Blickpunkt:Film

Kino

Blickpunkt:Film: Was ist es, was einen Menschen als Menschen auszeichnet, wie es in Ihrem Film gefragt wird?

Guillermo Del Toro: Es sind die Entscheidungen, die er trifft. Das ist im Film, und das ist die einzige wahre Antwort für mich. Der Mensch zeichnet sich durch seine Entscheidungen aus. Anders ausgedrückt: Wenn du über Jahre ein anständiger Typ bist und dann eines Tages zum Motherfucker wirst, dann bist du ein Motherfucker. Man muss innerlich verbunden, stimmig sein mit seinen Entscheidungen. So führe ich mein Leben. Und so versuche ich auch, über das Leben in "Hellboy" zu erzählen.

BF: Ein anderer Schlüsselsatz in "Hellboy" ist der Ausspruch von John Meyers: "Wir schätzen Menschen für ihre Qualitäten, aber wir lieben sie für ihre Fehler."

GDT: Ja, das ist eine Schlüsselszene. Denn schauen wir uns doch mal an, wie wir heute leben. Wir sind umflutet von Werbung, die uns einbläut, dass man jung, schön und fit sein muss. Und niemand erzählt dir, dass es in Ordnung ist, wenn man den "Idealen" nicht entspricht, wenn man eben nicht so gut aussehend ist, dass es ok ist, freaky zu sein. Und das ist in meinem Film.

BF: Was macht "Hellboy" zu ihrem Traumprojekt?

GDT: Ich habe immer gesagt: Wenn ich "[The Devil's Backbone](/movie/el-espinazo-del-diablo)" und "Hellboy" gemacht habe, dann könnte ich sterben. Und das denke ich auch heute noch. Angenommen, ich würde morgen abkratzen, ich würde als glücklicher Mann sterben. Schließlich könnten sich die Leute immer wieder diese beiden Filme ansehen. "Hellboy" ist so voller Herz, der Film hat viel Leidenschaft, viel gute Energie. Es war ein Geschenk, dass ich einen so wunderschönen Film machen konnte. Und ich glaube und hoffe natürlich, dass die Leute den Film genauso lieben werden wie ich. Ich fühle mich dem Publikum auf jeden Fall sehr eng verbunden.

BF: "Hellboy" ist nicht nur eine Superhelden-Geschichte sondern auch eine sehr emotionale Vater-Sohn-Geschichte. Sie zeigen Hellboy im Konflikt mit seiner äußeren Erscheinung, unter der er sehr leidet. Er ist ein sehr menschlicher Superheld. Ist das im Comic auch so angelegt?

GDT: Die Comicvorlagen differieren an einigen Stellen schon sehr von meinem Film. Aber wir haben versucht, das Essentielle zu bewahren. Die Quintessenz ist: es geht um einen Typen, der menschlicher ist als es ein Mensch je sein kann. Der zweite wichtige Punkt in der Vorlage ist, dass sie von einem Wesen handelt, das einen unglaublichen Job mit einer sehr normalen Einstellung verrichtet. Hellboy ist nicht top ausgerüstet, sondern verrichtet ganz cool mit der Zigarre im Mund seinen Job. Es ist eine sehr bodenständige Haltung. Das sind die Dinge, die Hellboy so speziell machen.

BF: Der Beginn des Drehbuchs weicht vom Beginn des Films ab. Warum haben Sie sich anders entschieden?

GDT: Ich habe es geändert, weil die Eröffnungssequenz im Drehbuch zu lang war. Es sind zu viele Charaktere, dann eine etwas langwierige Einführung von Dr. Broom in seinen jungen Jahren. Wir haben diese Sequenz auch nie gedreht. Ich habe am Set entschieden, dass wir das nicht brauchen. Für mich war es wichtiger, direkt in die Handlung einzusteigen, nur mit einem Voiceover. Es war die richtige Entscheidung, wie ich finde.

BF: Wie gestaltete sich die Zusammenarbeit mit [Mike Mignola](/person/mike-mignola), dem Erfinder der Comics?

GDT: Großartig. Wir kennen uns ja schon seit sieben Jahren. Wir sind richtig gute Freunde und unsere Interessen decken sich fast komplett. Wir haben dieselben Bücher gelesen, haben einen ähnlichen Filmgeschmack, denken sehr ähnlich. Als die Idee mit "Hellboy" aufkam, konnten wir uns prima gegenseitig befruchten. Zuerst arbeiteten wir gemeinsam am Drehbuch, dann haben wir "[Blade II](/movie/blade-ii)" dazwischen geschoben, und anschließend sind wir gemeinsam zu "Hellboy" zurückgekehrt.

BF: Sind Sie ein großer Comic-Fan?

GDT: Oh ja. Was das Kaufen von Comics betrifft bin ich geisteskrank. Meistens ziehe ich mit meiner Tochter durch die Comicbuchläden. Ich liebe es, Comics zu lesen. Wenn ich die Möglichkeit hätte, würde ich eine zweijährige Pause einlegen, um nur Comics zu lesen.

BF: Ihre Karriere begann als Special Make-up Künstler. War "Hellboy" unter diesem Aspekt eine Herausforderung für Sie?

GDT: Wenn ich mich heute an Filme wie "Hellboy" wage, dann frage ich mich nicht mehr, ob der Stoff eine technische Herausforderung ist oder nicht. Ich weiß einfach genug über Effekte und deren Umsetzung. Während des Schreibens weiß ich bereits genau, wie ich dies und jenes von der technischen Seite her lösen kann. In der Regel habe ich immer ein Notizbuch bei mir, in das ich allerhand zeichne und mir notiere, wie die Dinge technisch zu bewerkstelligen sind. Das ist eine wichtige Stütze. Und wenn ich dann ans Set komme oder mich mit den Technikern treffe, bin ich exzellent vorbereitet und habe für alles bereits eine Lösung parat. Ich arbeite stark visuell, viel über Bilder.
BF: Sind sie zufrieden mit dem Ergebnis am US-Boxoffice? Mit knapp 60 Mio. Dollar Einspiel war "Hellboy" kein wirklicher Überflieger.

GDT: Wir sind davon ausgegangen, dass der Film zwischen 55 und 70 Mio. Dollar machen würde. Das Ergebnis ist also ok, zumal ja die DVD-Auswertung, TV und die weltweiten Einspielergebnisse sehr stark sein werden. In den USA schlug der DVD-Release mit in der ersten Woche 3,5 Mio. verkauften Discs voll ein. Deshalb sind wir sehr glücklich mit dem Ergebnis. Und die Produzenten sind offensichtlich glücklich genug, um uns das Sequel machen zu lassen.

BF: Sie bereiten gerade einen Director's Cut von "Hellboy" vor. Was ist das Spezielle?

GDT: Der ist schon fertig. Er ist 15 Minuten länger. Aber diese 15 Minuten sind sehr wichtig, weil es Charakter-Momente sind. Ich denke, dass der Director's Cut eine perfekteren Handlungsverlauf bietet - nicht in einer kommerziellen Sichtweise. Es ist geplant, den Director's Cut in die US-Kinos zu bringen, bevor er dann auf DVD erhältlich sein wird.

BF: Hatten Sie sich zu Beginn erhofft, die Rolle des Hellboy mit einem großen Hollywoodstar besetzen zu können, oder wollten Sie von Anfang an Ron Perlman?

GDT: Ich habe das Drehbuch für [Ron Perlman](/person/ron-perlman) geschrieben - von Anfang an. Mit ihm habe ich mich auch als aller erstes getroffen, nachdem ich das Go als Regisseur hatte. Ich habe ihn sofort angerufen und ihm gesagt: ich schreibe einen Film für dich.

BF: Die Rolle des FBI-Agenten John Meyers ist nicht im Comic. Warum haben Sie sie in ihr Drehbuch geschrieben?

GDT: Mir waren zwei Dinge wichtig: zum einen brauchte ich eine neutrale Person, die uns einen Einblick in die Geschichte gewährt, eine Person, die kein Superheld oder Monster ist. Zum anderen wollte ich ja unbedingt Ron Perlman, und ich habe dem Studio immer gesagt, wenn ihr einen jungen Star wollt, dann setzt ihn auf die Rolle von Meyers. Ich habe gesagt, nehmt [Brad Pitt](/person/brad-pitt) als Meyers oder irgendjemand. Das wäre großartig für mich gewesen. Denn schließlich ist es ein ganz neuer Charakter. Aber nicht auf Hellboy - das war einfach ein No go. Hellboy ist Ron Perlman.

BF: Wie weit steht es mit dem Sequel?

GDT: Im September werde ich mit dem Drehbuch anfangen. Die Story haben wir schon. Auch das Sequel möchte ich stark auf die Charaktere ausrichten. Nächstes Jahr können wir dann hoffentlich mit dem Dreh beginnen. Aber bis es mit "Hellboy 2" losgeht, drehe ich einen kleinen spanischen Film.

BF: Bei Ihrem bravourösen Schauerdrama "The Devil's Backbone" fungierte [Pedro Almodóvar](/person/pedro-almodovar) als Produzent. Ist es so, dass sich die spanischsprachigen Filmschaffenden gegenseitig unterstützen?

GDT: Nein. Wir sind uns ganz zufällig über den Weg gelaufen. Ich war damals auf dem [Filmfest in Miami](/company/miami-international-film-festival) und saß gerade mit meiner Coke am Pool. Da hörte ich plötzlich eine Stimme: "Sind Sie nicht Guillermo Del Toro?". Der Mann stellte sich mir vor. Und ich sagte: "Ich weiß, wer Sie sind." Almodóvar sang Lobeshymnen auf "[Cronos](/movie/cronos)" und sagte, wie sehr er diesen Film liebte. Und prompt machte er mir das Angebot, mit ihm zusammen einen spanischen Film zu machen. Das war großartig.

BF: Wie stellen Sie sich die Hölle vor?

GDT: Ich bin überzeugt, wenn man stirbt, stirbt man und geht nirgendwo hin. Himmel und Hölle - das sind die Entscheidungen, die man hier auf der Welt, in seinem Leben trifft. Und ich denke, dass man das alles hier im Leben durchmacht. Du kannst dich jeden Tag entscheiden, ob du diesen oder jenen Weg gehen willst. An Dämonen glaube ich nur, wenn ich Politiker sehe.

Regisseur Guillermo Del Toro über "Hellboy"