produzenten: Drehs in Deutschland lohnen sich. Wir erfüllen daher auch mit der Neuaufstellung des bestehenden Systems die Vorteile, die mit einem Steueranreizmodell verbunden werden: ein international konkurrenzfähiges Fördervolumen und eine überjährige Planbarkeit. 

**Glauben Sie, dass der Produktionsstandort damit gegenüber dem europäischen Ausland wettbewerbsfähig sein wird?**

Davon bin ich absolut überzeugt. Mit mehr als 110 Jahren Filmschaffen in Deutschland haben wir doch beste Voraussetzungen: Wir haben die Studios, wir haben die Produktionsdienstleister und wir haben das kreative Talent und das technische Know-How. Jetzt kommt eine finanziell mehr als beachtliche Anreizförderung, und das sogar mit einer Förderquote von stolzen 30 Prozent. Damit schließt Deutschland auf international wettbewerbsfähiges Niveau auf. Zusammen mit den Beiträgen der Länder sowie einem noch stärkeren Engagement der öffentlich-rechtlichen Sender haben wir jetzt ideale Rahmenbedingungen für wirtschaftlich und kulturell erfolgreiche Blockbuster made in Germany.

### "Wir wollen die Neuaufstellung der Anreizförderung und die Einführung einer gesetzliche Investitionsverpflichtung zusammen auf den Weg bringen."

**Laut Regierungsentwurf stehen knapp die Hälfte der Mittel für die Anreizförderung, nämlich 120 Millionen Euro, unter dem Genehmigungsvorbehalt des Bundesfinanzministeriums. Welche Erwartungen sind damit verbunden?**

Sowohl dem Bundesfinanzminister als auch mir ist es wichtig, dass wir den filmpolitischen Auftrag des Koalitionsvertrags umsetzen und die Filmreform insgesamt vollenden. Wir wollen die Neuaufstellung der Anreizförderung und die Einführung einer gesetzliche Investitionsverpflichtung zusammen auf den Weg bringen. Dieses Junktim von Fördern und Fordern ist dem Bundesfinanzminister wichtig und kommt in der genannten Klausel zum Ausdruck. Mir ist es wichtig, dass wir uns regierungsintern über die weiteren Schritte der Filmreform eng abstimmen und ein gemeinsames Ziel verfolgen, nur so kommen wir rasch zu guten Ergebnissen. Vom Bundesfinanzministerium gibt es jetzt Rückenwind sowohl für die Aufstockung der Anreizförderung als auch die Einführung der Investitionsverpflichtung, dafür bin ich sehr dankbar. Mit dem Regierungsentwurf schaffen wir nun eine verlässliche Grundlage dafür, die Mittel für [DFFF](/company/dfff-deutscher-filmfoerderfonds) und GMPF bedarfsgerecht mit überjähriger Planungssicherheit bereitzustellen. 

### "Die Streamer haben ihre Bereitschaft bekräftigt, sich noch stärker am Standort Deutschland zu engagieren."

**Sprechen Sie mit den Streamern über eine Selbstverpflichtung statt einer gesetzlichen Investitionsverpflichtung oder soll eine Einigung in eine gesetzliche Lösung fließen? Kommt es hier zu einer freiwilligen Lösung und in welcher Höhe erscheint Sie Ihnen angemessen?**

Über Ansätze zur Ausgestaltung einer Investitionsverpflichtung habe ich letzte Woche mit den vier marktführenden Streamern [Netflix](/company/netflix), [Amazon Prime Video](/company/amazon-prime-video), [Disney+](/company/disney_a7) und [Apple TV+](/company/apple-tv) ein sehr offenes, konstruktives Gespräch geführt. Diese machen enorme Umsätze auf dem deutschen Zuschauermarkt, tragen aber auf einem stark umkämpften Medienmarkt auch wesentlich dazu bei, das Publikum weiterhin für Filme und Serien zu begeistern. Die Unternehmen haben mir gegenüber ihre Bereitschaft bekräftigt, sich noch stärker am Standort Deutschland zu engagieren. Schließlich sind sie selbst an einer dynamischen Entwicklung des Marktes interessiert. Zugleich haben sie darauf hingewiesen, dass mehr Investitionen am deutschen Standort eine attraktive und verlässliche Anreizförderung auf internationalem Niveau voraussetzen. Bei den Entscheidungen über den Produktionsstandort stehen wir ganz klar im Wettbewerb mit anderen Staaten, die ebenfalls attraktive Anreizsysteme haben. Mit der enormen Anhebung des Fördervolumens für die Anreizförderung hat die Bundesregierung nun ihren Teil getan, um den Standort zu beleben und attraktive Produktionen nach Deutschland zu holen. Um die Filmreform insgesamt ins Ziel zu bringen, besteht daher nun die klare Erwartung in Politik und Branche, dass wir zusammen mit der neuen Anreizförderung auch eine gesetzliche Investitionsverpflichtung einführen. Das finde ich nur fair. Auch mein Eindruck ist, dass wir die Ziele der Investitionsverpflichtung nur mit hinreichender Klarheit und Verbindlichkeit über einen gesetzlichen Rahmen erreichen können. Daher werde ich nach der Sommerpause einen Gesetzesentwurf in die Ressortabstimmung geben und dann auch eine breite Branchenanhörung in die Wege leiten. Überlegenswert halte ich dabei Öffnungsklauseln im Gesetz, wie es sie etwa in Frankreich gibt. Eine solche Klausel könnte den Verpflichteten gewisse Spielräume bei der Erfüllung der Investitionsverpflichtung eröffnen. Mir geht es nicht um starre Regeln, sondern um das Ergebnis, den Standort Deutschland voranzubringen. Im Gespräch wurde auch von den Streamern betont, dass die Faktoren, die neben einer effektiven Anreizförderung auch wichtig für eine Standortentscheidung sind, in Deutschland weiterhin hervorragend sind. Wir haben tolle Talente, ein hohes handwerkliches und technologisches Niveau, eine offene und vielfältige Gesellschaft und sichere Städte – das sollte man immer auch betonen. Für das künstlerische Arbeiten – und darum geht es am Ende ja – macht es einen Unterschied, ob ich an einem inspirierenden Ort in freier Atmosphäre arbeite oder eben nicht.         

**Wie sieht es in diesem Fall mit einem Rechterückfall aus?**

Gewisse Vorgaben zum Rechterückfall und zur Rechteteilung sind wichtig, um den unabhängigen Produzentinnen und Produzenten langfristig den Aufbau und die Vermarktung eigener Rechtekataloge zu ermöglichen und so eine faire Teilhabe und nachhaltige Wertschöpfung an den von ihnen hergestellten audiovisuellen Werken sicherzustellen. Dies stärkt den Innovationswettbewerb und verbessert die wirtschaftliche Resilienz der unabhängigen Produktionsunternehmen. Wir denken das im Rahmen der Ausgestaltung des Rechtsrahmens für die Investitionsverpflichtung mit. Wichtig hierbei sind Fairness und verhältnismäßige Regelungen, die berücksichtigen, wie viel Steuergeld in einer Produktion steckt und wer welches wirtschaftliche Risiko trägt.  

**Welche Branchenreaktionen erwarten Sie auf diesen veränderten Weg für die Reform der Filmförderung des Bundes?**

Wir sind mit der Branche und mit den Stakeholdern in Ländern und Kommunen in einem guten und konstruktiven Austausch und den bisherigen Reaktionen nach zu urteilen, sehen sie diesem langersehnten Abschluss der Filmreform mit einer gespannten Aufbruchstimmung entgegen. Und auch die großen Streaming-Anbieter haben mir signalisiert, dass wir alle das Ziel haben, den Produktionsstandort Deutschland zu stärken. Wir brauchen mehr Investitionen im Bereich Film und Serien, um internationales Know-How ins Land zu holen und deutsche Talente zu halten. Die Bundesregierung wird weiterhin alles Erforderliche dafür tun, um dieses Wachstumspotenzial gezielt zu fördern. So wird Deutschland eine Heimat für die kreative Wertschöpfung, mutige Filme und mehr Erfolgsserien und Blockbuster made in Germany. 

### "Steueranreizmodell wäre wohl ein neues Bürokratiemonster"

**In der Vergangenheit hörte man, dass sich die deutsche Politik dem Ziel verschrieben hatte, beim europäischen Wettlauf des Tax Incentive „Höher Schneller, Weiter“ nicht mehr mitzumachen? Wie denken sie darüber?**

Den Förderwettlauf sehe ich tatsächlich kritisch. Aber das ist ein Thema, das auf europäischer, wenn nicht internationaler Ebene diskutiert werden muss. Deutschland kann sich da nicht einseitig aus dem Wettbewerb nehmen, das würde uns wirtschaftlich, aber auch kulturell enorm schaden. Zumindest bei dem Punkt ‚Schneller‘ können wir allerdings nicht zuletzt aufgrund der föderalen Strukturen hierzulande mit dem Hochgeschwindigkeitsverkehr in der internationalen Filmwirtschaft kaum mithalten. Es ist einfach Tatsache, dass wir nicht hätten garantieren können, mit einem Steueranreizmodell in den nächsten zwei bis drei Jahren an den Start zu kommen – das wären weitere Jahre der Unsicherheit gewesen. Selbst wenn es geklappt hätte, hätten wir mit dem Steueranreizmodell wohl ein neues Bürokratiemonster geschaffen – mit doppelter Prüfung durch [FFA](/company/ffa-filmfoerderungsanstalt) und Finanzämter. Hätten wir dieses Vorhaben also weiterverfolgt, wären wir womöglich in einer Totalblockade der Filmreform gelandet. Damit hätten wir für den Filmstandort Deutschland nichts weniger riskiert, als seine endgültige Versenkung in die Bedeutungslosigkeit. Diese Bundesregierung steht genau für das Gegenteil: Wir sind angetreten, um der deutschen Filmwirtschaft wieder Sichtbarkeit und Gewicht auf der Weltbühne zu geben.

**Ist dieses Paket für Sie die Optimal-Lösung oder der größtmögliche Kompromiss?**

Das ist absolut die Optimal-Lösung, davon bin ich überzeugt und der Bundesfinanzminister trägt diesen Kurs ebenso hundertprozentig mit. Wir haben hier ein Gesamtpaket aus Fördern und Fordern geschnürt. Und dieses Paket wird sehr rasch Wirkung entfalten, denn wir setzen damit auf bewährte und schlanke Verfahren, indem die Filmförderungsanstalt (FFA) weiterhin die Anreizförderung des Bundes umsetzt und hierfür auch künftig zentraler Ansprechpartner bleibt. Außerdem kann die Förderung weiterhin zielgenau nach rein filmfachlichen Kriterien erfolgen, weil wir keine Anpassungen der Förderregularien an steuer- und abgaberechtliche Vorgaben vornehmen müssen. Die Förderung kann in Raten je nach Projektfortschritt ausgezahlt werden, Zwischenfinanzierungsbedürfnisse werden somit geringer. Das ist ein großer Vorteil gegenüber dem Steueranreizmodell. Und natürlich werden wir auch die Förderrichtlinien anpassen und optimal aufstellen. Für ein verbessertes deutschlandweites Fördersystem können bei der neuen Anreizförderung zudem die Ausrichtungen der Länderförderungen verstärkt mitgedacht und so Synergieeffekte erzielt werden. Das alles zusammengenommen wird die kreativen Kräfte entfesseln und wirtschaftliche Hebeleffekte auslösen. 

Wolfram Weimer: "Gesamtpaket aus 'Fördern' und 'Fordern' geschnürt"