Blickpunkt:Film

Kino

Blickpunkt:Film: Haben Sie vor den Dreharbeiten an ein weinendes Kamel geglaubt?


Tobias Siebert: Byambasuren Davaa erzählte mir von der Legende und meine Fantasie sprang sofort an. Es passieren jeden Tag Wunder, die man nur schwer versteht. Aber als ich die Kameltränen kullern sah, war ich geplättet.


 BF: Wie haben Sie das Projekt finanzieren können?


TS: Die HFF ist als Hauptproduzent dabei. Ich habe als Produktionsstudent das Projekt betreut und zusammen mit der HFF den [FFF Bayern](/company/filmfernsehfonds-bayern) und den [BR](/company/bayerischer-rundfunk-br) mit ins Boot gebracht. Bei einem Budget von 200.000 Euro konnte ich privat die Sache nicht stemmen. Das Projekt war mit hohen Risiken, auch finanziellen, behaftet.


 BF: Was war Ihrer Ansicht nach der Hauptknackpunkt?


TS: Wie bei jedem Dokumentarfilm konnten wir nur relativ begrenzt planen, mussten uns auf ein Abenteuer einlassen und lebten ständig mit dem schlechten Gewissen, gerade die tollsten Takes zu verpassen. Da passierte es schon, dass ein Kamel von der Herde weglief und sich die Nomadenfamilie auf die Suche begab, ohne uns ein Wort zu sagen. Sechs von sieben Wochen Drehzeit verbrachten wir in der Wüste. Unerträglich die Wetterbedingungen mit Temperaturstürzen von 20 Grad plus auf minus 20 Grad mit Schnee-


fällen.


 BF: Wie gestaltete sich die Aufteilung der Arbeit?


TS: Bei einem Miniteam von sechs Leuten muss jeder mit anpacken. Luigi Falorni hat Regie und Kamera gemacht, Baymbasuren Davaa Regie und die ganze Kommunikation, die Regieassistentin kam aus Holland, der Tonmann aus Weimar und der Kameraassistent aus München. Das war's. Ich habe mich um Licht gekümmert und den Ton, als unser Tonmeister krank danieder lag. Auch ein Regisseur muss in solchen Situationen das Lichtequipment schleppen. Zusätzlich konnten wir auf einheimische Kräfte wie Fahrer oder Koch zurückgreifen.


 BF: Warum sind einige Szenen inszeniert?


TS: Wir sehen uns in der Tradition von [Robert J. Flaherty](/person/robert-j-flaherty), das heißt: Alles ist insofern echt, als es passiert ist. Szenen wie mit den Kamelen kann man nicht inszenieren. Die verbindenden Elemente sind angestoßen. So baten wir die Mutter, ein Schlaflied für den Sohn zu singen, aber ohne weitere Vorgaben. Die Geschichte mit der Satellitenschüssel ist so passiert, aber nicht zu dem Zeitpunkt, sondern ein Jahr zuvor. Wir haben sie unter aktuellem Bezug nachgestellt. Das Problem existiert noch immer. Das Treatment stand, wurde aber jeden Abend aktualisiert. Uns fehlte das große Geld, deshalb mussten wir sparen. Das Drehverhältnis ist nicht 1:30, sondern 1:6.


Drehverhältnis von 1:6


 BF: Können Sie eigentlich noch zählen, in wie viele Länder Ihr Film verkauft wurde?


TS: Inzwischen in alle wichtigen Territorien, u.a. nach Frankreich, die USA, Kanada, Norwegen oder Benelux. Es herrscht weltweit Interesse. Und es gibt Vorverträge mit Thailand, Australien oder Israel. Es war der absolute Wahnsinn. Nach dem Filmfest München sprach uns der Weltvertrieb [Menemsha](/company/atrix-films) aus Los Angeles an, die eine Niederlassung in München betreiben. Bei diesem Partner mit Schwerpunkt Arthouse-Filme fühlten wir uns sofort gut aufgehoben. Den letzten Kick gab dann das Festival von Toronto mit ausverkauften Vorstellungen.


 BF: Die Mongolei hat Ihren Film für den Auslands-Oscar eingereicht. Wie haben Sie das gedeichselt?


TS: Ganz einfach. Nach Toronto haben wir eine Anfrage per E-Mail an das mongolische Auswahlkomitee geschickt und als dessen Mitglieder den Film befürworteten, einen Start in der Mongolei organisiert. Es ist übrigens das erste Mal, dass die Mongolei einen Film für den Oscar vorgeschlagen hat.


 BF: Sie sind jetzt vom Erfolg verwöhnt. Wie geht's weiter?


TS: Natürlich kann ich nach dem Studium als freier Produzent nicht mit großen Firmen konkurrieren. Aber ich schwöre Ihnen, ich nutze die Chance, keine 08/15-Filme zu produzieren - trotz moderatem Budget. Natürlich brauche ich Glück, aber das brauche ich bei einem Fünf-Mio.-Projekt auch. Nur stehe ich da unter größerem Druck. Wenn 20.000 Zuschauer in Deutschland unseren Film sehen, betrachte ich das als Erfolg. Die Relation muss stimmen. Die Güte eines Films hängt nicht vom Budget ab, sondern auch davon, wie viel Liebe und Herz man hineinsteckt.

Tobias Siebert zur "Geschichte vom weinenden Kamel"