Blickpunkt:Film

Kino

Blickpunkt:Film: Es hat den Anschein, daß in den letzten Jahren Shakespeare-Interpretationen bevorzugt im Kino stattfanden. Woran liegt das?

John Madden: Das Kino erinnert das Publikum wieder daran, daß Shakespeare ein Populist Writer war, also einer, der dem Volk aufs Maul schaute und für das Volk schrieb. Ganz im Gegensatz zu den immer elitärer werdenden Theateraufführungen vor allem in England. Schauen Sie sich nur an, was Baz Luhrman aus dem "Romeo und Julia"-Stoff gemacht hat, fantastisch! Shakespeare aus dieser Klassikerkruste freizusprengen - das ist letztlich nur dem Kino wirklich gelungen. Shakespeare gilt wieder als Pop.

BF: Darum diese fast natürliche Affinität zum Hollywood-Film?

JM: Ganz genau. Obwohl "Shakespeare in Love" nicht unbedingt das Label "Hollywood-Film" verdient. Auf der anderen Seite war unser Bestreben, Shakespeare modern und aktuell erscheinen zu lassen. Seine Werke sind für die abendländische Kultur essentiell, man darf sie nur nicht verakademisieren und damit blutleer machen. Wenn unsere Geschichte, die frei erfunden ist, dazu beiträgt, das Wesen dieses großen Dichters besser verständlich zu machen, haben wir unser Ziel erreicht.

BF: Bei Ihrem Film hat man das Gefühl, dabei und nicht nur reiner Zuschauer zu sein.

JM: Das sollte die Intention jeder guten Inszenierung sein. Nichts langweilt schneller, als wenn doziert wird. Es gibt schon einen Grund, warum wir als Schüler die Klassiker meistens öde fanden.

BF: Stimmt es, daß Edward Zwick ursprünglich Regie führen wollte?

JM: Ja, aber am Ende der Pre-Production hat er den Film dann wegen anderer Verpflichtungen abgegeben und tritt nur noch als Produzent in Erscheinung. "Künstlerische Integrität nicht verlieren"

BF: Haben Sie sein Drehbuch übernommen?

JM: Nein, wir haben es total umgearbeitet. Im Grunde genommen sind wir wieder auf Tom Stoppards ersten Entwurf zurückgekommen, den wir dann zusammen mit Mark Norman in die endgültige Form gebracht haben. Aber trotz dieser Veränderungen war es von der ersten bis zur letzten Minute ein Miramax-Projekt.

BF: War das Schauspielerensemble schon an Miramax gebunden, als Sie einstiegen?

JM: Teils, teils. Natürlich habe ich als Regisseur wesentlichen Einfluß auf das Casting gehabt. Die Dreharbeiten waren übrigens logistisch ziemlich schwierig, denn wir mußten uns ständig nach der Verfügbarkeit der einzelnen Schauspieler richten, die zum Teil noch an anderen Projekten arbeiteten. Ben Affleck zum Beispiel ist ganz kurzfristig für jemand anderen eingesprungen.

BF: Vermutlich mit dementsprechender Gage. Wie hoch war das Budget?

JM: 22 Millionen Dollar, was gemessen an dem, was auf der Leinwand zu sehen ist, nicht sehr viel ist. Bei dieser Art von Kostümfilmen geht der Löwenanteil des Geldes immer in die sehr aufwendigen Sets und in die Requisite, also nicht in Gwyneth Paltrows Tasche. Sie gehört zu den Schauspielerinnen, die sich für einen Film entscheiden und nicht für die Dollars. Dasselbe gilt auch für Joseph Fiennes, den wir nach langer Suche gefunden haben.

BF: Haben sie nach Testvorführungen Ihren Film verändert?

JM: Nein, überhaupt nicht, bis auf eine Szene, die wir zum besseren Verständnis eingefügt haben. Ich hasse Testvorführungen wie die Pest. Kunst kann nie von einer Majorität bestimmt werden; Blockbuster-Movies, die auf ein Massenpublikum ausgerichtet sind, vielleicht. Auf der anderen Seite benütze ich solche Veranstaltungen als Regulativ. Wenn ich mich monatelang mit einem Stoff beschäftige, ist er mir bisins letzte Detail sonnenklar. Das kann aber unter Umständen dazu führen, daß ich den Zuschauer, der sich den Film spontan ansieht, überfordere. Das ist dann nicht seine, sondern meine Schuld. Und hier können Testvorführungen durchaus nützlich sein. Chaplin, die Marx Brothers, Orson Welles - sie alle haben ihre Filme vorher getestet.

BF: Aber nicht vor einer Focus Group.

JM: Das ist richtig. Aber was soll man machen? Ich versuche mich diesen Dingen zu stellen, ohne meine künstlerische Integrität zu verlieren. Und auch diesmal habe ich von Miramax - wie schon bei "Ihre Majestät Mrs. Brown" - volle Rückendeckung erhalten. Harvey und Bob Weinstein geht es in erster Linie um Kunst und nicht um Kommerz.

Regisseur John Madden zu 'Shakespeare in Love'