Blickpunkt:Film

Kino

Blickpunkt:Film: Das 50-jährige Jubiläum des HDF fällt in schwierige Zeiten. Bei allem Grund zum Feiern: Ist jetzt eine Neuorientierung nötig?

Steffen Kuchenreuther: Wenn ein Verband wie der HDF 50 wird, ist das zunächst einmal ein Grund, mit erhobenem Haupt zu feiern. Wenn Sie unsere Verbandsgeschichte lesen, sehen Sie, dass es eine Reihe von Austritten, Spaltungen und Wiedereintritten gab. Natürlich müssen wir auf die Austritte reagieren. Der Schritt hatte aber etwas Unausweichliches. Das Jahr 1999 war sicher nicht das beste für den HDF, auch für mich persönlich. Aber ich bin Optimist und Kämpfer. Künftig Abgrenzung von Nicht-Mitgliedern

BF: Was sind die größten Verdienste des HDF, auch unter Ihrer Präsidentschaft?

SK: Der HDF ist in allen Bereichen als Vertreter der Branche anerkannt, sei es gegenüber der Politik der IG Medien, der Gema, der FFA. In der Anfangsphase ist es gelungen, Sonderbelastungen wie die Vergnügungssteuer für die Kinos abzubauen, später haben wir die Mehrwertsteuerpräferenz für Kinos durchgesetzt, die Filmförderung mit aufgebaut und kritisch begleitet. Seine Grenzen hat der Verband bei Konkurrenzsituationen der Filmtheater untereinander, aber auch im Verhältnis zu den Verleihern gezeigt bekommen.

BF: Die Austritte der drei Multiplexbetreiber trifft den HDF härter als frühere Krisen, rund 40 Prozent der Leinwände fehlen nun, auch deren Mitgliederbeiträge.

SK: Wir haben in mehreren Gesprächen versucht, die Differenzen auszuloten, ohne etwas Konkretes zu hören. Das macht es schwierig zu reagieren. Wir haben ein gutes finanzielles Angebot gemacht, weil es hieß, Cineropa wolle nicht alle Verbandsaufgaben selbst übernehmen. Aber die Erklärungsfrist ist Ende Februar ohne Antwort verstrichen. Bei Verhandlungen mit den Verleihern sind wir nun sicher geschwächt. Andererseits konnten wir uns schon früher über die Interessen der Großen im HDF nicht hinwegsetzen. Wir werden unsere Leistungen offensiv darstellen und von Nicht-Mitgliedern abgrenzen. Die Geschäftsstelle ist bereits personell reduziert worden. Ich habe die Hoffnung nicht aufgegeben, dass wir wieder zusammenkommen. Cineropa wird seine Erfahrungen machen müssen.

BF: Hatte der HDF sich zu streitbar die Interessen bloß des Mittelstandes aufs Panier geschrieben?

SK: Ich war da immer sehr vorsichtig, auch wenn der Eindruck ein anderer sein mag. Im Verdrängungswettbewerb der letzten Jahre kann der HDF keine Rollen verteilen, wer gut ist und wer böse. Ich habe andererseits größtes Verständnis, dass alt eingesessene Betreiberfamilien in Versammlungen gegen die Großen wettern, wenn sie wegen eines Multiplex' plötzlich vor dem Aus stehen. Aber ich sehe in der Verbandspolitik 95 Prozent Gemeinsamkeiten von Großen und Kleinen. Außerdem betreiben auch Mittelständler zunehmend Multiplexe, sodass die Fronten nicht immer gerade verlaufen. Wie andere hat der HDF sicher das Tempo des Multiplex-Siegeszuges unterschätzt. Dem Argument der Multiplexe, es würde mehr Publikum für alle generiert, bin ich aber nie gefolgt. Mir war klar, dass es zu einer Umverteilung kommen wird. Zudem sind die Zuschauerzuwächse ja auch nicht umwerfend - trotz der massiven Investitionen.

BF: Bedeuten die Satzungsänderungen des HDF eine Reaktion auf den Vorwurf, die Großbetreiber hätten zu wenig Einfluss?

SK: Hätte es die Aufhebung der Landesverbände nicht gegeben, wären die Großen sicher schon früher gegangen. Zu diesem Zeitpunkt war die Stimmrechtsbegrenzung nötig, um die Zustimmung der Mitglieder zur Reform zu bekommen. Die Großen hätten mit ihrer Stimmenzahl aber schon immer den Verband dominieren können und hatten so ja auch einen Vertreter ins Präsidium gewählt. Die Aufhebung ist natürlich ein Zeichen an die Großbetreiber, das ich sehr begrüße. Im Übrigen vollziehen wir mit der Aufhebung der Tarifbindung, was andere Branchen schon hinter sich haben. Wir kommen damit den uneinheitlichen Interessen der Mitgliedern entgegen.

BF: Welches Signal geht von der Mitgliederversammlung aus, was sind die Themen, auf die Sie sich unter den geänderten Bedingungen konzentrieren wollen? "Die Fronten verlaufen nicht immer gerade"

SK: Wir werden uns nicht beirren lassen, die Interessen der Kinos weiter offensiv zu vertreten, etwa in der FFA und gegenüber der Gema. Als Signal für Wandlungsfähigkeit kann man werten, dass der Zwang zur regionalen Bindung der Hauptausschuss-Mitglieder aufgehoben wurde. Wir stellen damit die Kompetenz der Person vor ihre Herkunft. Auch die Arbeit in der FFA und der SPIO geht weiter, ebenso die Interessenvertretung auf Länderebene. Durch die Zentralisierung lässt sich das Wissen, etwa über Kinoförderung, zum Vorteil der Mitglieder konzentrieren.

BF: Gibt es auch andere Konfliktpotenziale, etwa mit den Filmkunstkinos? Die AG Kino hat ja beispielsweise die Gemeinschaftskampagne als "kontraproduktiv" für Programmkinos bezeichnet.

SK: Das kann ich nicht nachvollziehen. Verleiher, FFA und Kinos haben sich zusammengesetzt, um eine Kampagne für das Image des Kinos allgemein zu starten. Sicher ist eine Kampagne für einzelne Segmente ein Folgeschritt. Aber es war schwierig genug, alle an einen Tisch zu bringen, abgesehen davon, dass die Verleiher bei der weiteren Finanzierung der Kampagne Schwierigkeiten haben. Dieses Jahr wollen wir uns mit den "Kino-Festtagen" etwas Neues einfallen lassen. Wie in Frankreich könnte man an einem Wochenende mit dem Kauf einer Abokarte beliebig oft verbilligt ins Kino gehen. Dass es schwierig werden wird, die Verleiher einzubinden, ist mir klar. In Frankreich haben manche Verleiher ihre Starts von diesem Wochenende wegverlegt.

BF: Wie sehen Sie die Zukunft des HDF-Kongresses nach dem Umzug nach Berlin?

SK: In Baden-Baden waren wir an der Grenze der Kapazität. Es war schwierig, in Berlin einen Termin zu finden, wir haben aber schon jetzt mehr gebuchte Aussteller als in Baden-Baden, sodass wir auch mit großem Betreiberzuspruch rechnen. Thematisch wird es mit der Debatte über elektronisches Kino spannend werden. Wir stellen verschiedene Techniken vor und sprechen über die Rechteproblematik und die Investitionskosten.

BF: Die Digitalisierung könnte nicht nur das Zelluloid in Frage stellen, sondern auch die bisherige Verwertungskette. Wie sehen Sie die Zukunft des Kinos?

SK: Wir werden im Zuge des Internet-Booms massive technische Veränderungen erleben, die mich aber nicht in Panik versetzen. An der Spekulation, wann das Zelluloid verschwinden wird, beteilige ich mich nicht. An der brillanten Bild- und Tonqualität des Kinos werden sich alle neuen Übertragungsformen messen lassen müssen. Es ist durchaus denkbar, dass das elektronische Kino die Qualität von Film erreichen wird. Das stellt ja das Kino als Abspielort nicht in Frage. Der Mensch wird Film immer gemeinschaftlich erleben wollen.

BF: Wurde von den Kinos genug getan, um mehr Zuschauer zu erreichen?

SK: In den letzten Jahren ist viel geschehen, denken Sie an die Investitionen in Kinoneubauten oder den Service. Jetzt gibt es fast überall wieder Platzreservierung. Aber man darf bei all dem nicht vergessen, dass wir in einem Massengeschäft sind. Wenn am Samstagabend in einer Großstadt 70.000 Leute James Bond sehen wollen, wird man immer eine Grenze beim Service erreichen.

BF: Welches werden die Arbeitsschwerpunkte in der FFA sein?

SK: Wir werden uns weiter für erfolgreiche deutsche Filme engagieren. Ein aktuelles Problem stellt für uns die Filmmietenhöhe für geförderte deutsche Filme dar, also auch von den Kinos geförderte Filme. Konkreter Anlass ist ein überwiegend in Asien produzierter deutscher Kinderfilm, der 53 Prozent Filmmiete kostete. Das FFG sagt dazu, dass nur die "übliche" Filmmiete verlangt werden dürfe, ohne konkret zu werden, wie das auszulegen ist. Hierzu muss eine Richtlinie erlassen werden. Unter dem Dach der SPIO sind zu diesem Thema Gespräche mit Verleihern und Kinos angesetzt.

HDF-Präsident Steffen Kuchenreuther im Interview