Blickpunkt:Film

Kino

Die iranische Regierung ließ [Maryam Moghaddam](/person/maryam-moghadam) & [Behtash Sanaeeha](/person/behtash-sanaeeha) nicht zur Weltpremiere ihres Films. "[Ein kleines Stück vom Kuchen](/movie/keyke-mahboobe-man)" aber bereist die Welt. Aus ihrer Teheraner Wohnung gaben die mutigen Filmemacher ein virtuelles Interview.

**Wie traurig sind Sie, dass Sie bei der Berlinale nicht dabei sein konnten?**

MARYAM MOGHADDAM: Jeder Filmemacher möchte seinen Film bei der Premiere präsentieren und mit dem Publikum in Kontakt kommen. Wir ahnten aber bereits beim Schreiben des Drehbuchs, dass wir diese Freiheit riskieren.

BEHTASH SANAEEHA: Nachdem uns die Behörden im Herbst 2023 an der Ausreise nach Paris gehindert und wenig später Computer und Festplatten aus unserem Schneideraum konfisziert hatten, drängten sie uns, den Film vom Wettbewerb der Berlinale zurückzuziehen. Trotz der Repressalien hofften wir, dass wir reisen können. Aber sie blieben hart und bescherten mir einen der schrecklichsten Momente meines Lebens.

**Drohen Ihnen weitere Strafen?**

MARYAM MOGHADDAM: Wir warten im Moment auf die finale Entscheidung des Gerichts nach unserer Verhandlung. Wir hoffen, dass wir nicht zu Gefängnisstrafen verurteilt werden.

**Warum haben Sie sich nach dem Porträt einer alleinerziehenden Mutter in "Die Ballade von der weißen Kuh" dem Schicksal älterer Menschen zugewandt?** 

MARYAM MOGHADDAM: Ich kenne nicht viele Länder, in denen so rigide Vorschriften in das Leben des Einzelnen eingreifen und die kleinen Freuden des Alltags verboten sind. Ältere Menschen treffen die Einschränkungen besonders hart, wenn ihre Kinder nicht vor Ort leben. Sie sind einsam und sehnen sich nach menschlicher Nähe sowie Momenten des Glücks.

**Wie gestaltet sich Ihre Kooperation?**

BEHTASH SANAEEHA: Maryam schrieb vor vier Jahren die erste Fassung des Drehbuchs und überarbeitete sie mehrmals. Unsere Hauptdarstellerin Lily Farhadpour hatten wir bereits beim Schreiben im Hinterkopf. Aber wir fürchteten, dass sie nicht mutig genug sein könnte, die Rolle anzunehmen. Nachdem sie das Buch gelesen hatte, sagte sie zu. Obwohl ihr bewusst war, dass dieser Film Konsequenzen für sie haben wird. Die Preproduction und die Proben begannen dann im Sommer 2022. Zu einem Einschnitt wurde der gewalt-same Tod von Jîna Mahsa Amini, von dem wir am 15. Drehtag erfuhren. Es war ein trauriger und frustrierender Moment.

**Hat sich der gewaltsame Tod Aminis, die von der Sittenpolizei zu Tode gefoltert wurde, weil sie das Kopftuch nicht ordentlich trug, auf die Arbeiten ausgewirkt?**

BEHTASH SANAEEHA: Wir unterbrachen den Dreh. Alle waren unsicher, wie das Regime auf die landesweiten Proteste reagieren wird. Die Crew hat nach ein paar Tagen gemeinsam entschieden, dass es unsere Pflicht sei, den Film zu beenden. Unsere Figuren rebellieren ebenso wie die Demonstranten gegen die Einschränkungen der Freiheit des Einzelnen und wollen ein selbstbestimmtes Leben führen. Wir haben weitergemacht, obwohl wir wussten, dass jeder Drehtag unser letzter sein könnte.

MARYAM MOGHADDAM: Wir mussten diesen Weg konsequent zu Ende gehen, nachdem wir bereits bei der Verwirklichung von "Die Ballade von der weißen Kuh" gespürt hatten, wie befreiend das Aussprechen der Wahrheit ist. Mit diesem Dreh haben wir unser Schweigen endgültig überwunden. Das erste Mal in unserem künstlerischen Leben haben wir frei gesprochen.

![Das Regieduo am Set. (Mohammad Haddadi)...

Maryam Moghaddam & Behtash Sanaeeha: »Wir haben unser Schweigen überwunden«