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Blickpunkt:Film: Constantin als Deutschlands erfolgreichster unabhängiger Verleiher - eine Erfolgsbilanz mit einem weinenden Auge?

Thomas Peter Friedl: Aus Constantin-Sicht ist dies absolut eine ungetrübte Erfolgsbilanz. Wir sind das dritte Jahr in Folge Marktführer unter den Independents, 2002 haben wir trotz einer insgesamt schwierigen Marktlage allein mehr Besucher als die fünf folgenden Verleiher zusammen. Wichtiger ist aber, dass wir uns als einziger Verleiher seit Jahren in den Besuchersphären der fünf US-Majorstudios befinden. Es gibt aber auch ein weinendes Auge, da es für die deutsche Filmbranche insgesamt bedenklich ist, wenn sich der Independent-Markt dermaßen ausdünnt.

BF: Was erwartet die Kinobesitzer 2003 an neuen Constantin-Titeln?

TPF: Die Constantin hat sich in den vergangenen Jahren zu einem breit gefächerten Mainstream-Verleih entwickelt. Neu hinzugekommen ist außerdem der Bereich Service-Produkt, also jene Vereinbarungen, die wir mit [RTL](/company/rtl-television) und [Highlight](/company/highlight-filmverleih) haben. Neu ist auch unser Engagement im Bereich "Filmjuwelen", wie z. B. im vergangenen Jahr "[8 Frauen](/movie/8-frauen)". Im Vorfeld habe ich viele Stimmen gehört, dass wir für so einen Film der falsche Verleih seien. Da freut mich der große Erfolg natürlich besonders. Konkrete Titel für 2003 sind neben dem stark gestarteten "[Fliegenden Klassenzimmer](/movie/das-fliegende-klassenzimmer_1)" und am Jahresende "[Das Sams in Gefahr](/movie/sams-in-gefahr)" im anspruchsvollen Bereich "[The Hours](/movie/the-hours)" (27. März), ferner als Action-Film "Wrong Turn", [François Ozons](/person/francois-ozon) "[Swimming Pool](/movie/swimming-pool)", der lang erwartete "[Werner 4](/movie/werner-gekotzt-wird-spaeter)", "[Germanikus](/movie/germanikus)" mit [Gerhard Polt](/person/gerhard-polt), der "[Tiger & Dragon](/movie/tiger-und-dragon-best-of-cinema)"-Nachfolger "Hero" und das brasilianische Kinomeisterwerk "[City of God](/movie/city-of-god)". Der neue [Bully](/person/michael-bully-herbig)-Film "[(T)Raumschiff Surprise - Periode 1](/movie/traumschiff-surprise-periode-1)" wird von Constantin im Sommer 2004 ins Kino gebracht.

Deutsche Verleiher scheffeln kein Geld

BF: An welchen Produktionen arbeitet Constantin 2003?

TPF: Eines unserer strategischen Ziele ist und bleibt die Steigerung der Eigenproduktionen. Die Kombination von Produktion und Verleih in einer Hand ist auch für die Zukunft wichtig, um in der Spitzengruppe der Verleiher zu bleiben. Einige Projekte für 2003 sind "Das Sams in Gefahr" (zusammen mit [Ulrich Limmer](/person/prof-ulrich-limmer)), "Werner 4" (mit [Achterbahn](/company/achterbahn-im-lappan-verlag)), ab April "Porta Westfalica", ferner die Verfilmung eines [Dietl](/person/helmut-dietl)/ [Süskind](/person/patrick-sueskind)-Buchs sowie eine neue Komödie mit [Tom Gerhardt](/person/tom-gerhardt). Allerdings bleibt das größte Wachstumsfeld die internationale Eigenproduktion, wo Constantin seit über 15 Jahren erfolgreich agiert. Künftig steht da auch der US-Markt im Mittelpunkt. "[Resident Evil](/movie/resident-evil)" kann man sicher als erfolgreiche Blaupause ansehen. Mittlerweile hat dieser Film weltweit 105 Mio. Dollar und allein 40 Mio. Dollar in den USA an den Kinokassen eingespielt, bei einem Budget von 35 Mio. Dollar. Dies hat uns in den Staaten weitere Türen geöffnet, ergo wird z. B. "Resident Evil 2" wesentlich aufwändiger stattfinden. Weitere aktuelle internationale Themen sind z. B. "Wrong Turn" und "Das Parfüm".

BF: Wie beurteilen Sie den deutschen Anteil am nationalen Markt?

TPF: Fakt ist, dass der deutsche Markt im vergangenen Jahr generell schlechter abgeschnitten hat als 2000. Der Vergleich mit dem Boomjahr 2001 hinkt natürlich, da hier unser Jahrhundert-Event "[Manitu](/movie/der-schuh-des-manitu)" nicht der Maßstab für alle anderen Jahre sein kann. In der Tat ist aber der deutsche Marktanteil im Vergleich zu 2000 und 1999 etwas rückläufig. Natürlich muss unser aller Ziel sein, den deutschen Marktanteil zu steigern.

BF: Branchenteilnehmer wünschen sich einen Anteil von 20 Prozent.

TPF: Mir wäre lieber, man würde sich Ziele setzen, die auch absehbar sind. Man schielt ja in Deutschland immer nach Frankreich und versucht, sich an den dortigen Zahlen zu orientieren. Aber man vergisst, dass die Franzosen auf eine jahrzehntelange positiv betriebene Filmpolitik zurückblicken können. Es gibt zwar bei uns Tendenzen, die in die richtige Richtung gehen, aber leider hat das Kino in Deutschland nach wie vor nicht den wichtigen Stellenwert in der Gesellschaft wie in Frankreich. Der deutsche Film kann sich meiner Meinung nach vor allem über das Produkt steigern, und ein erfreulicher Trend der letzten Jahre ist, dass sich der deutsche Film von der reinen Komödie auf diverse erfolgreiche Genres erweitert hat.

BF: Ist also die 200-Mio.-Besuchergrenze ein realistisches Ziel?

TPF: Es gibt Anzeichen dafür, dass der Markt weiter wachsen wird. Aber man darf nicht vergessen, dass im vergangenen Jahr Deutschland im Vergleich zu den USA schlechter abgeschlossen hat. Daher stellt sich erneut die Frage, ob unsere Filmauswertung wirklich optimal ist, was den Verdrängungswettbewerb und die Laufzeiten betrifft. Ich glaube zwar, dass wir die 200 Mio. als realistisches Ziel weiterhin anpeilen können. Dazu bedarf es aber gemeinsamer Anstrengungen. Es ist kein Geheimnis, dass ich den bisherigen so genannten generischen Kampagnen kritisch gegenüberstehe. Aus unserer Sicht muss eine solche Kampagne ganz klar darauf abzielen, neues Publikum ins Kino zu bringen. Aber der Half-PriceDay oder SuperKinoDienstag hat in erster Linie umverteilt: Wir sehen ganz klar, dass sich die Besucherzahlen an anderen Wochentagen zu Gunsten des Dienstags reduziert haben. Wenigstens hat sich durch den Wegfall von anderen Kinotagen der Durchschnitts-Kartenpreis erhöht.

BF: Wie gut geht es dem deutschen Kino? Betreiber klagen über zu dünne Kapitaldecken.

TPF: Mit der Qualität der Kinos und dem Engagement der Betreiber kann man sehr zufrieden sein. Ich stimme aber zu, dass die auftretenden Probleme sicherlich mit der Kapitalausstattung zu tun haben. Es ist sehr bedenklich, dass es trotz der Rekordjahre 2001 und 2002 einige Unternehmer gibt, die nicht in der Lage sind, zeitnah Filmmieten zu zahlen, weil sie daraus ihr operatives Geschäft finanzieren müssen. Das ist deswegen erschreckend, weil irgendwann vielleicht wieder ein Kinojahr kommen wird, in dem die Zahlen um zehn bis 15 Prozent zurückgehen. Absurd ist auch die leidige Diskussion um die Filmmieten. Sicherlich liegen im internationalen Vergleich die deutschen Filmmieten höher. Das bedeutet jedoch nicht, dass die deutschen Verleiher Geld scheffeln, während die Kinos am Hungertuch nagen. Fakt ist, dass bei uns auch die P&A-Budgets höher liegen. Der größte Anteil - pro Film im Durchschnitt zwei Mio. Euro - fließt in die TV-Werbung, die wiederum hier teurer ist als et-
wa in Amerika. Um diese zwei Mio. Euro zurückzuverdienen, müssen mindestens 800.000 Kinobesucher erreicht werden. Ähnlich wie beim Krankenkassensystem verläuft der Filmverleih nach dem Solidarprinzip: Von 400 Filmen, die in Deutschland ins Kino kommen, machen etwa 50 Titel mehr als 800.000 Besucher. Das heißt, viele Filme sind allein in der P&A unterdeckt, Minimumgarantien und anderes nicht eingerechnet. Um aus dieser Misere herauszukommen, muss der Kuchen für alle größer werden. Oder die P&A-Kosten müssen entlastet wer-den. Die Verleiher könnten die TV-Werbung reduzieren, wenn mehr Trailer eingesetzt würden. Es ist absurd, dass wir im Kino, wo 100-prozentig unsere Zielgruppe sitzt, nicht mehr Trailer zeigen und die Leute gleich zum nächsten Besuch locken können.

Am Ende zahlt das Publikum die Zeche

BF: Stichwort Internet-Piraterie: Welche Abwehrstrategien sind von Verleiherseite zu erwarten?

TPF: Die Internet-Piraterie hat sich in den letzten Jahren zu einer der größten Gefahren für die Branche entwickelt, der Scha-den beträgt derzeit nach Schätzungen bis zu vier Mrd. Dollar weltweit. Wir zum Beispiel sind leidgeprüft mit "Erkan & Stefan 2", der im vergangenen Jahr sechs Wochen vor Kinostart bereits im Internet aufgetaucht ist. Das bedeutete, dass der Film nicht die Größenordnung an Besuchern erreichen konnte, die wir erwartet hatten. Aus unserer Sicht muss man erstens die Piraterie vom Nimbus des Kavaliersdelikts befreien, da am Ende das Publikum die Zeche bezahlen muss durch höhere Preise oder ein geringeres Filmangebot; zweitens muss eine Gesetzgebung etabliert werden, um Piraterie effektiv zu verfolgen. Ich kann nicht verstehen, warum jemand legal, ohne zu zahlen, acht Kopien für Freunde machen darf. Da steht jedem Missbrauch Tür und Tor offen. Und drittens muss die Branche à la Movielink eine legale Plattform einrichten, um den existierenden Bedarf nach digitaler Verbreitung zu befriedigen. Seit Beginn dieses Jahres zeigt Constantin als ers-ter Verleiher vor jedem ihrer Kinofilme einen Anti-Piraterie-Hinweis. Was die direkte Verfolgung angeht, so haben wir präventiv als Pilotprojekt zum "Fliegenden Klassenzimmer" zusammen mit der [GVU](/company/gvu-gesellschaft-zur-verfolgung-von-urheberrechtsverletzungen-ev) und [VdF](/company/vdf-ev-verband-der-filmverleiher-ev) Abmahn- und Einstweilige Verfügungsverfahren gegen alle einschlägigen Seiten gestartet, um den Vertrieb nachweislich gestohlener Filmdateien zu verhindern. Das sind übrigens auch alles Maßnahmen, um nachhaltig hohe Kinobesucherzahlen zu sichern.

Gespräch mit Constantin-Vorstand Thomas Peter Friedl