Blickpunkt:Film

Kino

Mit „[Beau Is Afraid](/movie/beau-is-afraid)“ ist [Ari Aster](/person/ari-aster) ein erstes Arthouse-Juwel im Jahr 2023 gelungen, das am Donnerstag nun auch im Verleih von Leonine in die deutschen Kinos kommt. Die absurde Komödie schickt [Joaquin Phoenix](/person/joaquin-phoenix) auf eine surreale Reise in die eigene Psyche. 

**Sie nehmen den Zuschauer mit auf eine verblüffende dreistündige Reise, eine Reise der Entdeckung. War „Beau Is Afraid“ das auch für Sie, und was haben Sie dabei entdeckt?**

ARI ASTER: Puh, ich denke, es ist kaum möglich, das auf ein paar Sätze in einem kurzen Gespräch herunterzubrechen. Das wäre reduktiv und wenig bedeutungsvoll. Aber lassen Sie mich es so sagen: Es war eine sehr freie Erfahrung. Ich habe den Film so machen können, wie ich ihn mir vorgestellt habe. Das war ungemein befreiend. In gewisser Weise war es ein Film, durch den ich mich hindurchgefühlt habe. Das Ergebnis dieser Arbeitsweise ist zumindest für mich, dass somit der Film entstehen konnte, auf den ich bisher am stolzesten bin und den ich für meinen besten halte. 

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**Ihre ersten beiden Arbeiten lassen sich dem Horrorgenre zuordnen. Hatten Sie für sich den Eindruck, bei Ihrem dritten Film bewusst mehr zu wagen, mehr aufs Spiel zu setzen, sich selbst mehr herausfordern zu wollen?**

ARI ASTER: Da würde man das Pferd von der falschen Seite aufzäumen. Ich habe mir da keinen Plan zurechtgelegt. Es war ein Film, der ganz intensiv vor meinem inneren Auge ablief. Das umzusetzen, bedurfte einer gewissen Herangehensweise, der ich mich stellte. Was sich im Grunde nicht unterscheidet von der Arbeit an meinen anderen Filmen. Jeder Film hat eine eigene Problemstellung, die es zu meistern gilt. Es ging mir also nicht darum, diesmal etwas anderes zu machen, sondern dem Stoff und seinen Anforderungen gerecht zu werden. Da war ein ganz gewisser Humor, ein spezieller Ton, ein sich fortlaufend ändernder Rhythmus. Ich habe genau verstanden, was ich zu tun hatte, worum es mir ging. Es war sehr intuitiv. Also im Grunde eher genau andersherum als von Ihnen gefragt. Es gab keine Strategie. Nur den Film, der gemacht werden wollte - gewiss, in einer bekannten Tradition, der Tradition des Schelmenromans, als Odyssee, aber ohne einengende Vorgaben. 

**Auf der CinemaCon führte Leonardo DiCaprio gegenüber Martin Scorsese das Zitat von Orson Welles an, dass nur „bloße Ignoranz“ einen Film wie „Citizen Kane“ möglich gemacht habe. Um das Brechen von Regeln gehe es dabei, merkte Scorsese dazu an. Finden Sie sich darin wieder?**

ARI ASTER: Ich kenne das Zitat. Welles sprach darüber, wie es war, seinen ersten Film zu drehen und mit dem größten Bildgestalter der Welt zu arbeiten, der Lust auf die Arbeit mit Welles hatte, weil der die Regeln nicht kannte und deshalb Dinge möglich waren, die ein erfahrener Filmemacher niemals hätte durchgehen lassen. Die Lust am Experiment schimmert durch jede Einstellung des Films. In diesem Fall ist die Behauptung aufrichtig. Aber bei Scorsese? Sehen Sie sich seine Arbeit an: Er ist das Gegenteil, weil er alle Regeln kennt. Und dieses Wissen gibt ihm die Freiheit zu experimentieren. Er bricht Regeln. Aber wenn er es tut, dann weiß er das auch. „Silence“ ist ein schockierender Film. „The Irishman“? „Wolf of Wall Street“? Das sind experimentelle Filme. 

**Aber ist nicht auch „Beau Is Afraid“ ein Film, der Regeln bricht?**

ARI ASTER: Man muss verstehen, dass es diese willkürlich auferlegten Begrenzungen für die Struktur eines Films gibt, die in meinen Augen zu einer Abstumpfung geführt haben. Das sind Formeln. Natürlich war mir bewusst, dass ich einen Teil des Publikums verlieren würde, wenn wir in „Beau Is Afraid“ an den Punkt im Wald kommen, an dem die Handlung eine Pause macht und stattdessen ein fast 20-minütiger Einschub folgt. So etwas macht man einfach nicht. Aber darauf konnte ich keine Rücksicht nehmen, weil das Intermezzo vielleicht ungewöhnlich, aber auch von großer Bedeutung ist. Okay, verliere ich halt ein paar Zuschauer. Aber ich gewinne die, die dem Film aufmerksam folgen. Der Film stoppt nicht willkürlich. Er stoppt, um noch tiefer und immer tiefer in die Figur einzutauchen. So kommen wir zum Herz des Films. Ich habe oft gehört, dass der Film an diesem Moment aus den Fugen gerät. Genauso oft habe ich aber auch gehört, dass gerade dieser Teil als der aufregendste empfunden wurde. 

![Joaquin Phoenix liefert eine starke Leistung ab in "Beau Is Afraid" (Foto: Leonine)...

Ari Aster zu „Beau Is Afraid“: „Eine sehr freie Erfahrung“