Blickpunkt:Film

Kino

Blickpunkt:Film: Was erwarten Sie sich von der Präsentation von "Sophiiiie!" im Wettbewerb von Locarno?

Michael Hofmann: Wir haben den Film auf DV-Cam gedreht, einem besseren Hobby-Format, und haben uns sehr große Mühe mit dem Transfer des Videobilds auf 35 Millimeter gegeben. Dennoch ist der Sprung auf die riesige Leinwand von Locarno gewaltig. Ich bin speziell gespannt, wie die dort zahlreichen Italiener "Sophiiiie!" aufnehmen werden, die vielleicht spontaner als hierzulande reagieren. Wir sind auf ziemlich viele Festivals eingeladen worden, was mich sehr freut, weil das heißt, dass "Sophiiiie!" Ländergrenzen überwindet.

BF: In München wurde "Sophiiiie!" sehr unterschiedlich aufgenommen. Es gab zwei Förderpreise, aber auch Kritik.

MH: Ich denke, das geht nicht anders. Man muss sich darüber im Klaren sein, wenn man einen solchen Film macht, der eine sehr starke Handschrift hat, der keine Kompromisse eingeht. Ich will nicht sagen "radikal". Ich setze mich ja nicht hin und sage, ich möchte einen radikalen Film machen, Leute schockieren, ich habe einfach konsequent meine Vision umgesetzt. Und solange es Leute gibt, die den Film sehr gut finden, kann ich damit leben, dass andere sehr negativ reagieren. [Chris Kraus](/person/chris-kraus), der Regisseur von "[Scherbentanz](/movie/scherbentanz)", hat mir z.B. gratuliert und einen schönen Satz gesagt: "Es ist ein Film über einen Augenaufschlag."

BF: Schon der Entstehungsprozess war nicht einfach, auch bei der Filmförderung stieß er auf unterschiedliche Meinungen.

MH: Wir haben "Sophiiiie!" nur bei der [FilmFörderung Hamburg](/company/filmfoerderung-hamburg) eingereicht und dort in [Marieanne Bergmann](/person/marieanne-bergmann) den wichtigsten Geburtshelfer gefunden. Die Filmförderung Hamburg hat das Projekt in allen Phasen entscheidend unterstützt, auch als fünf Tage vor Drehbeginn [Helkon](/company/helkon-media-ag-ii) abgesprungen ist, wodurch uns mehr als 50 Prozent des Budgets wegbrachen. Wir warten gerade mit Freude auf den Prozesstermin im Herbst. Die Rettung war ein kleines Wunder. Erst ist Spiel.Film mit 300.000 Mark eingestiegen. Dann, einen Tag bevor das Projekt gestorben wäre, sind wir unangemeldet zum [SWR](/company/suedwestrundfunk-swr) geflogen. Das ist schon Legende. Wir wurden von der Redakteurin [Saskia von Sanden](/person/saskia-von-sanden) in ein leeres Büro gesetzt und sind nicht eher gegangen, bis [Dietrich Mack](/person/dr-dietrich-mack) am Abend unterschrieben hat. Das war eine echte Wiedergeburt.

BF: Der Einsatz von DV war also von vornherein geplant?

MH: Der Film hat eine sehr emotionale Geschichte, bei der man ganz nah dran sein muss, und die wir so authentisch wie möglich machen wollten. Und bei so einem kleinen Budget ist nur DV möglich. Die Schauspieler haben so volle Bewegungsfreiheit, die Kamera reagiert auf sie und fängt die Emotionen ein. Bei der Szene etwa, in der Sophie morgens blutverschmiert mit zerrissenem Kleid durch die Straßen läuft, hatten wir die Kamera in einem Rucksack versteckt und mein erster Kameramann Chris Rowe lief voraus und bekam das Bild über eine Videobrille eingespiegelt. Das heißt, keiner der Passanten hat gesehen, dass gedreht wurde, weswegen die Szene so dokumentarisch ist. Mir war wichtig, dass es kein Fake ist.

Wiedergeburt in leerem Büro des SWR

BF: Haben Sie improvisiert?

MH: Wir haben vor den Dreharbeiten die sechs Hauptszenen geprobt und dabei viel improvisiert. Während des Drehs selbst haben wir nicht so viel improvisiert. Da haben wir die Hauptszenen als zehnminütige Plansequenzen mit zwei Kameras gedreht. Und wir haben sie nie mehr als drei oder vier Mal wiederholt.

BF: Wie kamen Sie auf eine solche Geschichte, die man eher von einer Frau erwarten würde?

MH: Manchmal ist es so, dass gerade das, was am weitesten von einem entfernt ist, einen besserer Blickwinkel ermöglicht als aus der Nähe. Ich fand es sehr spannend, mich als Mann in eine Frau hineinzuversetzen. Das Buch hat sich sehr schnell, in drei, vier Wochen, geschrieben. Ich hatte die Kernidee von einer Freundin, der etwas ähnliches passiert ist, und habe sie weitergesponnen. Wir haben dann die erste Fassung gefilmt. Ich habe im Vorfeld zwar mit vielen Leuten gesprochen - alle meinten, tolle Geschichte, aber so kann man das nicht machen, man müsste mehr erklären und die harten Szenen abmildern. Aber wenn man konventioneller wird und die Vorgeschichte erzählt, verliert der Film seine Wucht, dann wäre er in Richtung Fernsehen gegangen. Wir hoffen, dass die Leute beeindruckt sind, dass sie dranbleiben.

BF: Wie verlief die Zusammenarbeit mit der jungen Hauptdarstellerin?

MH: Wir haben uns gegenseitig sehr vertraut. Für sie war der Film auch ein großes Risiko, sie musste einfach alles geben. Katharina hat unheimlich viel Kraft und ist sehr weit für ihr Alter - und sie hat, was das Allerwichtigste ist, unglaublich viel Talent.

BF: Was kommt als Nächstes?

MH: Der nächste Film ist ganz anders. Das einzig Radikale, was da passiert, ist ein Kuss am Schluss. Es ist eine Liebesgeschichte zwischen einem dicken Koch und einer verheirateten Frau in einem badischen Kurort, sehr story- und schauspielfixiert. Die [MFG](/company/mfg-medien-und-filmgesellschaft-baden-wuerttemberg) hat das Drehbuch gefördert und der SWR mag das Buch. Es ist eine tolle Herausforderung, einen leisen Film zu machen, der einen aber genauso in den Bann ziehen muss.

Regisseur Michael Hofmann zu "Sophiiie!"