Blickpunkt:Film

Kino

Blickpunkt:Film: Der Film sollte ja schon vor längerer Zeit in den USA starten, doch Miramax hat angeblich den Starttermin auf Grund der kritischen Darstellung amerikanischer Außenpolitik zurückgehalten.

Phillip Noyce: Wir hatten die Testvorführung des ersten Rohschnitts am 10. September letzten Jahres. Die Reaktionen waren durchweg positiv. Am nächsten Tag hatten wir ein Meeting mit Miramax und auf ein-mal mussten wir mitansehen, wie sich die Welt vor unseren Augen veränderte. Nach dem 11. September führten wir weitere Testvorführungen durch, doch die Resonanz der Zuschauer fiel nun negativ aus.

Mit Filmen Wünsche verwirklichen

BF: Was war die Folge?

PN:Gerade in New York wollten die Leute keinen Film sehen, der ihnen die Folgen einer Terrorattacke zeigt und die amerikanische Außenpolitik kritisiert. So verlor [Harvey Weinstein](/person/harvey-weinstein) das Vertrauen in den Film. Ich konnte das verstehen und nahm ihm das nicht übel. Wir haben den Film im Mai fertig gestellt, hatten aber keinen Starttermin. Daraufhin hat [Michael Caine](/person/sir-michael-caine) mit Harvey gesprochen und ihn dazu überredet, den Film noch einmal zu testen. Also haben wir den Film während des Toronto Film Festivals vorgeführt, wo er ganz ausgezeichnet aufgenommen wurde.

BF: Was hat Sie denn an der Geschichte interessiert?

PN: Filme sind ja immer irgendwie eine Art, sich Wünsche zu verwirklichen. Mein Wunsch war es, ein Leben wie dasjenige der Filmfigur zu führen, die Michael Caine verkörpert: Ein Auslandskorrespondent mit einer jungen, hübschen Freundin zu sein, der so wenig wie möglich arbeitet, Opium raucht und ab und zu mal in den Krieg zieht. 1995 bin ich bei einer Reise durch den Vietnam auf das Buch gestoßen. Damals habe ich mich auch mit früheren amerikanischen Geheimagenten unterhalten und mir wurde erst bewusst, wie absurd die amerikanische Außenpolitik damals war, und wie verwirrt diese Männer immer noch von den Geschehnissen waren. Diese Männer haben die Vietnamesen dazu ausgebildet, die Japaner zu bekämpfen; aber in Wirklichkeit haben sie sie dazu trainiert, ihre eigenen Landsleute, nämlich die Amerikaner, zu töten. Ich dachte mir: Was für eine faszinierende, bizarre und bewegende Geschichte.

BF: Nach "[Die Stunde der Patrioten](/movie/die-stunde-der-patrioten)" und "[Das Kartell](/movie/das-kartell)" wieder ein Film, der sich mit US-Politik und Patriotismus beschäftigt. Was fasziniert Sie als Australier so an dem Thema?

PN: Absolute Macht ist immer faszinierend, und die USA haben nun mal absolute Macht. Mich interessiert es, wie sie damit umgehen. Im Endeffekt kann man Macht meistens auf zwischenmenschliche Beziehungen, Erotik und Persönlichkeiten reduzieren. Politik und Macht sind bei weitem nicht so abstrakt, wie wir uns das vorstellen.

BF: Michael Caine ist ein Schauspieler mit einem sehr klar definierten Image. War es schwer, ihn die Rolle des Auslandskorrespondenten in Saigon spielen zu lassen?

PN: Michael Caine ist einer der wenigen älteren Schauspieler, bei dem man es nicht abstoßend findet, wenn er eine junge Frau zu sich ins Bett zieht. Sein Image war für meinen Film sehr hilfreich: Von seiner letzten Rolle bzw. seiner Oscar-Rede, in der er das Abtreibungsrecht verteidigte, wissen wir, dass er ein vernünftiger, rationaler und sehr sympathischer Mensch ist. So einen Schauspieler brauchte ich für die nicht sonderlich heldenhafte Figur. Er spielt einen Betrüger, einen Lügner und effektiv einen Mörder - und trotzdem mögen wir ihn. Wir vergeben ihm, weil er Michael Caine ist.

BF: Die erste Verfilmung von 1958 hat ein anderes Ende als Ihre Version.

PN: Ja, der Regisseur [Joseph L. Mankiewicz](/person/joseph-l-mankiewicz) hat es damals so abgeändert, dass die Amerikaner nicht für die Terrorattacken verantwortlich sind und der englische Korrespondent auf eine kommunistische Verschwörung hereingefallen ist. Diese Veränderung wurde nach Absprache mit dem CIA vorgenommen. Es gibt einen berühmten Brief des CIA-Agenten Edward Lonsdale an Mankiewicz, in dem er ihm nahe legt, das Ende der Geschichte zu verändern.

BF: Im Gegensatz zu Ihren anderen Film ist dieser kein Studiofilm - haben Sie den Unterschied gemerkt?

PN: Ja, man ist nicht ständig von Typen in Anzügen umgeben. Die Weinsteins hatten ja nichts mit der Produktion zu tun, sondern haben nur die Verleihrechte gekauft. Sie hatten keinerlei Einspruchsrecht, was den Schnitt anbelangt. Das heißt, wir waren ganz allein. Es war fast schon ein wenig einsam.

Phillip Noyce über "The Quiet American": "Weinstein verlor das Vertrauen in den Film"