Blickpunkt:Film

Kino

Bei der diesjährigen Award Ceremony des 74. [Internationalen Filmfestivals Mannheim-Heidelberg (IFFMH)](/company/iffmh-filmfestival-mannheim-ggmbh) im Karlstorbahnhof Heidelberg wurden die großen Preise des Festivals vergeben. Wieder prägten den Abend die Förderung des internationalen Reginachwuchses. Im Wettbewerb „On the Rise“ traten 16 Erst- oder Zweitwerke an. Der mit 30.000 Euro dotierte Hauptpreis, der International Newcomer Awar ging an Zhongchen Zhangs „Nighttime Sounds“; der Film überzeugte die internationale Jury durch seine dichte Bildsprache und eine erzählerische Schwere, die persönliche und generationelle Verluste verknüpft. Auch diesen bescheidenen Autor begeisterte der Film ([unsere Besprechung finden Sie hier](https://www.blickpunktfilm.de/kino/poetische-geistergeschichte-review-festival-nighttime-sounds-4e5bd75a9c0482e8ad4343d41d10a0e3)).

Die Jurybegründung würdigte „Nighttime Sounds“ als einen Film „über Verlust, der durch die visuelle Schönheit spricht“ und hob hervor, wie er „die Geheimnisse des Alltags und die verborgene Wahrheit, die Familien zerbrechen lassen“, einfange. Der bescheidene Regisseur nahm die Auszeichnung persönlich entgegen und bedankte sich unter anderem bei seiner Mutter, die den Film stark mitgeprägt habe.

![„Nighttime Sounds“ (Credit: HKIFF Collection)](https://s3.eu-central-1.amazonaws.com/zone.busch.store.image/69e96b71-d7de-4de2-978c-bd11884e0c2f.jpg)

Das Festival, das noch bis zum 16. November stattfindet, verteilte in diesem Jahr Preise über mehrere Jurys und Sparten hinweg: Der [Rainer-Werner-Fassbinder](/person/rainer-werner-fassbinder)-Award für das beste Drehbuch (15.000 Euro) wurde an Sophy Romvari für „Blue Heron“ verliehen; die Jury lobte das Drehbuch als über das Persönliche hinausgreifend, weil es systemische Brüche und ihre psychischen Folgen sichtbar mache. Die Junge Jury zeichnete „Blue Heron“, der im Wettbewerb von Locarno Weltpremiere feierte, zudem mit dem mit 5.000 Euro dotierten Student Award der Nachwuchsjury aus.

Der Young Actors Award (10.000 Euro), der in diesem Jahr erneut sektionsübergreifend vergeben wurde, ging an den Newcomer Noah Sayenko für seine Hauptrolle in [Steffen Goldkamps](/person/steffen-goldkamp) Neo-Noir „Regen fiel auf nichts Neues“. Die Jury hob Sayenkos zurückhaltende, „unendlich kraftvolle“ Darstellung hervor: Er trage „die gesamte emotionale Last“ des Films, ohne je zu dominieren — ein Befund, der den Fokus des Festivals auf die Entdeckung junger Talente unterstreicht.

![Noah Sayenko wurde als bester Nachwuchsschauspieler ausgezeichnet (Credit: THE SPOT)](https://s3.eu-central-1.amazonaws.com/zone.busch.store.image/e10e0b79-72c9-435f-84b9-803437b4c2aa.jpg)

Weitere Auszeichnungen: Die Ökumenische Jury vergab ihren Award (2.500 Euro) an Zain Duraies „Sink“ und würdigte das einfühlsame Porträt einer Mutter im Spannungsfeld familiärer Belastungen; Laura Wandels „Adam’s Sake“ erhielt eine lobende Erwähnung. Der internationale Kritikerpreis FIPRESCI ging an Sven Bressers „Reedland“ — ein filmisches Essay über das Altern, getragen von der starken Präsenz des Laiendarstellers Gerrit Knobbe. Eine lobende Erwähnung bekam [Roderick Warichs](/person/roderick-warich) „[Funeral Casino Blues](/movie/soi-dogs)“. Der Publikumspreis (5.000 Euro) schließlich wurde an Thea Gajićs „Surviving Earth“ vergeben — ein persönliches Debüt über die Narben des Jugoslawienkriegs und die Suche nach einem Platz in der Welt.

Nicht zuletzt setzte das IFFMH in diesem Jahr ein besonderes Zeichen für das dokumentarische Kino: In Kooperation mit dem [SWR](/company/suedwestrundfunk-swr) wurde der Deutsche Dokumentarfilmpreis im Rahmen der Ceremony vergeben. Der Hauptpreis (20.000 Euro) ging an [Daniel Abmas](/person/daniel-abma) „[Im Prinzip Familie](/movie/im-prinzip-familie)“, der Musikpreis (5.000 Euro) an [Clara Stella Hüneke](/person/clara-stella-hueneke) für „[Sisterqueens](/movie/sisterqueens)“, der Förderpreis (3.000 Euro) an [Rand Beiruty](/person/rand-beiruty) für „Tell Them About Us – Über Uns Von Uns“. SWR-Intendant[ Kai Gniffke](/person/kai-gniffke) und [MFG](/company/mfg-medien-und-filmgesellschaft-baden-wuerttemberg)-Geschäftsführer [Carl Bergengruen](/person/prof-carl-bergengruen), hoben die Bedeutung des Dokumentarfilms als „Königsklasse des Journalismus“ und die wachsende Dokumentarlandschaft in Baden-Württemberg hervor.

![Die Gewinner des Deutschen Dokumentarfilmpreises (Credit: THE SPOT)](https://s3.eu-central-1.amazonaws.com/zone.busch.store.image/66766a58-85b3-4dc3-a96b-47ed4b436b00.jpg)

Festivalleiter [Dr. Sascha Keilholz](/person/sascha-keilholz) zog in seiner kurzen Ansprache ein positives Zwischenfazit: Angesichts vieler ausverkaufter Vorstellungen und „durchweg begeisterter Rückmeldungen internationaler Gäste“ zeige sich das Festival „hochzufrieden“. Keilholz betonte zugleich die kuratorische Handschrift des Jahrgangs, der unter dem provokanten Motto „Feel Good?!“ stand — Filme mit Flucht- und Eskapismusversprechen seien bewusst positioniert worden, um auch deren Kehrseiten und die Frage nach echtem Wohlbefinden herauszuarbeiten. „Willkommenskultur“ sei dabei nicht nur ein Schlagwort, sondern Programm: „Alle sollen sich wohlfühlen“, sagte Keilholz und dankte ausdrücklich Jury und Teams.

Auch medienpolitische Verantwortliche nutzten die Bühne, um die Rolle von Festivals in der Produktions- und Förderlandschaft zu unterstreichen. Staatssekretär Arne Braun bezeichnete das IFFMH als ein „internationales Aushängeschild im Filmland“ und betonte die Bedeutung von Nachwuchsförderung und Festivals als Resonanzraum für das Kino: „Ohne Festivals keine Filmbranche.“ Braun mahnte zugleich zur Wachsamkeit gegenüber Einschränkungen künstlerischer Freiheit: „Wenn Freiheit einmal weg ist, ist sie weg.“ In einem augenzwinkernden Moment gab er zu, bisher noch keinen Film gesehen zu haben, und kommentierte selbstkritisch, er sei „zu alt fürs Talent Camp“, dass im Rahmen des IFFMH veranstaltet wird. Einen ebenfalls griffigen Kommentar hatte er zur gestrigen Debatte über eine mögliche Selbstverpflichtung der Streamer in Berlin parat. Dort sei das „Hohe Lied der Streamer“ gesungen worden. Er möchte mit einem Brief an BKM Wolfram Weimar nochmal zur Förderung der deutschen Festivallandschaft aufrufen.

Dr. Andrea Edel, Leiterin des Kulturamts Heidelberg, nutzte die Gelegenheit, das Festival als Standortfaktor zu betonen: Das IFFMH stehe „für Weltoffenheit und Toleranz“ und trage zur Sichtbarkeit internationaler Produktionen bei; Heidelberg solle sich weiterhin als Produktionsstandort profilieren. 

Förderung war insgesamt ein großes Thema des Abends. Da Daniel Abma selbst verhindert war, nahm die Produzentin von „Im Prinzip Familie“, [Britta Strampe](/person/britta-strampe), die Auszeichnung an. Bei ihrer Gewinner:innenrede sprach sie über die schwierige Situation in Kinderheimen, die stark von Sozialkürzungen betroffen seien. Um fehlende Gelder im Kultursektor ging es auch in der Dankesrede von Dokukollegin Clara Stella Hüneke. Die Kulturkürzungen in Berlin habe das Sisterqueens-Projekt, dass sie dokumentarisch begleitete, auf ein Existenzenminimum heruntergeschrumpft.

Während der Preisverleihung wurden heutige Filmmacher:innen gefeiert. Der Gedanke an die Zukunft, filmisch oder gesellschaftlich strukturell bestimmte jedoch die entscheidenden Worte des Abends.

„Nighttime Sounds“ gewinnt Hauptpreis des IFFMH