Blickpunkt:Film

Kino

Blickpunkt:Film: Was fasziniert Sie an Desperados und Outlaws?

Larry Clark: Ich war einer von ihnen. Als 15jähriger schlug ich mich als Junkie und Krimineller durch, landete im Knast. So etwas vergißt man nicht. Ich wollte einen Film über das wahre Leben machen, nicht diesen verlogenen Hollywood-Bullshit, wo man den White Trash mit moralisierendem Zeigefinger präsentiert. "Ein neuer Tag im Paradies" ist meine Antwort auf die Scheinheiligkeit des Mainstream-Kinos.

BF: Ihre Fotobände "Tulsa" und "Teenage Lust" schockierten, "Kids" und "Ein neuer Tag im Paradies" auch. Lieben Sie die Provokation?

LC: Ich will realistische Filme machen, fernab von Konventionen und Klischees. Sex, Drogen und Gewalt sind eben nicht immer nur nett. Daß die Leute sich dem Blick auf die Wirklichkeit verweigern und lieber in eine fantastische Welt fliehen, ist mir klar. Aber all dieser Sci-fi-Unsinn mit Asteroiden und Aliens ist wertloses Zeug, man vergißt es schon beim Verlassen des Kinos. "Ein neuer Tag im Paradies" erzählt von authentischen Gefühlen, zerstörten Hoffnungen und fragilem Glück.

BF: Wie hat Ihre Firma Chinese Bookie Pictures das Geld für dieses Projekt aufgetrieben?

LC: Es dauerte einige Jahre, bis wir die fünf Mio. Dollar von einer Bank bekamen. Das Thema interessierte sie nicht, es zählte nur, daß "Kids" erfolgreich 24 Mio. Dollar eingespielt hat. Filmproduktion ist ein hartes Geschäft. Ich mußte mich daran gewöhnen, mit Schauspielern zu arbeiten, ich fühlte mich als Künstler und kannte die Regeln des Filmbusineß nicht.

BF: Mit James Woods und Melanie Griffith gelang Ihnen eine Top-Besetzung.

LC: James Woods war so begeistert, daß er sich sogar als Produzent engagiert, und Melanie Griffith erkannte den Sprengkraft ihrer Rolle. Als 40jährige Drogensüchtige am Abgrund bietet sie eine Glanzleistung. Wenn sie dafür keinen Oscar erhält, gibt es keine Gerechtigkeit auf der Welt.

BF: Fühlen Sie sich mehr als Regisseur oder als Fotograf?

LC: Ich bin ein Künstler, der Filme macht. Fotografieren und Ausstellungen sind etwas ganz anderes. Ohne meine Fotos wäre ich wahrscheinlich ganz in die Kriminalität abgestürzt. So habe ich mich am eigenen Schopf aus dem Sumpf gezogen. Die Kunst hat mich am Leben erhalten.

BF: Kokettieren Sie nicht mit Ihrer Rolle als Außenseiter?

LC: Ich will und kann nicht aus meiner Haut heraus. Nach "Kids" flatterten mir mindestens 40 Drehbücher auf den Tisch, alles Neuauflagen von "Kids", sogar einige bekannte Studios boten mir Projekte und ein Riesengeld. Ich bin nicht reich, habe die Angebote dennoch abgelehnt. Warum sollte ich den gleichen Film noch einmal machen und mich verkaufen?

BF: Mußten Sie den Film schneiden, weil das amerikanische Publikum Sex ohne Weichzeichner nicht akzeptiert?

LC: Das US-Kino betreibt Schönfärberei, gaukelt eine heile Welt vor. Man darf sich zwar gegenseitig abknallen, aber Sex ist nur in konventionellen Grenzen erlaubt. In Spielbergs "Der Soldat James Ryan" gibt es grausame Szenen, Menschen werden in die Luft gejagt und in Stücke zerrissen. Diesem Realismus applaudiert man. Aber wenn ich die ungeschminkte Gewalt von heute zeige, fällt alle Welt über mich her. Ungefähr vier Minuten mußte ich aus meinem Film herausschneiden, um ein R-Rating zu bekommen.

Larry Clark zu 'Ein neuer Tag im Paradies'