Blickpunkt:Film

Kino

Blickpunkt Film: Wie beurteilen Sie die Situation des dänischen Films?


Peter Aalbæk Jensen: In den letzten 20 Jahren herrschte hier eine Art Depression. Es stand nur wenig Geld zur Verfügung und das meiste stammte aus staatlicher Förderung. Heute denke ich, dieser Geldmangel war ein Segen. Als wir Zentropa gründeten, hörten wir auf, uns wegen des fehlenden Geldes zu streiten, und sagten: O.K., senken wir die Produktionskosten, damit wir uns leisten können, 20 Spielfilme pro Jahr in einem Land von fünf Mio. Einwohnern zu machen. Für uns war es notwendig, die Zahl der Produktionen zu erhöhen, weil hier wie überall die Regel gilt, dass nur ca. zwei von zehn Filmen erfolgreich sind. Bald merkten wir, dass die Filme trotz der Senkung der Kosten und der Produktionszeit besser wurden. Die Dogma-Filme sind ein erfreuliches Beispiel dafür. Und wir sind dabei geblieben - ein dänischer Film kostet durchschnittlich zwei bis drei Mio. Mark.


BF: Es gibt aber auch Filme wie "[Dancer in the Dark](/movie/dancer-in-the-dark)".


PAJ: Wir meiden die Mittel-Budget-Filme zwischen drei und zehn Mio. Mark. Das ist zu viel Geld, um clever zu sein, und zu wenig, um den Film wie etwas Besonderes aussehen zu lassen. Daher konzentrieren wir uns entweder auf billige Filme oder Großproduktionen. Low-Budget-Filme dienen v.a. als eine Art Entwicklungsterrain für junge Talente und geben auch älteren Filmemachern die Möglichkeit, sich ohne viel Aufwand "aufzufrischen". In diesem Jahr haben wir auch drei oder vier sehr teure Projekte in die Wege geleitet, wie z.B. [Thomas Vinterbergs](/person/thomas-vinterberg) "It's All About Love" mit einem Budget von 20 Mio. Mark und [Senator Film](/company/senator-film-produktion) als Partner.


BF: Stichwort internationale Koproduktionen. Zieht es die Regisseure ins Ausland?


PAJ: Erstaunlicherweise schaffen wir es, die Talente hier zu halten. Vinterberg, von Trier und andere international bekannte Regisseure operieren immer noch von Dänemark aus mit dänischen Produzenten und dänischer Beteiligung. Wir müssen die Situation ständig attraktiver machen, um sie hier zu halten, weil es für das Ansehen der ganzen Branche wichtig ist. Es wäre ein Verlust, wenn sie in die USA gingen.


BF: Aber Sie drehen diese teuren Filme auf Englisch?


PAJ: Wir müssen die teuren Filme auf Englisch machen. Gut ist jedoch, dass die Low-Budget-Produktionen immer noch am profitabelsten sind. "[Italienisch für Anfänger](/movie/italienisch-fuer-anfaenger)" z.B. wird vielleicht der erfolgreichste dänische Film aller Zeiten und kostete unter zwei Mio. Mark. Er wurde in jedes Land der Welt verkauft. Künstlerische Sprünge sind am besten bei den dänischsprachigen Billigprojekten möglich. Andererseits können wir nicht vermeiden, dass unsere Talente Ambitionen entwickeln, teure Projekte zu verwirklichen, und deshalb müssen wir alles zur Verfügung stellen, was sie brauchen. Interessanterweise stellen wir fest, dass dänische Regisseure inzwischen mehr Geld aus dem Ausland anziehen als die gesamte staatliche Unterstützung. Was als Förderung anfing, ist jetzt für den dänischen Staat Gewinn bringend.


BF: Ist die staatliche Förderung nicht auch wichtig?


PAJ: Ohne die Unterstützung wäre es sehr schwierig, Filme auf Dänisch zu produzieren. Andererseits wären wir durch den "guten Willen" fast in eine Falle geraten. Anfangs betrug die Unterstützung bis zu 80 Prozent des Budgets, was tödlich für den Film war. Jetzt ist sie auf 40 Prozent gesunken, was ein besseres Gleichgewicht zwischen Kunst und Geld ergibt und dem Film Energie verleiht. Wir können nicht ganz darauf verzichten, dennoch soll der Film nicht durch gute Intentionen leiden.


BF: Produzieren Sie inzwischen auch Filme ohne die Unterstützung des Dänischen Film Instituts?


PAJ: Ja, wir haben bei Zentropa eine internationale Abteilung gebildet, die sich Internationale nennt. Diese arbeitet ganz auf kommerzieller Basis und fängt mit den ersten drei Produktionen im Herbst an: dem englischsprachigen Projekt "The Last Born" von [Arden Oplev](/person/niels-arden-oplev) und "Through a Glass Darkly" von [Susanne Bier](/person/susanne-bier). Für das dritte Projekt, "Moments of Clarity", hoffen wir, [Lone Scherfig](/person/lone-scherfig) überreden zu können. Alle Projekte sind bereits an Fine Line in den USA verkauft; auch die deutsche Concorde ist beteiligt.


BF: Wen halten Sie für die viel versprechendsten jungen Talente in Dänemark?


PAJ: Zweifellos Lone Scherfig, die "Italienisch für Anfänger" drehte. Außerdem haben wir Arden Oplev, der "[Portland](/movie/portland)" im [Berlinale](/company/internationale-filmfestspiele-berlin)-Wettbewerb hatte, und [Nicolas Winding Refn](/person/nicolas-winding-refn), der mit "[Pusher](/movie/pusher)" und "[Bleeder](/movie/bleeder)" Aufsehen erregte. Die drei sind bereits auf der internationalen Bühne vorgestellt worden. Dann haben wir noch drei oder vier andere Talente, die kurz davor stehen. Namen wie Lars von Trier und Thomas Vinterberg ziehen neue Hoffnungsträger an. So können wir unsere Branche ausbauen. Wir müssen stark investieren in Vertrieb (Trust Film Sales), juristische Beratung und internationales Marketing, müssen eine Infrastruktur kreieren. Bei Zentropa haben wir z.B. alles - vom Treatment bis zum internationalen Verkauf. So vermeiden wir den Konflikt zwischen Kunst und Geld, weil wir Hand in Hand arbeiten. Wir bilden eine Einheit von Regisseur und Produzent gegen den Rest der Welt.

Interview mit Peter Aalbæk Jensen: Talente bleiben Dänemark treu