Blickpunkt:Film

Kino

Blickpunkt:Film: Sie stechen in ein Wespennest, das Thema Berühmtsein in Amerika erhält durch die Lewinsky-Affäre zusätzliche Brisanz.

Woody Allen: Diese Dame repräsentiert genau die Art von Berühmtheit, um die es in meinem Film geht. Oraler Sex mit Mr. President - und schwupp ist man berühmt. Die Medienmaschine dreht sich immer schneller. Heute Star und Medien-Event, morgen Absturz ins Nichts. Der ganze Hype begann mit dem O.J.-Simpson-Prozeß. Seine Anwälte haben inzwischen ihre eigenen TV-Shows. Wir leben in einer verrückten Welt.

BF: Wie gehen Sie mit Ihrer eigenen Berühmtheit um?

Woody Allen: Am Anfang denkt man, Klasse, ich treffe schöne Frauen, tolle Leute, gehe auf wilde Parties. Aber dann merkt man die Kehrseite. Man hat zwar Privilegien, aber kein Privatleben mehr. Den Preis muß man zahlen. Die Paparazzi, die einem ungeniert hinterherhecheln, die Reporter, die sich schamlos Sensationsgeschichten aus den Fingern saugen, das nervt. Aber es gibt Schlimmeres, als berühmt zu sein.

BF: Wieviel Woody Allen steckt in den Protagonisten Ihrer Filme?

Woody Allen: Seit Jahren versuche ich, dieses Mißverständnis aufzuklären, ich sei mit meinen Filmfiguren identisch. Ich erzähle fiktionale Geschichten, aber nicht mein Leben. Es gibt Ähnlichkeiten zwischen mir und den Charakteren, das ist alles. Oder glauben Sie, ich besuche nachts wie "Harry außer sich" Prostituierte oder laufe wie Simon in "Celebrity" jedem Rock hinterher?

BF: Wird es Ihnen nie langweilig, jedes Jahr einen Film zu machen?

Woody Allen: Einen Film herzustellen, ist eine Mischung aus Unterhaltung und Routine, so etwas wie ein Lebenselixier für mich. Sonst würde ich wahrscheinlich über den Sinn des Lebens grübeln und mir tiefschürfende Fragen stellen, ohne je eine Antwort zu finden. Das ständige Arbeiten schützt mich vor Depressionen. Patienten in der Psychiatrie gibt man auch eine Beschäftigung. Einen Film zu drehen, ist Arbeitstherapie für mich. Wenn ich untätig herumsitze, bin ich traurig. Ich habe meinen Rhythmus gefunden. Ein Film pro Jahr halte ich für keine große Sache.

BF: Was waren die größten Veränderungen in Ihrer Karriere?

Woody Allen: Als ich vor 30 Jahren als Regisseur begann, existierte noch eine Nische für kleine und seriöse Filme. In New York war das europäische Kino präsent mit ,  oder . Das ist vorbei. Heute herrscht der pure Kommerz. In den Kinos laufen nur noch Big-Money-Movies voller Spezialeffekte und dummer Witze, hirnlose Komödien, Abenteuerschinken oder Sequels. Manchmal fühle ich mich sehr allein. Ich möchte in einer Künstler-Kommune arbeiten, mit Martin Scorsese oder Alain Resnais Erfahrungen austauschen und Filme drehen.

BF: Haben Sie noch Träume?

Woody Allen: Ich arbeite hart, habe gute Filme gemacht, aber keinen ganz großen. Das ist ein Unterschied. Ich möchte in die Nähe von Kurosawa oder Bergman kommen. Oder ein Meisterwerk wie Vittorio de Sicas "Fahrraddiebe" schaffen. Es gibt Zeiten, da verliere ich Selbstbewußtsein, Mut und Motivation, frage mich al-len Ernstes, ob ich nicht meine Energien als Regisseur vergeude. Ob ich nicht ein Buch schreiben oder Theater inszenieren soll. Dann kommt plötzlich das Selbstvertrauen wieder zurück und ich glaube wieder fest an mich und daran, daß dieser große Film irgendwann passiert.

BF: Und Ihr Traum von einem Jazzmusical?

Woody Allen: Der liegt noch auf Eis. Aber ich habe gerade einen Liebesfilm aus den dreißiger Jahren mit Sean Penn beendet. Er spielt einen Jazzmusiker. Ein Stückchen Traum wird somit wahr.

BF: Wie haben Sie es geschafft, sich von Hollywood nicht vereinnahmen zu lassen?

Woody Allen: New York und Los Angeles liegen 3000 Meilen voneinander entfernt. Ich habe keine Verbindungen zu den großen Studios, sie interessieren mich nicht und ich interessiere sie nicht. In den letzten 20 Jahren verbrachte ich zwei Tage in Hollywood. Ich mache kleine Filme, die in Amerika kaum jemand sehen will.

Regisseur Woody Allen zu 'Celebrity'