Blickpunkt:Film

Kino

Blickpunkt:Film: Diesmal sind die Nebenrollen prominent besetzt, die Hauptrolle dagegen mit einem Newcomer. Birgt das nicht ein gewisses Risiko?

Stefan Ruzowitzky: Doch, aber es entsprach unserem Konzept, denn es passt zur Geschichte: Ein Neuling will hineinkommen in die Clique der Jungstars an der Klinik. Das ergibt besetzungstechnisch eine schöne Parallele. Das Risiko ist mehr ein vermarktungstechnisches, denn wir waren uns über die schauspielerischen Qualitäten von [Barnaby Metschurat](/person/barnaby-metschurat) sicher. Wir haben zwar Testaufnahmen gemacht, die aber eher dazu dienten, meine Entscheidung zu legitimieren. Wir haben mit den Endkandidaten dieselbe Szene gefilmt und beim Zielpublikum mittels Fragebögen abgefragt. Und da schnitt Barnaby am besten ab.

"Trademark für spannende Unterhaltung"

BF: "Anatomie 2" ist nicht das typische Sequel, sondern enthält viele neue Elemente.

SR: Es ist eine Mischung. Was ich nicht wollte: Es sollte kein Sequel im amerikanischen Sinne werden, bei dem man sich möglichst nah am ersten Teil orientiert und nur noch variiert, um damit, nach Hollywood-Rechnung, noch mal 60 Prozent des Vorgängers einzuspielen. Mich hat das Projekt nur gereizt, weil ich die Möglichkeit hatte, etwas anderes zu machen. Das ist kein klassischer Gothic-Horror-Teenie-Stoff wie der erste Teil, sondern mehr Psychothriller und Action. Wir haben einen anderen Zugang gewählt, aber "Anatomie" als Trademark für spannendes Unterhaltung erhalten.

BF: Drei Jahre liegen zwischen den Filmen. Ist das nicht eine zu lange Zeit?

SR: Das sind eher strategisch-marketingtechnische Überlegungen. Die Frage habe ich mir nicht gestellt.

BF: Wie lief die Zusammenarbeit mit den USA, inwieweit wurde Einfluss genommen?

SR: Um einiges mehr als beim ersten Teil. Und das funktioniert subtiler, als man sich das gemeinhin vorstellt. Es wäre einfacher, wenn das Klischee des geldgierigen Hollywood-Produzenten stimmen würde, der einem armen europäischen Künstler sein Werk kaputt machen will: Gegen den könnte man mit aller Kraft kämpfen. So ist das aber nicht. Es sind nette, kompetente Menschen, die auch nur einen qualitativ hochwertigen Film machen wollen. Aber es ist ein Problem, wenn man sehr viel Einfluss und Druck ausgesetzt ist. Die Hauptschwierigkeit dabei ist, im Auge zu behalten, wo man selbst eigentlich hin wollte. Aber so funktioniert nun ein-mal Kino im Hochbudget-Mainstream-Bereich - wenn ich einen Arthouse/ Dogma Film für zwei Mio. drehe, ist das anders.

BF: Würden Sie sich wieder darauf einlassen?

SR: Für mich ist es immer noch interessant, damit umgehen zu lernen. Aus diesen Mechanismen, die ich diesmal deutlicher zu spüren bekommen habe, kann man auch einen Vorteil ziehen. Es ist auch nicht so, dass man unter Einsatz der Final-Cut-Keule zu Änderungen gezwungen wird, sondern es wird sogar ein gewisser Widerstand erwartet. Man kann argumentieren und kämpfen, um etwas durchzusetzen. Das kann sehr konstruktiv sein - es kann aber auch zu unbefriedigenden Kompromissen führen.

BF: Sind Sie mit dem Endergebnis zufrieden?

SR: Das ist noch zu nah dran, das kann ich noch nicht wirklich beurteilen. Manche Sachen finde ich sehr schön, und andere sind nicht so aufgegangen, wie ich das erhofft hätte.

BF: Warum hat es dieses Genre in Deuschland schwer?

SR: Das Genre durchzusetzen, ist nicht das Problem. "Anatomie" war die erste deutsche Genre-Produktion, die funktioniert hat, Filme wie "[Das Experiment](/movie/das-experiment_4)" folgten. Ich meine, dass europäische Filmemacher es schaffen müssen, auch Publikumsfilme und wirkliches Entertainment zu machen. Es ist eine schreckliche, von Kritikern und Politikern gestützte Tendenz, das europäische Kino auf Arthouse zu reduzie-ren. Es muss das ganze Spektrum geben.

BF: Gibt es einen dritten Teil?

SR: Wenn das Konzept von "Anatomie" so bleibt, dass jedes Mal etwas anderes erzählt wird und das verbindende Element intelligente, spannende deutsche Unterhaltung ist, dann gern. Aber ein Abklatsch-Sequel reizt mich immer noch nicht.

Stefan Ruzowitzky zu "Anatomie 2": "Ein Abklatsch-Sequel reizt mich nicht"