Blickpunkt:Film

Kino

Der renommierte und vielfach preisgekrönte Editor [Hansjörg Weißbrich](/person/hansjoerg-weissbrich) ist als Ehrengast und Teil der Fünf Seen Filmpreis Jury beim [Fünf Seen Filmfestival](/company/fuenf-seen-filmfestival), das am Dienstag, den 9. September eröffnet wird. Er gibt auch eine Masterclass. 7 Filme werden von ihm gezeigt. Wir fragten bei ihm nach.

**Sie sind bereits mehrfach mit dem Deutschen Filmpreis ausgezeichnet worden, erhielten auch internationale Preise wie den Independent Spirit Award. Was bedeutet es Ihnen Ehrengast und Jurymitglied beim Fünf Seen Filmfestival zu sein?**

Die Einladung hat mich sehr gefreut und bedeutet mir viel. Es kommt ja nicht so häufig vor, dass Filmeditoren in dieser Form geehrt werden. Ich möchte mich deshalb von Herzen bei Festivalleiter [Matthias Helwig](/person/matthias-helwig) bedanken, der mit dieser Einladung die große Bedeutung der Filmmontage im Entstehungsprozess eines Films hervorhebt.  

 
**Worauf freuen Sie sich am meisten?**

Ich freue mich sehr auf die Begegnung mit dem Publikum und die Möglichkeit, über meinen wunderbaren Beruf zu sprechen. Die sieben ausgewählten Filme sind aus unterschiedlichen Phasen meiner Karriere. „[23](/movie/23)“ hat auch nach 25 Jahren nichts von seiner Kraft verloren. „[Traumland](/movie/traumland)“ ist ein selten gezeigter früher Film von „[Heldin](/movie/heldin)“-Regisseurin [Petra Volpe](/person/petra-volpe), mit der ich gerade zum vierten Mal zusammenarbeite und die ebenfalls Ehrengast des Festivals ist. Und „[We Were Dangerous](/movie/we-were-dangerous)“ ist ein neuseeländischer Film, der in Deutschland noch gar keinen Verleih hat. 
Besonders freue ich mich auch auf die Masterclass und das Gespräch mit Filmjournalist Moritz Holfelder, auf viele spannende Filme und angeregte Diskussionen mit meinen hochgeschätzten Jury-Kolleg*innen. 

![„Das Verschwinden des Josef Mengele“. Foto: Hype Studio](https://s3.eu-central-1.amazonaws.com/zone.busch.store.image/086b6490-2c3b-4e8e-ab23-fb33eb2c9f2a.jpg)
 
**Sie stellen dort auch „[Das Verschwinden des Josef Mengele](/movie/disappearance)“ vor. Was war für Sie das Besondere und die größte Herausforderung bei der Arbeit am Film?** 

Der Film geht tief in die dunklen Abgründe der Hauptfigur und reflektiert über die Natur des Bösen. Ein Psychogramm eines Menschen ohne Empathie. 
Der Film arbeitet mit verschachtelten Zeitebenen und ist in drei Kapitel gegliedert. Wir haben sehr sorgfältig an der Dramaturgie des Films gearbeitet, viele Umstellungen ausprobiert. Eine besondere Herausforderung war auch, die richtige Tonalität und den richtigen Rhythmus für den Film zu finden. Im Gegensatz zu „[September 5](/movie/september-5)“, der eine sehr hohe Schnittfrequenz hat, besteht der Film von [Kirill](/person/kirill-serebrennikov) aus teilweise sehr langen Plansequenzen, die meist aufwändig choreographiert sind und ohne verdeckte Schnitte auskommen. 


 
**Wie sah die Zusammenarbeit mit dem Regisseur Kirill Serebrennikov aus?**

Ich habe Kirill durch Vermittlung des deutschen Produzenten [Felix von Boehm](/person/felix-von-boehm) kennengelernt. Wir haben uns auf Anhieb verstanden. Während der Dreharbeiten in Riga und Uruguay war ich vor Ort am Set und habe in einem kleinen LKW gearbeitet. Kirill war wichtig, die Möglichkeit zu haben, in Drehpausen bestimmte Dinge im Schnitt überprüfen zu können, um ggf. Korrekturen in der Inszenierung vorzunehmen. 
Die eigentliche Schnittzeit fand dann in Berlin statt. Kirill hat mir sehr vertraut und mir viel Freiraum gelassen. Mittlereile haben wir mit der französischen Produktion Après bereits zum zweiten Mal zusammen gearbeitet.

#####  „Man kann nicht sagen, dass ich nach dem großen Erfolg von „September 5“ mit Angeboten überschüttet werde.“
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**Nach welchen Kriterien wählen Sie Ihre Projekte aus? Sie müssen nach dem Preiseregen zu „September 5“ zahllose Angebote bekommen haben?**

Hauptkriterium ist immer das Drehbuch. Mich interessieren relevante Geschichten mit Tiefgang, die zum Nachdenken anregen und gesellschaftspolitische Themen aufgreifen. Aber natürlich spielt auch eine Rolle, wer Regie führt, wer die Produzenten sind, welche Schauspieler*innen besetzt werden und wie das Team zusammengestellt ist. 
Ich habe das große Glück, dass ich immer genug Anfragen habe, um durchgehend arbeiten zu können. Das liegt natürlich auch daran, dass ich mit vielen Regisseuren fest zusammenarbeite, wie z.B. mit [Hans-Christian Schmid](/person/hans-christian-schmid), [Maria Schrader](/person/maria-schrader) oder [Petra Volpe](/person/petra-volpe) und über die Jahre so viele Kontakte geknüpft habe, dass es manchmal zu Überschneidungen kommt und ich Projekte absagen muss, die ich eigentlich gerne gemacht hätte.
Man kann aber nicht sagen, dass ich nach dem großen Erfolg von „September 5“ mit Angeboten überschüttet werde. Die Filmbranche ist gerade weltweit in einer Krise, es wird wenig gedreht und viele Leute haben keine Arbeit. Das macht sich natürlich in der Angebotslage bemerkbar. 

![„Heldin“ von Petra Volpe, mit der Weißbrich regelmäßig arbeitet. Foto: Tobis](https://s3.eu-central-1.amazonaws.com/zone.busch.store.image/cfed54ce-4405-4f0f-9229-b894246e1bf5.jpg)
 
**Als nächstes sind Sie mit „[Rose](/movie/rose_a)“ von [Markus Schleinzer](/person/markus-schleinzer) zu sehen. Was reizte Sie an diesem Projekt?**

Das Drehbuch zu „Rose“ hat mich auf Anhieb begeistert. [Sandra Hüller](/person/sandra-hueller) spielt die Hauptrolle, eine Frau, die sich kurz nach dem 30jährigen Krieg als Mann ausgibt, um sich ein besseres, selbstbestimmtes Leben aufzubauen. Markus war viele Jahre einer der engsten Mitarbeiter von Michael Haneke. Für viele seiner Filme hat Markus das Casting gemacht. Ich kannte die beiden Vorgängerfilme und mochte sie sehr. Außerdem hat es mich gefreut, wieder mit [Walker+Worm](/company/walkerworm-film) zusammenzuarbeiten, die ich schon von früheren Projekten kannte. 



Hansjörg Weißbrich: „Wir haben sehr sorgfältig an der Dramaturgie gearbeitet“