Blickpunkt:Film

Kino

Blickpunkt:Film: Macht es einen Unterschied, ob ein Drehbuchautor fürs Kino oder fürs Fernsehen schreibt?

Rainer Berg: Entscheidend ist die unterschiedliche Marktstruktur. Der Fernsehmarkt ist überschaubar, hier existiert ein ständiger, mehr oder weniger kalkulierbarer Programmbedarf, den es beim Kino so nicht gibt. Gleichzeitig ist das Gesicht eines typischen deutschen Kinomarktes nicht erkennbar. Zumindest Geld verdienen kann man als Autor im Kino nicht verlässlich. Dazu herrschen hierzulande auch allzu krause Vorstellungen vom kreativen Wert der Drehbucharbeit.

Freie Produzenten am Gängelband der Sender

BF: Wieweit kann man als Drehbuchautor überhaupt eigenständig arbeiten?

RB: Die Spielräume sind oft enger, als es sinnvoll wäre. Namhaften Autoren wird z.B. bei Stoffvorschlägen fürs Kino noch immer nicht so zugehört wie namhaften Regisseuren. Es sind aber andere, strukturelle Probleme, die dazu führen, dass Autoren primär fürs Fernsehen arbeiten. Die Arbeit fürs Fernsehen ist wesentlich berechenbarer, da gibt es verantwortliche Redakteure und relativ sichere Programmplätze. Ins Kinoprojekt mischen sich immer viele Köche ein, da wird lange an einem Brei gerührt - vor allem in den Gremien, die den Marktzugang steuern und nur das Geld anderer ausgeben, d.h. nie unternehmerische Risiken eingehen. Diese Art Kompromisswirtschaft ist wohl kaum geeignet, künstlerische Originalität zu schaffen und kreative Kontinuitäten - warum ist der deutsche Kinofilm international so grausam bedeutungslos, wo es doch hierzulande an Kreativen nicht mangelt?

BF: Lässt sich das aufbrechen?

RB: Hier ist z.B. die Filmförderung gefordert. Die muss primär einmal Strukturen schaffen, die die freie Entfaltung aller verantwortlich beteiligter Kräfte ermöglicht. Das beginnt bei den Drehbuchautoren, die durch systematische Stoffentwicklung, Texte und Bearbeitungen den kreativen Organismus schaffen, an den alle anderen andocken können. Übrigens hält sich ja das Vorurteil beharrlich, das Drehbuch sei vor allem eine literarische Gattung. Unsinn. Drehbücher werden nicht einmal primär geschrieben, sondern pri-mär entwickelt, sie sind viel weniger Produkte als vielmehr Prozesse - diese kooperativ zu steuern und gestalten, ist allerdings eine großartige Herausforderung.

BF: An Drehbuchentwicklun-gen sind in der Regel zumindest die Produzenten beteiligt - sollte die Filmförderung das mehr berücksichtigen?

RB: Ja, die kreativen Produzenten sind daran beteiligt, und die Regisseure. Filmförderung kann nur dann effektiv sein, wenn sie nicht mehr isolierte Einzelleistungen oder -personen finanziert, sondern vielmehr kreative Kooperationen. Es müssen zumindest Gespanne von Autor und Produzent sein, am besten plus Regisseur. Alle drei gehören zusammen, ein jeder in seiner ureigenen Rolle, hier müssen sie sich ergänzen.

BF: Bisweilen drängt sich der Eindruck auf, ins Kino kommt nur, was nicht als TV-Movie umgesetzt werden kann.

RB: Wahr ist leider, dass die freien Filmproduzenten am Gängelband der Sender hängen. Allein aus betriebswirtschaftlichen Erwägungen heraus können selbst kinotaugliche Stoffe kaum zu Kinofilmen werden, wenn auch ein Fernsehfilm daraus werden kann - wer wird einen sicheren Senderauftrag ablehnen, der immerhin weitere versprechen kann? Doch auch fürs TV wird allzu viel Halbgares verfilmt. Das liegt wohl zum einen an einem Kompetenzproblem in den Redaktionsstuben, zum anderen an dieser wirtschaftlichen Abhängigkeit unserer freien Produzenten. Die müssten in die Lage versetzt werden, immer mehrere Stoffe parallel durchzuentwickeln und nur die stärksten in Produktion gehen zu lassen. Auch das Scheitern einer Stoffentwicklung muss als kreative Kraft erkannt werden. Zumal, was einmal erarbeitet ist, an anderer Stelle irgendwann wieder genutzt werden kann.
Auftragsrückgang als Chance für Qualität

BF: Seit etwa einem Jahr werden sehr viel weniger TV-Movies produziert als bisher, was bedeutet das für die Drehbucharbeit?

RB: Im besten Fall eine Chance für die Qualität. Im Boom der letzten zehn Jahre sind ja auch massenhaft Werke entstanden, ohne die niemandem etwas gefehlt hätte. Aber das Geld war scheinbar da und die Konkurrenz der Sender wurde üppig ausgefochten. Ab sofort muss sich ein Stoff mehr als einmal fragen lassen, ob er eine Verfilmung wert ist und warum. Dabei können natürlich auch kostbare Ansätze übersehen werden. Aber das war in der Boomzeit gar nicht anders. Das Augenmerk wird sich künftig auch sehr viel mehr auf den internationalen Vergleich richten - alles in allem könnte das eine Professionalisierung der Arbeit bringen und die wäre auch überfällig.

BF: Bedeuten weniger TV-Movies, dass Drehbuchautoren künftig mehr Serienbücher schreiben oder sind die Grenzen gar nicht offen?

RB: Sicher sind die Grenzen offen, alles andere wäre ja furchtbar. Aber es gibt sie natürlich auch von Seiten der Autoren - eine gewisse Überheblichkeit gegenüber dem "Seriengeschäft". Das ist genauso ignorant wie die ewige Spaltung des Kulturschaffens in "E" und "U".

Rainer Berg über den Markt für Drehbuchautoren