Blickpunkt:Film

Kino

Blickpunkt:Film: Wie wird sich Hollywood durch den 11. September verändern?


Mike Medavoy: Gegenwärtig werden alle Produktionen zurückgestellt, die sich um Terroristen und explodierende Häuser drehen. Gleichzeitig gibt es große Nachfrage nach Komödien, denn die Leute wollen lachen. Aber ob die Branche ihre Werte neu überdenkt, ist sich noch nicht sagen. Vielleicht sind all diese Veränderungen auch nur vorübergehend.


BF: Die Branche fürchtet selbst ins Kreuzfeuer von Anschlägen zu geraten. Berechtigt - Ihrer Meinung nach?


MM: Ich mache mir weniger Sorgen über terroristische Angriffe auf Los Angeles als um die Entwicklung unserer Wirtschaft.


BF: Da kommt es nicht gerade gelegen, dass die Finanzierung von Phoenix durch Sony vor kurzem ausgelaufen ist.


MM: Das bereitet mir keine Kopfschmerzen. Wir verfügen über genug Geld, um drei Jahre lang im Geschäft zu bleiben. Eigentlich sind wir sogar besser dran, denn wir sind jetzt nicht in einer Schublade mit Sony eingesperrt, sondern kšnnen Filme mit den anderen Studios machen.


BF: Sind die drauf aus, bei einer drohenden Rezession in Ihre Produktionen einzusteigen?


MM: Warum nicht? Wir haben Projekte mit sehr interessanten Filmemachern: [Milos Forman](/person/milos-forman)bereitet für uns die Gaunerfarce "Bad News" nach einem Donald E. Westlake-Roman vor. [Philip Kaufman](/person/philip-kaufman) wird Jonny Lerners schwarze Komödie "You Got Nothing Coming: Notes from a Prison Fish" machen. Dann gibt es [John Boormans](/person/john-boorman) Südafrika-Film "Country of My Skull". Und nicht zu vergessen der [Paul Verhoeven](/person/paul-verhoeven)-Thriller "Assassins" über die Rekrutierung der Nazi-Wissenschaftler. Und das sind nicht mal alle Beispiele.


BF: Aber ist denn eines Ihrer Projekte voll finanziert?


MM: Ich gehe davon aus, dass wir die Filme mit Forman, Boorman und Verhoeven bald auf die Beine stellen. Das Gleiche gilt für ein Remake von " [Fahrstuhl zum Schafott](/movie/fahrstuhl-zum-schafott)", über das wir mit [Michael Radford](/person/michael-radford) verhandeln. Bei zwei Filmen steht die Finanzierung schon ganz: Das ist zunächst "Basic", bei dem [John McTiernan](/person/john-mctiernan) die Regie übernehmen wird. Es handelt von einem Agenten der Drogenbehšrde, der bei einem Mord ermitteln muss, den er selbst begangen hat. Dieses Projekt machen wir mit Intermedia. Außerdem realisieren wir eine Produktion mit Philip Anschutz' Walden Media.


BF: Anschutz ist doch stockkonservativ und will weder Sex und Gewalt.


MM: Was in diesem Fall kein Problem ist. Denn hier geht es um die Verfilmung eines Kinderbuchs: "Holes" von Louis Sachar.


BF: Suchen Sie auch in Deutschland nach Koproduzenten?


MM: Die Gespräche sind gerade im Gang.


BF: Was ist aus Ihrem Historiendrama "Shanghai" geworden?


MM: Das machen wir jetzt mit Miramax. [Hossein Amini](/person/hossein-amini) ("[Die Flügel der Taube](/movie/die-fluegel-der-taube)") überarbeitet noch das Drehbuch. Mittlerweile haben wir auch einen sehr prominenten Regisseur dafür gewonnen, den ich aber noch nicht nennen will.


BF: Aber braucht man heutzutage nicht eine " [Pearl Harbor](/movie/pearl-harbor)"-Formel, damit solch historische Filme ihr Publikum finden?


MM: Ich hasse Formeln. Warum sollte ich dann überhaupt Filme machen? Das Kino heutzutage ist so formelhaft, weil sich die Leute viel zu sehr an der Vergangenheit orientieren. Aber Filme -auch historische - drehen sich um die Zukunft. Ich will doch nicht etwas produzieren, was ich schon gesehen habe, sondern etwas Einzigartiges und Ungewöhnliches.


BF: Was auf Hollywood zurzeit nicht gerade zutrifft.


MM: Richtig. Aber sehen Sie sich die Filme an, die die Jahre überdauert haben. Alle unsere Oscar-Gewinner bei United Artists und Orion, ob "Einer flog übers Kuckucksnest" oder "[Amadeus](/movie/amadeus)", waren Filme, die die anderen abgelehnt hatten.


BF: Doch im Kino sind Teenager die wichtigste Zielgruppe. Sie dagegen setzen vor allem auf lang-etablierte Filmemacher und "erwachsene" Geschichten. Können Sie damit ein Publikumf finden?


MM: Man kann nicht einfach nur gedankenlose, eskapistische Unterhaltung machen. Ich will Filme, die mein Gehirn und meine Sinne ansprechen. Die haben ein ewiges Leben. Warum sollte ich Sachen machen, auf die ich nicht stolz sein kann?


BF: Können Sie auf alle Ihre Produktionen stolz sein?


MM: Ich bin gerade dabei ein Buch fertigzustellen. Sein Titel: "Du bist nur so gut wie dein Nächster." Der Untertitel: "100 gute Filme und 100 Filme, für die man mich erschießen sollte." Das als Antwort auf Ihre Frage.

Phoenix-Chef Mike Medavoy über das Hollywood der Zukunft