Blickpunkt:Film

Kino

Blickpunkt:Film: Filme, die auf dem Wasser spielen, haben häufig eine chaotische Produktionsgeschichte. Hatten Sie Angst, dass Ihnen so etwas passieren könnte?

Peter Weir: Natürlich hatte ich meine Bedenken. Aber ich hatte schon von vornherein alle Bücher über Dreharbeiten auf dem Meer gelesen, von [John Hustons](/person/john-huston) "[Moby Dick](/movie/moby-dick)" bis hin zu "[Der weiße Hai](/movie/der-weisse-hai)". Ich wusste, das Hauptproblem bestand darin, dass man auf hoher See nicht lange drehen kann. Es braucht einige Zeit, um das Schiff in die richtige Position zu bekommen. Und niemand funktioniert mit der gleichen Effizienz wie an Land. Deshalb haben wir uns entschlossen, 90 Prozent des Films im Tank in den Baja Studios in Mexiko zu realisieren.

Authentizität war ausschlaggebend

BF: Ein Seeabenteuer ist eigentlich ein eher untypisches Projekt für Sie.

PW: Ich muss selbst noch analysieren, warum ich mir dieses Sujet ausgesucht habe. Das kann ich erst beurteilen, wenn ich den Film fertig vor mir sehe. Ich hatte natürlich viele Seefahrerromane gelesen. Ich schätze die Bücher von Patrick O'Brian, auf denen "Master and Commander" beruht. Vor allem, weil sie das Marineleben äußerst authentisch wiedergeben. Eine Abenteuergeschichte über den Kampf Gut gegen Böse hätte mich nie interessiert.

BF: Aber muss ein 135-Mio.-Dollar-Film nicht mit solchen Klischees arbeiten, um das größtmögliche Publikum zu erreichen?

PW: Ich hatte das Glück, dass der Studiovorsitzende Tom Rothman meine Vision voll unterstützte. Ohne seinen Enthusiasmus wäre das ganze Projekt überhaupt nicht zustande gekommen.

BF: Fox kaufte dafür sogar das Schulschiff HMS Rose, die Nachbildung einer Fregatte aus dem 19. Jahrhundert, und organisierte einen Dreh auf den Galapagos-Inseln. War der Aufwand nötig?

PW: Dieser Film soll dem Zuschauer die Erfahrung der Schifffahrt so intensiv wie möglich vermitteln. Deshalb musste das Gezeigte authentisch und historisch detailgetreu sein.

BF: Früher waren die Dreharbeiten für historische Epen enorm zeitaufwändig. Könnte ein Film wie "[Lawrence von Arabien](/movie/lawrence-von-arabien)" noch unter den heutigen Bedingungen entstehen?

PW: [David Lean](/person/david-lean) hätte sicher heute mehr Schwierigkeiten. Aber damals hat man es ihm auch nicht gerade leicht gemacht. Ich denke, jetzt würde man so einen Film anders realisieren. Zunächst gäbe es einen Dreh vor Ort, und für die restlichen Aufnahmen würde man Computereffekte einsetzen.

BF: Ursprünglich war der Filmstart für den Sommer angesetzt. War die Produktion doch schwieriger, als Sie dachten?

PW: Es war nicht der Dreh, sondern die Postproduktion. Wir hatten die Anzahl der Effekteinstellungen zu optimistisch eingeschätzt. Tatsächlich war sie doppelt so hoch. Ich erklärte das dem Studio. Dort war man natürlich enttäuscht, weil man ein optimales Startwochenende gefunden hatte. Aber ich hatte von vornherein gewarnt: Wenn ich es nicht bis zum Sommer schaffe, lasse ich es euch wissen.

BF: Sie brauchten nur zwei Jahre für das Drehbuch und die Vorproduktion. Reicht diese Zeit tatsächlich, um so ein Projekt zur Drehreife zu bringen?

PW: Für mich war die Zeit gerade ausreichend. Hätte ich mehr gehabt, wäre ich Gefahr gelaufen, mich zu sehr in historischen Recherchen zu verlieren.

BF: Offenbar haben Sie jetzt Ihren Appetit für Historisches entdeckt. Gerade verhandeln Sie mit [Tom Cruises](/person/tom-cruise) Firma, die Regie von "War Magician" zu übernehmen.

PW: Aber das ist eine ganz andere Geschichte, ohne die epischen Dimensionen. Sie handelt von einem Zauberer, der während des Nordafrika-Feldzugs die Nazis mit seinen Tarnungstricks irreführt. Amüsanterweise wird in den Räumen nebenan gerade der Ton für "Der letzte Samurai" gemischt. Da können wir uns regelmäßig austauschen.

BF: Haben Sie eine Erklärung, weshalb Hollywood das Genre Historienabenteuer wieder ausgegraben hat?

PW: Der Erfolg von "[Gladiator](/movie/gladiator)" war sicher ein Grund dafür. Aber es scheint in der westlichen Gesellschaft das Bedürfnis zu existieren, auf einen anderen
Typ von Männlichkeit zurückzuschauen. Denn letztlich ist das doch ein Thema von Filmen dieser Art: Was heißt es, ein Mann zu sein?

Regisseur Peter Weir über "Master and Commander"