Blickpunkt:Film

Kino

**Herr [Nakschbandi](/person/walid-nakschbandi), ein Jahr im Amt – und als “The Mover” endlich auch in Köln angekommen. Ist alles am rechten Platz und kann der Karneval kommen oder stehen noch ein paar Kisten zwischen den Ordnern?**

Es war ein ereignisreiches erstes Jahr, in dem wir viel angepackt haben: Strukturen, Inhalte, Digitalisierung, Förderstrategien, neue Formate, Vernetzung, Umzug nach Köln und einiges mehr. Der Wandel ist bekanntlich ein Prozess. Köln ist als Medienstadt der perfekte Ort dafür. Dass Köln auch die Hauptstadt des Karnevals ist, trifft sich für mich gut – bei allen Bemühungen um Erneuerung, Ordnung, Transformation und Stabilität ist es wichtig, der Kreativität ihren Lauf zu lassen – in diesem Sinne freuen wir uns sehr auf die bevorstehenden Karnevalstage!

**Vor einem Jahr sagten Sie, die Filmstiftung sei nicht nur eine Förderinstitution, sondern auch eine kreative Begegnungsstätte. Welche Akzente konnten Sie in Ihrem ersten Jahr setzen, um diesen Anspruch mit Leben zu füllen? Gibt es besondere Momente oder Entwicklungen, die Ihnen zeigen, dass dieser Weg der richtige ist?**

Ja! Im Sinne einer kreativen Begegnungsstätte haben wir verschiedene Kooperationsprojekte und Veranstaltungen vertieft oder ins Leben gerufen, die den Austausch und die Vernetzung der Medienbranche fördern. Ein Beispiel ist unsere beliebte Netzwerkveranstaltung Match Me, die Raum für die Begegnung kreativer Talente aus unterschiedlichen Bereichen und Branchen schafft. Sie wurde dieses Jahr sehr gut angenommen. Die Gäste haben uns gesagt, wie wertvoll der Ideen-Austausch für die Entwicklung neuer Projekte war. Sowas bestätigt uns natürlich, denn hinter solchen Formaten steht ja unser Wunsch nach neuen, inspirierenden Kooperationen und Projekten, die durch kluge Vernetzung zustande kommen. 

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*Nathanael Liminski mit Walid Nakschbandi* (Credit: Land NRW/Ralph Sondermann)

**Die enge Zusammenarbeit mit den Filmhochschulen in NRW lag Ihnen von Beginn an am Herzen. Wie hat sich der Austausch mit den Hochschulen im vergangenen Jahr entwickelt? Gibt es neue Formate oder Förderansätze, die den Nachwuchs noch gezielter unterstützen?**

Sie haben Recht, diese Zusammenarbeit ist mir wichtig, weil Innovation schließlich häufig dort entsteht, wo junge Kreative sich Themen mutig und unbefangen nähern. Gleichzeitig sind sie auf den Erfahrungsaustausch mit Branchenkolleg:innen angewiesen. Erfahrung schafft Sicherheit – und kann gleichzeitig unseren Blick einengen, weil wir meinen, dass sie uns etwas für die Ewigkeit lehrt. Kreative Branchen leben aber davon, dass jemand noch mal ganz neu auf die Dinge schaut und ein Fragezeichen an das hängt, was wir als gelernt hinnehmen. In diesem Sinne haben wir Kooperationen zwischen Branchenprofis und dem Filmnachwuchs vertieft, weil beide voneinander lernen können. Gleichzeitig haben wir neue Formate und Förderansätze entwickelt, die den Nachwuchs noch gezielter unterstützen. Ein Highlight wird die Einführung unseres neuen Development-Mentoring-Programms sein, das jungen Filmemacher:innen ermöglicht, von erfahrenen Profis zu lernen und ihre Projekte auf die nächste Stufe zu heben. Zudem werden wir mit den Hochschulen und der Branche spezielle Initiativen ins Leben rufen, die den Studierenden die Chance geben, ihre kreativen Ideen im Kontakt mit der Branche frühzeitig umzusetzen. Der Bedarf nach Austausch und praxisnaher Unterstützung ist groß.


**Ein weiteres wichtiges Anliegen war die stärkere Vernetzung zwischen der Film- und Gamesbranche. Welche neuen Impulse konnten hier gesetzt werden? Lassen sich schon erste spannende Synergien oder Projekte erkennen?**

Die branchenübergreifende Vernetzung ist essentiell, und im vergangenen Jahr konnten wir in diesem Bereich wirklich spannende Impulse setzen. Ein herausragendes Beispiel für die Synergien, die wir durch gezielte Netzwerkveranstaltungen, gemeinsame Workshops und spezielle Förderinitiativen schaffen wollen, ist die enge Zusammenarbeit zwischen Filmemacher:innen und Games-Entwickler:innen bei unserem großen, jährlich stattfindenden Event Match Me: Hier möchten wir Filmtechnologie und interaktive Erzählformen verschmelzen, um eine Erzählwelt zu schaffen, die sowohl im Film als auch im Spiel lebendig wird. Die Schnittstellen zwischen Film und Games sind weitaus vielversprechender, als wir anfangs dachten, hier ist für die Zukunft noch viel Musik drin. 


**Sie haben betont, dass internationale Allianzen entscheidend sind, um deutschen Kreativen den Weg in den Weltmarkt zu erleichtern. Welche Türen konnten Sie in Ihrem ersten Jahr öffnen? Gibt es neue Partnerschaften oder Initiativen, die Filmschaffenden aus NRW internationale Möglichkeiten eröffnen? **

Ja, in meinem ersten Jahr haben wir z.B. strategische Partnerschaften mit renommierten internationalen Festivals und Co-Produktionsplattformen ins Leben gerufen und unsere Kooperationen signifikant vertieft. Damit möchten wird es Kreativen aus NRW und insgesamt aus Deutschland erleichtern, auf globaler Ebene Fuß zu fassen. Besonders beglücken mich die Kooperationen unserer Produzent:innen mit führenden Filmorganisationen aus Europa, Nord- und Südamerika, die NRW international noch stärker als kreativen Hotspot positionieren. Ein besonders erfreuliches Beispiel ist, dass NRW-Filmemacher:innen nun in die exklusiven Netzwerke von Filmfestivals wie [Cannes](/company/festival-de-cannes), iEmmys und [Toronto](/company/toronto-international-film-festival), [Locarno](/company/locarno-film-festival), [IFFR Rotterdam](/company/international-film-festival-rotterdam) sowie Venedig integriert sind. So erhalten sie nicht nur Sichtbarkeit, sondern auch direkte Kontakte zu potenziellen internationalen Partnern und Vertriebskanälen. Daraus sind bereits erste konkrete Projekte entstanden, die sich für weltweite Märkte öffnen. Es freut mich sehr, dass so viele unserer NRW-Produzent:innen in diesem Bereich beachtliche Fortschritte erzielt haben. Diese internationalen Allianzen werden den Weg für noch größere – auch budgetär fulminantere – Möglichkeiten und Co-Produktionen ebnen.

**Die Filmstiftung hat ihre Präsenz auf Festivals wie Cannes, Toronto, Rotterdam, den iEmmys in New York oder Africa Games in Cape Town deutlich ausgebaut. Wo sehen Sie den größten Mehrwert für die Branche? Welche Chancen ergeben sich für Medienschaffende aus NRW durch diese verstärkte internationale Vernetzung?**

Unsere verstärkte Präsenz ist ein strategischer Schritt, um Kreativen aus NRW weltweit mehr Sichtbarkeit und Zugang zu globalen Netzwerken wie Märkten zu verschaffen. Der größte Mehrwert liegt darin, auf diese Weise NRW als kreativen Hotspot und Innovationsstandort auf höchstem internationalen Niveau zu positionieren. Auf diesen Festivals entstehen nicht nur wertvolle Kontakte zu Produzent:innen, Entwickler:innen, Vertrieben und potenziellen Co-Produzent:innen, sondern auch zu internationalen Finanzpartner:innen, Förderinstitutionen und Plattformen. Diese Vernetzung kann also die Reichweite von NRW-Produktionen steigern, was die Finanzierung, die Sichtbarkeit ihrer Expertise, das Zielpublikum und mögliche Co-Produktionen angeht. Gleichzeitig öffnet ein intensiver Austausch mit internationalen Partnern auch immer den Blick für neue Perspektiven und Ideen und liefert so auch spannende inhaltliche Impulse. Es handelt sich hier also nicht einfach nur um eine Werbemaßnahme, sondern um eine langfristige Internationalisierung der NRW-Filmindustrie.

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*Nathanel Liminski (l.) und Walid Nakschbandi (r.) trafen Tom Tykwer (2. v.r.)* (Credit: Land NRW)

**Sie sagten einmal: „Kein anderer Förderer investiert so viel in die Kino-Infrastruktur wie die [Filmstiftung NRW](/company/filmstiftung-nrw)!“. Welche konkreten Maßnahmen konnten im vergangenen Jahr umgesetzt werden, um die Kinolandschaft weiter zu stärken? Gibt es neue Ideen oder Projekte, die das Kinoerlebnis vor Ort noch attraktiver machen?**

Im vergangenen Jahr haben wir zum einen wesentlich die Kino-Infrastruktur gestärkt, also beispielsweise Modernisierungs- und Digitalisierungsmaßnahmen insbesondere in kleineren und unabhängigen Häusern ermöglicht. Wir haben Investitionen in technische Ausstattung, aber auch in komfortablere und barrierefreie Räumlichkeiten getätigt, um das Kinoerlebnis für alle zugänglich und zeitgemäß zu gestalten. Darüber hinaus haben wir unsere Initiativen gestärkt, um bewusst die lokale Kinokultur zu fördern, etwa durch Programmkino-Festivals, die Film-Schauplätze NRW, dem Kinoprogrammpreis in einer Höhe von einer Million Euro oder Kooperationen mit regionalen Filmvereinen. Das erweitert die Vielfalt und Qualität des Filmangebots. Für die Zukunft sehen wir großes Potenzial in Konzepten, die das Kinoerlebnis über die reine Filmvorführung hinaus erweitern. Eine Idee, die ich persönlich spannend finde, ist interaktives Kino und Erlebniskino, bei denen die Zuschauer nicht nur passiv konsumieren, sondern aktiv in die Erzählwelt eingebunden werden - hybride Formate, bei denen Kino mit digitaler Interaktivität kombiniert wird. Sowas würde aus meiner Sicht das Kinoerlebnis noch vielfältiger und aufregender gestalten und gerade jüngere Zielgruppen ansprechen. Damit wird auch die kulturelle Bedeutung des Kinos vor Ort gestärkt und es wird als Treffpunkt und Erlebnisort für die Gemeinschaft verankert.

**Die Herausforderungen der Zukunft – sei es die Qualitätssteigerung, Internationalisierung oder der Einfluss von KI – sind große Themen für die Branche. Wie blicken Sie auf diese Entwicklungen? In welchen Bereichen sehen Sie die größten Chancen, aber auch die größten Herausforderungen?**

Die Entwicklungen, die Sie ansprechen, sind in der Tat zentrale Themen, die die Medienbranche, insbesondere die Filmschaffenden jetzt und in den kommenden Jahren zusehends prägen und herausfordern werden. Die Nachfrage nach gesellschaftlicher wie politischer Relevanz der Stoffe ist nicht nur nach der Inauguration des neuen amerikanischen Präsidenten enorm. Die Qualitätssteigerung ist eine permanente Herausforderung, da die Ansprüche des Publikums stetig steigen – sowohl in technischer als auch in erzählerischer Hinsicht. Hier sehe ich große Chancen in der Weiterentwicklung von Technologien wie Virtual Reality, 3D und der Integration von KI, um neue narrative und visuelle Dimensionen zu eröffnen. Hier sind aber Investitionen erforderlich. Gerade die zunehmende Bedeutung von KI bietet sowohl Chancen als auch Herausforderungen. Auf der einen Seite können KI-gesteuerte Tools den Produktionsprozess effizienter gestalten und neue kreative Möglichkeiten eröffnen, auf der anderen Seite stellt sich die Frage nach der Authentizität und der menschlichen Kreativität. Wie können wir sicherstellen, dass KI den kreativen Prozess unterstützt, ohne ihn zu ersetzen? Über die Wichtigkeit der Internationalisierung für die Potenziale der Branche und die Herausforderungen, die der globale Wettbewerb mit sich bringt, habe ich schon häufig gesprochen. Wir müssen dabei unsere Qualitätsstandards deutlich heben, substanzieller in unser Development investieren und sicherstellen, dass über den deutschen Tellerrand hinausgedacht und entwickelt wird, ohne dabei die lokale Identität oder die kulturelle Besonderheit deutscher Produktionen verloren gehen zu lassen, wenn wir den globalen Markt anvisieren. Insgesamt bin ich rheinisch optimistisch, dass die Branche die Herausforderungen meistern möchte und auch kann. Dazu ist es nötig, die richtigen Weichen zu stellen – durch eine Balance aus Innovation und Tradition, durch Vernetzung und Kooperation auf internationaler Ebene sowie durch die Förderung einer kreativen, vielfältigen Filmszene, die sowohl lokale als auch globale Bedürfnisse anspricht.

**Im vergangenen Jahr musste die Filmstiftung mit einer Kürzung von 5,3 Millionen Euro umgehen, die Sie als „echten Einschnitt“ bezeichneten. Wie ist die finanzielle Lage heute? Gibt es bereits eine Perspektive auf eine Entspannung der Situation oder müssen weiterhin Prioritäten gesetzt werden?**

Die Absenkung von 5,3 Millionen Euro im vergangenen Jahr war in der Tat ein erheblicher Einschnitt. Aber sie hat auch dazu geführt, dass wir unsere Ressourcen gezielter und effizienter einsetzen, um weiter die wichtigsten Förderprojekte und Initiativen zu unterstützen. Die Film- und Medienstiftung NRW ist – dank unserer Gesellschafter Land NRW, [WDR](/company/westdeutscher-rundfunk-wdr), [ZDF](/company/zdf-zweites-deutsches-fernsehen) und [RTL](/company/rtl-television) – heute, 2025, in einer hervorragenden und stabilen finanziellen Lage. Deshalb haben wir aber nicht plötzlich wieder mehr Geld und wir werden an unseren Prioritäten festhalten: Games- und Filmförderung, Förderung des Filmnachwuchses, Weiterentwicklung von Kino-Infrastruktur, unsere Stipendien ([Wim Wenders](/person/wim-wenders) und[ Gerd Ruge](/person/gerd-ruge)), Baumi Award und internationale Vernetzung. Auch weiterhin müssen unsere strategischen Entscheidungen sicherstellen, dass jede Investition maximalen Nutzen für die Branche und den Standort NRW bringt. Die Herausforderung liegt darin, den Anspruch auf hohe Qualität und Innovation in der Förderung zu wahren, während wir gleichzeitig mit den verfügbaren Mitteln verantwortungsbewusst und fokussiert umgehen. Was die Perspektive angeht, haben die Debatten um die Reform der Filmfördergesetze im vergangenen Jahr das Bewusstsein für die Bedeutung der Film- und Medienförderung als kulturelles und wirtschaftliches Gut gestärkt. Dennoch wird es weiterhin notwendig sein, Prioritäten zu setzen und nach effizienten Lösungen zu suchen, ohne die wesentlichen Impulse für die Branche zu gefährden. Insgesamt bin ich optimistisch, dass wir durch unsere kontinuierliche Arbeit und die starke Position der Film- und Medienstiftung auch in Zukunft stabile und zielgerichtete Fördermaßnahmen sicherstellen können.


**Die Filmstiftung fördert sowohl große, international ausgerichtete Produktionen als auch unabhängige, künstlerisch ambitionierte Filme. Wie wichtig ist Ihnen das Gleichgewicht zwischen diesen beiden Bereichen? Gibt es eine ideale Verteilung zwischen Investitionen in große, kommerzielle Projekte und der Unterstützung von Indie-Filmen, die oft eine ganz eigene, mutige Handschrift tragen?**

Beide Bereiche zeigen unsere kreative Kraft und sind für das gesunde Wachstum der Branche gerade im Medienland Nummer 1, NRW, unerlässlich. Sie tragen auf unterschiedliche Weise zur kulturellen Vielfalt und zur internationalen Wahrnehmung des deutschen Films bei. Große Produktionen haben das Potenzial, großes Publikum zu erreichen, Arbeitsplätze zu schaffen und die Filmwirtschaft zu stärken. Sie bieten einen wichtigen wirtschaftlichen Rückhalt und sorgen dafür, dass Deutschland als internationaler Filmstandort konkurrenzfähig wird und bleibt.
Gleichzeitig sind es gerade die unabhängigen, künstlerisch mutigen Filme, die oft neue kreative Wege gehen, innovative Erzähltechniken ausprobieren und Themen ansprechen, die gesellschaftlich relevant sind. Diese Produktionen sind die Experimentierfelder der Branche, die nicht nur neue Talente hervorbringen, sondern auch die künstlerische Identität eines Landes prägen. Sie tragen maßgeblich dazu bei, dass das Kino als Kunstform lebendig bleibt.
Die ideale Verteilung zwischen diesen beiden Bereichen ist eine Frage der Balance und der langfristigen Vision. Ich halte es für wichtig, sowohl den kommerziellen Erfolg als auch die künstlerische Freiheit zu fördern, weil beide miteinander einhergehen können und sich gegenseitig befruchten. Es ist nicht so sehr eine Frage der Aufteilung der Mittel, sondern vielmehr der Schaffung von Fördermechanismen, die beiden Bereichen gerecht werden – sei es durch spezielle Programme für bereichernde Indie-Filme oder durch die Schaffung von Anreizen für die internationale Zusammenarbeit bei großen Produktionen. Denn nur so entsteht eine vielfältige und zukunftsfähige Filmlandschaft, die wir in NRW weiterhin beheimaten möchten.

NRW@Berlinale: Walid Nakschbandi: “Wir halten Kurs auf Wachstum, Vernetzung und Qualität.”

18.02.2024 Berlin 

NRW-Empfang / Berlinale 2024

Fotos: Hojabr Riahi/Film- und Medienstiftung NRW