Blickpunkt:Film

Kino

Blickpunkt:Film: Was interessierte Sie an dem Roman von Henry James?

Iain Softley: Der universelle Aspekt war ausschlaggebend und die Ambivalenz in der Hauptfigur - einer modernen, jungen Frau, die sich nicht an gesellschaftliche Regeln hält, sondern bewußt dagegen verstößt, die ihre Leidenschaft ausleben will und dabei Grenzen überschreitet. Ich mag Leute, die gegen Konventionen rebellieren.

BF: Inwieweit haben Sie die literarische Vorlage verändert?

IS: Wir haben die Handlung von 1902 auf das Jahr 1910 verlegt, weil da die gesellschaftlichen Veränderungen auch äußerlich sichtbar wurden, einige Szenen dazugeschrieben und die Sprache etwas verändert, sie zeitloser gemacht. Im Gegensatz zu James enthalte ich mich auch jeglicher moralischen Wertung.

BF: Sie begannen mit Werbe- und Videoclips. Ist das eine gute Voraussetzung für Kinofilme?

IS: Man lernt schnell, etwas auf den Punkt zu bringen und Aufmerksamkeit durch ausgeklügelte Fotografie und passende Musik zu gewinnen. Musik kann einen Film zum Leben erwecken, aber auch total ruinieren. Musikvideos sind da eine gute Vorbereitung.

BF: Ihre bisherigen Filme sind völlig unterschiedlich. Gibt es einen roten Faden in Ihrer Arbeit?

IS: Zwischen "Backbeat" und "Die Flügel der Taube" gibt es Ähnlichkeiten. Wieder geht es um junge Menschen aus verschiedenen Kulturen, die in einer schwierigen Phase ihren Weg suchen. Ich gehe immer unvoreingenommen an ein Thema heran, wähle nicht das Genre, sondern die Geschichte.

BF: Könnten Sie sich vorstellen, einen Actionfilm zu drehen?

IS: Ob Komödie oder Action, da hätte ich keine Hemmungen. Aber Actionfilme langweilen mich als Regisseur - wenn nur die Kamera kreativ ist, nicht die Arbeit mit den Schauspielern, die man beliebig wie Spielzeuge einsetzt.

BF: Wie lief die Finanzierung? Stand Miramax von Anfang an als Partner fest?

IS: Renaissance Films schlug mir das Projekt vor, und ich stimmte unter der Bedingung zu, daß man mir freie Hand ließ. Wir hatten Glück, daß Fox Searchlight und Miramax Interesse zeigten, da hat man bei Verhandlungen eine bessere Position. Letztendlich finanzierte Miramax das 15-Mio.-Dollar-Budget zu 100 Prozent.

BF: Der Film sieht teurer aus.

IS: Wir lagen an der unteren Grenze, für weniger hätten wir das Projekt nicht durchführen können. Die Drehzeit betrug schon gute drei Monate, die authentische Ausstattung war auch nicht billig.

BF: Wie verlief die Zusammenarbeit mit Miramax?

IS: Man muß pragmatisch sein. Ich will ein großes Publikum erreichen, da erleichtert ein Studio den Zugang zum internationalen Markt. Natürlich gab es einige Diskussionen, aber die Zusammenarbeit verlief harmonisch. Die Weinsteins liebten das Drehbuch.

BF: Hatten Sie den Final Cut?

IS: Den Final Cut halte ich für eine Chimäre. In meinem Job muß ich auf Tips von erfahrenen Leuten hören, da fällt mir doch kein Zacken aus der Krone. Das heißt aber nicht, Kompromisse um jeden Preis zu machen. Der endgültige Film kommt dem, was mir vorschwebte, sehr nahe.

BF: Gefällt es Ihnen, einen Film konventionell zu drehen, oder träumen Sie auch von digitalen Spezialeffekten?

IS: Ich bin kein Computerfreak, aber in "Hackers" habe ich schon eine virtuelle Welt geschaffen. Man muß allerdings aufpassen, daß die Spirale sich nicht immer weiter schraubt und man nur noch so etwas wie Ingenieur-Bilder fabriziert. Mit Computern kann man zwar vom Dinosaurier bis zum Raumschiff vieles künstlich schaffen, aber nicht unbedingt auch die Magie der Bilder und die Macht der Gefühle, die für mich Kino bedeuten. In "Die Flügel der Taube" habe ich durch die Fotografie eine andere Welt geschaffen, da benötigte ich keine virtuellen Spielereien. Venedig reichte als ideale Kulisse für diese Art von Tragik und Romantik.

BF: Haben Sie schon ein nächstes Projekt?

IS: Ich arbeite an einem Drehbuch über das Leben von Soulsänger Otis Redding.

Iain Softley zu 'Die Flügel der Taube'