Blickpunkt:Film

Kino

Blickpunkt:Film: Wie sind Sie auf den Stoff gestoßen?


Joseph Vilsmaier: Durch Mario Adorf, der mir Passagen aus [Christiane Kohls](/person/christiane-kohl) Dokumentation "Der Jude und das Mädchen" vorlas. Er konnte die Hauptrolle nicht übernehmen, da wir schon im November 2000 anfangen mussten zu drehen, Ende des Jahres wäre der Förderanspruch auf Gelder von [FFF](/company/filmfernsehfonds-bayern) und [FFA](/company/ffa-filmfoerderungsanstalt) - immerhin drei Millionen Mark - verfallen. Mit [Michael Degen](/person/michael-degen) fanden wir einen Schauspieler, der die Figur verinnerlichte und Glaubwürdigkeit ausstrahlt.


BF: Warum haben Sie das Hinterhofleben im Studio gedreht?


JV: Weil wir trotz intensiver Suche keinen entsprechenden Ort fanden. Wir haben den Hinterhof im Nürnberger Spittlertorgraben, wo jeder jeden genau beobachtete, nachgebaut mit Originalstoffen, -holz und -blech. Auch die Treppen waren authentisch. Kopfzerbrechen bereitete mir der Sandstein vom Katzenbergerhaus, er war schwierig zu beleuchten. Man hätte zehn Tage länger und das fünffache Licht benötigt. Für diesen Riesenaufwand fehlte uns das Geld. Bei dem Budget von neun Mio. Mark mussten wir von ursprünglich 46 Drehtagen auf 39 runtergehen und jeden Tag unser Pensum schaffen.


BF: Was war das für ein Gefühl, in den Räumen der Nürnberger Prozesse zu drehen?


JV: Die zweitägigen Dreharbeiten zählen zu den Höhepunkten. Rund 15 Minuten spielen in dem Gerichtssaal. Wir haben mit vier Kameras gearbeitet, optimal für die Dramaturgie. Wir mussten nicht unterbrechen und konnten die Emotionen von jedem Schauspieler direkt aufnehmen.


BF: Wie sah die Aufgabenverteilung aus?


JV: Reinhard Klooss war begeistert vom Stoff und hat das Projekt mit größten Anstrengungen finanziert, das Buch gemeinsam mit [Klaus Richter](/person/klaus-richter) geschrieben. Lange vor Drehbeginn war alles besprochen. Natürlich haben wir uns auch mal gefetzt, dann saß eben jeder beim Mittagessen woanders. Gute Zusammenarbeit heißt nicht permanenter Schmusekurs, sondern auch mal eine deftige Auseinandersetzung.


Reinhard Klooss: Wir haben sehr eng zusammengearbeitet, schließlich ist es nach "[Charlie & Louise](/movie/charlie-und-louise-das-doppelte-lottchen)" und "[Comedian Harmonists](/movie/comedian-harmonists)" unser dritter Film, da kennt man sich. Wir sind ein gutes Team. Mir gefällt seine Faszinationskraft, er ist eine Lokomotive, die alle mitzieht. Und ganz wichtig: Man kann sich auf ihn verlassen. Wenn man denn unbedingt einen Unterschied finden will: Vilsmaier neigt dazu, eher demokratisch zu arbeiten, jeden zu fragen und einzubeziehen. Ich denke eher, Filmemachen hat nicht viel mit Demokratie zu tun. Ein produktiver Dissens - auf der einen Seite werden alle in die Filmfamilie eingebunden, auf der anderen hält man die gemeinsam erarbeitete Spur.


BF: Warum verleiht Odeon "Leo und Claire" selbst im Vertrieb mit [Central Film](/company/central-film-verleih)?


RK: Wir haben schon im vergangenen Jahr bei "[Emil und die Detektive](/movie/emil-und-die-detektive_a)" mit [Constantin](/company/constantin-film-verleih) kooperiert, sind bei der "[Klavierspielerin](/movie/die-klavierspielerin)" erstmalig als Verleih aufgetreten, mit [Concorde](/company/concorde-filmverleih) als Vertriebsfirma, wie auch bei "[Mortal Transfer](/movie/mortal-transfer)". Wir planen, bei unseren eigenen Produktionen das Verleihgeschäft verstärkt zu betreiben. Für einen Produzenten wird es immer wichtiger, die Vertriebswege selber mit zu kontrollieren. Darin liegen Chancen und Risiken. Im Moment positioniert sich die gesamte Verleihwirtschaft neu. Wir müssen uns Gedanken machen, wie wir uns darin etablieren oder nicht.


BF: Welche Projekte planen Sie?


JV: Mehrere. Im Moment habe ich von der Finanzierung her das Gefühl, dass "Col di Lana" klappen könnte. Da die Handlung des Kriegsdramas im Hochmontafon spielt, stehen uns körperlich hohe Herausforderungen bevor, wahrscheinlich ein noch schwierigerer Dreh als bei "[Stalingrad](/movie/stalingrad_f)".


RK: Die Odeon geht mit Volldampf in die Vorbereitung neuer Filme wie "Hannahs Töchter", zudem werden wir in diesem Jahr bis zu acht Filme herausbringen, darunter unsere Großproduktion "[Buffalo Soldiers](/movie/army-go-home)" mit [Prokino](/company/prokino-filmverleih-gmbh), "[Eierdiebe](/movie/eierdiebe_1)" mit [Tobis StudioCanal](/company/tobis-film) und "[Das fliegende Klassenzimmer](/movie/das-fliegende-klassenzimmer_1)" mit Constantin. Nicht jeder Film passt zu jedem Verleih. Außerdem verwenden wir sehr viel Energie für den Aufbau einer Animationsproduktion, die erst einmal auf unseren Rechten an Kästner basiert. Für die nächsten Jahre planen wir ein großes Produktionsvolumen vor allem im Family-Entertainment-Bereich. Diese Schiene benötigt einen logistischen Vorlauf.

Joseph Vilsmaier und Reinhard Klooss zu "Leo und Claire"