Blickpunkt:Film

Kino

Blickpunkt:Film: Was kann man in einem Historienfilm besser ausdrücken als in einem anderen Genre?

Randall Wallace: Man braucht weder große Gefühle noch Pathos scheuen. Seltsamerweise kann man mit einem Kostümfilm auch Ideen oder Moralvorstellungen besser transportieren als irgendwo sonst. Gerade durch den historischen Rahmen können sich die Zuschauer besser auf den Inhalt konzentrieren. Das funktionierte bei "Braveheart" und hoffentlich auch bei "Der Mann in der eisernen Maske"

BF: Kino als moralische Instanz?

RW: Warum nicht. Ich bin der festen Überzeugung, daß man den Kids, zumindest hier in Amerika, mit dieser Art von Filmen Werte wie Ehre, Treue oder Freundschaft näher bringen kann und einen erzieherischen Aspekt neben dem Unterhaltungswert liefert.

Bei MGM mochte man das Skript von Anfang an

BF: Bedienen Sie mit Ihrem Film also vorwiegend das Jugend-Marktsegment?

RW: Ich hatte bei "Der Mann in der eisernen Maske" eigentlich eine Zielgruppe von acht bis 90 Jahren im Visier. In dem Film gibt es verschiedene Ebenen.

BF: War es nach dem Erfolg von "Braveheart" einfacher, das Buch an den Mann zu bringen?

RW: Wenn einem Regieanfänger wie mir 40 Millionen Dollar zur Verfügung gestellt werden, wird alles vorher genauestens geprüft und abgewogen. Ich hatte Glück, daß man bei MGM mein Skript von Anfang an mochte. Wenn das Drehbuch von einem Studio hundertprozentig akzeptiert wird, ist das die halbe Miete.

BF: Und die andere Hälfte sind die Schauspieler. Wie kamen Sie zur beeindruckenden Besetzung?

RW: Auch da hatte ich ungeheures Glück. Gute Besetzung ist vor allem von gutem Timing abhängig. Was nutzt es schon, wenn ein Schauspieler sich für eine Rolle interessiert, aber zur Drehzeit andere Verpflichtungen hat. Und dann noch so viele unter einen Hut zu bringen. Da die meisten von ihnen aber schon lange miteinander arbeiten wollten, haben sie die Gelegenheit beim Schopf ergriffen.

"DiCaprio wollte unbedingt dabei sein"

BF: Leonardo DiCaprio hatte zuerst abgelehnt.

RW: Er war von den Dreharbeiten zu  noch zu sehr erschöpft. Als er die Besetzungsliste gesehen hatte, wollte er aber unbedingt dabei sein.

BF: Sie sind wohl der letzte Regisseur, der DiCaprio noch unter einer 20-Millionen-Dollar-Gage bekommen hat.

RW: Das geht in diesem Geschäft sehr schnell - nach oben wie nach unten. Aber um Leonardo DiCaprio muß man sich keine Sorgen machen. Ihm ist der Erfolg überhaupt nicht zu Kopf gestiegen. Er will diesen Starkult auch gar nicht. Das einzige, was er wirklich will, ist, sich als Schauspieler weiterzuentwickeln.

BF: Wie schafften Sie es vom Buchautor zum Scriptwriter und schließlich zum Regisseur?

RW: Zufall? Glück? Schicksal? Ich kann die Frage nicht beantworten. Aber so ein Stoff wie "Braveheart" fällt einem sicher nicht in den Schoß. Das bedeutet harte Arbeit. Das Know-how habe ich mir als Drehbuchautor beim Fernsehen angeeignet, wo ich vier Jahre für diverse Serien geschrieben habe.

BF: Hatten Sie den Final Cut?

RW: Er war nicht vertraglich festgelegt, aber de facto hatte ich ihn schon. Als ich meine Fassung den Studiobossen zeigte, waren sie mit allem einverstanden und gaben mir sofort grünes Licht. Mel Gibson hatte seinerseits größere Schwierigkeiten, seine "Braveheart"-Version durchzusetzen.

BF: Wie ist es, sein eigenes Buch zu verfilmen?

RW: Es fehlt eine Art permanente Kontrollinstanz, was für die tägliche Arbeit meistens von Vorteil ist. Die Diskussionen und Auseinandersetzungen, die ich mit Mel Gibson hatte, haben dem Film letztlich sehr gut getan. Diesmal hatte ich nicht so eine Reibungsfläche, deshalb habe ich mir anders geholfen, indem ich mir die Vorschläge der Schauspieler sehr genau angehört habe. Die meisten von ihnen haben schon selbst Theateraufführungen inszeniert oder Filme gemacht. Da wäre es dumm und ignorant, sich nicht von ihnen inspirieren zu lassen.

BF: Angeblich hat den Starschauspielern vor allem Ihre Leidenschaft imponiert.

RW: Das habe ich damals bei "Braveheart" auch bei Mel Gibson bewundert. Ich habe mich gefragt, wie er den dauernden Streß so aushält, das war einfach phänomenal. Aber wenn man in einem guten Team arbeitet, kann man tatsächlich Berge versetzen. Und Filmemachen ist ja vor allem eines: Teamarbeit. Alleine ist man nichts.

BF: Mit Jeremy Irons, John Malkovich, Gerard Depardieu, Gabriel Byrne und Leonardo DiCaprio am Set, gab es da nicht Streitigkeiten?

RW: Sollte man glauben, aber das Gegenteil war der Fall. Es hat mich selbst gewundert, wie locker sie miteinander umgegangen sind. Gerard Depardieu hat uns sogar alle auf sein Weingut eingeladen und festlich bewirtet.

Randall Wallace zu "Der Mann in der eisernen Maske'