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Blickpunkt:Film: Nach mehr als 30 Jahren als Filmemacher ist "Palmetto" Ihr erster Genrefilm. Warum kommen Sie so spät zum Krimi?

Volker Schlöndorff: Ich stieß im Verlauf meiner Karriere immer wieder auf Krimis. Ein halbes Jahr meines Lebens habe ich etwa damit verbracht, "Red Harvest" von Dashiell Hammett zu entwickeln. Letztlich wurde ich vom Zufall eingeholt. Seit Mitte der sechziger Jahre hat mich Horst Wendlandt immer wieder bedrängt, einen Krimi mit ihm zu drehen. Er war es, der mir "Dumme sterben nicht aus" von James Hadley Chase zu lesen gab. Während der Dreharbeiten zu "Der Unhold" hatte ich das Gefühl, das Gewicht der Welt auf den Schultern zu tragen, und beschloß, als nächstes doch etwas Einfacheres zu machen und gab Horst Wendlandt mein Okay.

Auf Amerikaner wirkt der Film europäisch

BF: Wie gestaltete sich die Zusammenarbeit mit Rialto Film?

VS: Die Arbeit war völlig unproblematisch. Die Wendlandts haben sich darüber hinweggesetzt, daß "Der Unhold" an den Kinokassen floppte. Sie fanden, daß das Thema falsch gewählt, die Regie aber einwandfrei gewesen sei. Sie wollten mir bei der Auswahl der Stoffe und vor allem Schauspieler behilflich sein. Dafür war ich dankbar, weil ich in den letzten sieben, acht Jahren nicht mehr in Amerika gearbeitet hatte und aufgrund der Verpflichtungen in Babelsburg nur noch sporadisch ins Kino gehen konnte. Also holten wir das Verpaßte in einer einmonatigen Gewalttour nach, in der wir uns täglich gemeinsam sechs bis sieben Filme ansahen. Da wir uns bei den Schauspielern nicht einigen konnten, habe ich mich da im Hintergrund gehalten. Dafür hatte ich andere Bedingungen.

BF: Wie sahen die aus?

VS: Ich wollte den Film in Amerika drehen und mit einem amerikanischen Autor arbeiten. Wenn man einen Film in Amerika in englischer Sprache dreht, will man ja auch eine Chance am amerikanischen Markt haben. Ich habe mir Mühe gegeben, den Film so amerikanisch wie möglich zu machen. Die Ironie daran ist, daß die Amerikaner sagen, sie empfänden den Film als wunderbar europäisch. Ich weiß nicht, ob ich das als Kompliment oder als Beleidigung auffassen soll.

BF: Kam ein Dreh in Deutschland nicht in Frage?

VS: Kurzfristig haben wir uns überlegt, die Geschichte nach Deutschland zu verlegen. Reiche Frau, Haus am Wannsee - ganz schnell haben wir gemerkt, daß die Story so nicht aufgehen würde. In Deutschland landet so was alsbald im Rotlichtmilieu, und es wird ganz schnell furchtbar bieder und spiessig. Wenn ein Krimi in Amerika spielt, hat er automatisch etwas Allgemeingültiges: Das könnte überall passieren. Das ist ein fiktives Land, Krimiland.

BF: Warum haben Sie Florida als Drehort gewählt?

VS: Ich wollte einen Handlungsort, der etwas komisch-kaputtes haben sollte. An der Westküste von Florida fand ich die gewünschte Atmosphäre. Ich kannte die Gegend, weil ich mit Dustin Hoffman vor Jahren an einer Verfilmung von "El Brava" von Elmore Leonard gearbeitet hatte, die aber niemals zustande kam. Krimis funktionieren am besten in einem unfertigen Land, wo alles noch möglich ist, alles schneller geht, wenn man Gewalt einsetzt, die Gesetze locker gehandhabt werden und die Gesellschaft noch nicht ihren festen Wert hat.

BF: Da paßt auch ihr Antiheld Harry Barber gut hinein, der sich - wie auch der Abel in "Der Unhold" - bereitwillig verführen läßt.

VS: Im Grunde ist er ein Monument an Schwäche. Er wird einer doppelten Versuchung ausgesetzt: da ist die Gier aufs Geld und die Gier auf die schöne Frau. Meine anderen Helden wurden - so wie ich - bisher immer eher von Ideen verführt. Das moralische Dilemma, auf der einen Seite gut sein zu wollen, auf der anderen Seite das schnelle Geld zu machen und die scharfe Frau zu gewinnen, ist eigentlich typisch für die fünfziger Jahre, auf die ich mit Stil, Thema und Ausstattung verweisen will. Aber vielleicht paßt dieses Dilemma einer verlogenen Gesellschaft ja ganz gut für das neue puritanische Amerika, das auf seine Weise auch nur ein verkleidetes Amerika der Fünfziger ist.

Mit einem Krimi das Publikum aussöhnen

BF: Insofern schimmert Ihr Interesse an sozialkritischen Stoffen auch in "Palmetto" durch?

VS: Mehr als das Spiel mit dem Genre hat mich von jeher interessiert, was in der Gesellschaft vorgeht. Da solche Filme im Augenblick aber nicht mehr gefragt sind und als Alternative das Erzählkino bleibt, dann will ich wenigstens im Rahmen eines Genres arbeiten und zwar so abgehoben wie möglich.

BF: Also ist Ihnen ein großes Publikum auch bei Ihren gesellschaftlichen Stoffen wichtig?

VS: Unbedingt. An "Der Unhold" hat mich am meisten getroffen, daß auf einmal das Publikum weg war, und ich war es gewohnt, die Menschen auch mit schwierigen Stoffen ins Kino locken zu können. Vielleicht ist der Krimi meine Geste, mich mit dem Publikum auszusöhnen, das mir eigentlich immer vertraut hat.

Für "Palmetto" nach Amerika