Blickpunkt:Film

Kino

Blickpunkt:Film: Wie in "[Cinema Paradiso](/movie/cinema-paradiso)" geht es wieder um eine Coming-of-Age-Geschichte in der Zeit nach dem Krieg. Mögen Sie Nostalgie?


Giuseppe Tornatore: Mein einziger nostalgischer Film ist "Cinema Paradiso". Man darf nicht den Zeitrahmen und die Ausstattung als Zeichen von Nostalgie deuten. "Malèna" handelt von der destabilisierenden Macht der Schönheit, ein zeitloses Thema, und ist deshalb auch kein typisch italienischer Film.


BF: Wie haben Sie mit dem erst 15-jährigen Hauptdarsteller gearbeitet?


GT: Eine große Herausforderung. Der Junge verfügt über keine Schauspielerfahrung. Er musste starke Gefühle ausdrücken, oft ohne Worte. Ich frage mich jetzt noch, wie er das geschafft hat. Schon die Suche nach ihm gestaltete sich schwierig, wir ha-ben sämtliche Agenturen abgeklappert. Das ganze Projekt war ziemlich kompliziert. Der Stoff lag schon lange in der Schublade, erst als ich Monica Bellucci entdeckte, ging ich an die Realisierung. Als nicht ganz einfach erwies sich auch die Ausstattung. Vom Lautsprecher bis zum Radiogerät aus den vierziger Jahren musste alles stimmen.


BF: Monica Bellucci gilt als neue Sophia Loren.


GT: Sie ist nicht nur ein berühmtes Fotomodell, sondern auch eine große Schauspielerin. Ich bin sicher, sie wird Karriere machen, Italiens neuer Star sein.


BF: Wie haben Sie den Film produziert?


GT: Erstmals hat [Harvey Weinstein](/person/harvey-weinstein) einen Film von mir koproduziert, bisher hatte Miramax nur die Verleihrechte für drei meiner Filme in den USA. Da wir uns kannten und schätzten, mussten wir uns nicht mehr aneinander gewöhnen. Wenn Harvey Weinstein eine Sache anpackt, dann richtig. Ganz oder gar nicht heißt seine Devise. Er ist ein sehr leidenschaftlicher Mensch, ein vom Film Besessener.


BF: Werden Sie weiter mit den Weinsteins arbeiten?


GT: Wir sind in Gesprächen. Tauschen gerade neue Ideen aus. Es ist ein Vortasten zu einem neuen Projekt. Als abergläubischer Mensch sage ich da lieber nichts.


BF: Sind amerikanische Koproduktionen die einzige Möglichkeit, den italienischen Film international wieder zur Geltung zu bringen?


GT:Dies war eine sehr glückliche, leider seltene Erfahrung. Es ist das erste Mal, dass eine amerikanische Produktionsfirma so viel Geld in ein nicht englisch gedrehtes Projekt steckt, der Film kostete immerhin elf Mio. Dollar. Das könnte vielleicht ein Modell sein, die Schwierigkeiten des italienischen Films zu lösen. Aber zu sicher bin ich mir da nicht. Fremdsprachige Filme haben kaum eine Chance in den USA. Ich hatte das große Glück, dass [Anthony Minghella](/person/anthony-minghella) und [Joseph Tropiano](/person/joseph-tropiano) die Untertitelung übernommen und die Poesie der italienischen Sprache erhalten haben.


BF: Woran krankt der italienische Film?


GT: Da gibt es mehrere Gründe. Die italienischen Verleiher bemühen sich zu wenig, Interesse zu wecken und in den anderen europäischen Ländern ziehen die Zuschauer amerikanische Filme vor. Es ist nicht nur der Fehler der Regisseure, "Cinema Paradiso" konnte weltweit gute Zahlen vorweisen, nur in Deutschland nicht. Erst auf Video kam der Erfolg. In Europa wird viel produziert, wir haben Talente und gute Geschichten. Nur: Wie sollen wir mit unseren Mini-Marketing-Budgets den Markt erobern. Wenn ich mit einem Produzenten über das Budget rede, fällt kein Wort über die Promotion. Man hofft immer auf den guten Willen der Verleiher. Eine völlig absurde Situation! Auch ein guter Film muss promotet werden, ohne Werbung existiert er einfach nicht. Aber kriegen Sie diese Erkenntnis
mal in einen Produzentenkopf hinein. Die erste Frage ist immer, wie teuer ist der Film, aber nie, wie teuer ist es, ihn ans Publikum zu bringen.


BF: Deprimiert Sie das?


GT: Es ärgert mich. Manchmal träume ich von einem großen und teuren Film, bei dem ich nicht aufs Geld schauen muss.


BF: Könnten Sie sich vorstellen, in Amerika zu arbeiten?


GT: Die Möglichkeit würde mich schon reizen. Bisher bot man mir aber nur Projekte an, die mich nicht 100-prozentig überzeugten, meistens Remakes von "Cinema Paradiso". Bei einem Film, der meiner Lust am Geschichtenerzählen entspricht, nehme ich das erste Flugzeug. Filmemachen halte ich für ein zu kostbares Privileg, als es zu vergeuden. An dem Tag, an dem ich weiß, warum ich wirklich Filme mache, höre ich auf. Was mich antreibt, ist diese Neugier.

Giuseppe Tornatore zu "Der Zauber von Malèna"