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Kino

Blickpunkt:Film: War "Das fliegende Klassenzimmer" nach dem Erfolg der ersten Kästner-Adaptionen eine sichere Bank?

Tomy Wiegand: Schön wär's! Der Erfolg der Vorgänger erhöht eher den Druck. Das spornt mich noch mehr an. Ich wollte mich die anderen Filme aber nicht nachmachen. Das wichtigste bei jedem Film ist, ihn so zu machen, wie ich ihn mir vorstelle - und nicht nur dem Bild der Produzenten zu entsprechen.

BF: Aber Sie haben sich die beiden Vorgänger angesehen?

TW: Sicher. Viel wichtiger waren für mich die "[Das fliegende Klassenzimmer](/movie/das-fliegende-klassenzimmer)"-Verfilmungen von 1954 mit [Paul Dahlke](/person/paul-dahlke) und aus dem [Siebzigern](/movie/das-fliegende-klassenzimmer_4) mit [Joachim Fuchsberger](/person/joachim-fuchsberger). Daran muss man sich messen lassen. Die Kinder werden vom Roman ausgehen, viele Eltern von den anderen Filmen. Ich habe immer an Kinder und Eltern zugleich gedacht. "Das fliegende Klassenzimmer" ist nicht nur ein Kinderbuch. Darin geht es um Zivilcourage und Moral - letztlich um unsere Existenz.

BF: Wieder wurde die Geschichte vorsichtig modernisiert, u.a. wurde wie bei "Emil und die Detektive" eine starke Mädchenfigur eingebaut.

TW: Das war mir wichtig, sollte sich aber auch harmonisch aus dem Stoff heraus ergeben. Das ist uns gelungen - was auch an der Vilsmaierin liegt, die diese Stärke der Figur mitbringt.

BF: Mit [Theresa Vilsmaier](/person/theresa-vilsmaier), der Tochter von Regisseur [Joseph Vilsmaier](/person/joseph-vilsmaier) und Schauspielerin [Dana Vávrová](/person/dana-vavrova), und Hans Broich-Wuttke, dem Sohn von Schauspieler [Martin Wuttke](/person/martin-wuttke), hatten Sie zwei Film-Kinder an Bord.

TW: Hans war eigentlich zu jung. Das war aber gerade gut, denn er hat - durch seine Eltern wahrscheinlich - so eine Power mitbekommen! Wenn er auf den Tisch steigt und sich dagegen wehrt, das er nicht ernst genommen wird - eine super Leistung. Bei Teresa ist gut, dass sie so eine freche Mutter und so einen Vater hat, die weiß, was sie will und das wirkt sich auch aus. Sonst hätte sie nicht den Jungs im Film so selbstbewusst gegenüberstehen können. Das hat mich an Teresa immer fasziniert. Sie hat dieses "Ich lass mir von dir überhaupt nichts sagen" (lacht). Aber eigentlich waren die beiden genauso wie die anderen Kinder.

BF: Wie war es für Sie, erstmals mit Kindern und Jugendlichen zu arbeiten?

TW: Bei "[Fußball ist unser Leben](/movie/fussball-ist-unser-leben)" hatte ich auch so eine Truppe von fünf Jungs, das war letztlich genau das gleiche. Dadurch hatte ich ein gutes Training. Wichtig ist, den Schauspielern und dem Team die Lust an dem Film immer wieder zu zeigen - das kann ich als Regisseur ganz gut, weil ich selbst Lust darauf habe und bis zum Ende in den Film verliebt bin.

BF: Wie lange haben Sie gecastet?

TW: Insgesamt ein Jahr. Für mich war nicht nur wichtig, sehr starke Typen zu haben, sondern eine Gruppe, die sich versteht und gut zusammen passt.

BF: Wurden die erwachsenen Schauspieler auch gecastet?

TW: Nein. Es war trotzdem ein längerer Prozess, weil wir erstden richtigen "Justus" finden mussten. Erst als [Ulrich Noethen](/person/ulrich-noethen) feststand, haben wir [Sebastian Koch](/person/sebastian-koch) als "Nichtraucher" besetzt. Die Rolle des Internats-Leiters mit [Piet Klocke](/person/piet-klocke) zu besetzen, war Uschi Reichs Idee - das fand ich gleich gut.

BF: Mussten Sie den Kabarettisten und Musiker Piet Klocke ab und zu bremsen?

TW: Aber hallo! Das ist klar, so ein Kabarettist möchte, dass der Letzte in der Reihe genauso viel Spaß hat wie alle anderen - und beim Film spielt man nur für die erste Reihe. Da muss man, gerade im Zusammenhang mit den leisen Emotionen, zurückhaltender sein. Ich habe ihm oft auf dem Monitor gezeigt, wie groß manche Geste rüberkam - da musste ich gar nichts mehr sagen. Das war klasse.

BF: Das Theaterstück "Das fliegende Klassenzimmer" spielt innerhalb der Geschichte eine wichtige Rolle. Haben Sie gleich eine Vision gehabt, wie Sie es visuell umsetzen würden?

TW: Ja, dennoch habe ich mit Uschi Reich und Peter Zenk sehr lange darüber geredet. Mich hat die Idee mit dem Thomaner-Chor gereizt, daraus hat sich vieles ergeben. Letztlich ist es an einem bestimmten Punkt egal, wie realistisch oder wie wenig realistisch man ist. Wo die Fantasie der Kinder hingeht, da muss man mitgehen. Wenn das Klassenzimmer am Ende fliegt, dann kann man fragen, ob das sein muss. Ich glaube, das muss sein! Wenn ich mir mit zehn Jahren etwas vorstelle, dann gibt es keine Grenzen. Ich will dann, das es fliegt!

BF: Wie waren die Dreharbeiten im Leipziger Thomaner-Internat?

TW: Leipzig und das Internat waren klasse, ich mag die Stadt. Wir haben allerdings auch außerhalb des Internats viel gedreht, sonst hätten wir dort einen ganzen Flügel lahmlegen müssen. Wir haben Justus' Raum im Studio nachgebaut, genauso wie die Stube und den Schlafraum. Aber wir haben uns an dem Aussehen des Internats orientiert - es ist wirklich so karg. Das hat mir auch gefallen, denn dadurch kommen die inneren Werte, der Gedanke von Freundschaft und Vertrauen, besser zum Ausdruck.

BF: Haben Sie Test-Screenings gemacht?

TW: Ja, mit sehr guten Ergebnissen. Wir waren uns nicht im Klaren darüber, ob die Kinder alles verstehen würden oder ob sie aussteigen, weil es ja doch manchmal ganz schön erwachsen daher kommt. Das war aber überhaupt nicht der Fall.

BF: "Das fliegende Klassenzimmer" ist ein Weihnachtsfilm, er startet jedoch im Januar - vermutlich um der Konkurrenz durch "[Harry Potter](/movie/harry-potter-und-die-kammer-des-schreckens)" und " [Herr der Ringe](/movie/der-herr-der-ringe-die-zwei-tuerme)" aus dem Weg zu gehen. Sind Sie darüber froh?

TW: Diese Filme sind nicht wirklich Konkurrenten - sie sind ganz anders. Aber bei so kopienstarken Filmen bleiben gar nicht genug Kinos für uns übrig. Und, sicher spielt unser Film kurz vor Weihnachten, aber wir haben keinen Weihnachtsfilm daraus gemacht. Ich hätte es auch nicht gut gefunden, wenn alles mit Weihnachtsdekoration zugekleistert wäre. Es geht eher um die Gefühle, die sich an Weihnachten bei uns einstellen, das man irgendwo hingehört, zu einer Familie oder zu einer Gruppe, - das sagt der Film aus und das erzählt sich im Januar noch genauso.

BF: Was war "Fußball ist unser Leben" für eine Erfahrung für Sie? War das Hin und Her zwischen Kino und Fernsehen ein Wechselbad der Gefühle?

TW: Ja, das war schon schlimm, vor allem, weil der Film ursprünglich für das Kino geplant war. Dann ging es nicht, beim Drehen wollte ich aber immer einen Film machen, der auch auf der Leinwand zu sehen ist und beim Screening waren alle begeistert und haben auch darin einen Kinofilm gesehen. Dieses Wechselbad der Gefühle ist für mich ganz gut, denn ich stelle mich dadurch immer in Frage. Für mich war der Film erfolgreich. Er hatte 120.000 Zuschauer, das ist nicht sehr viel, aber für mich war es toll, dass er so eine Resonanz hatte und überhaupt im Kino lief. Mir hat der Film Glück gebracht: Über Nacht kannte mich fast jeder als Regisseur. Das war für mich eine super Werbung.

BF: Sie waren früher als Cutter tätig, verantworteten u.a. den Schnitt bei [Roland Emmerichs](/person/roland-emmerich) "[Das Arche Noah-Prinzip](/movie/das-arche-noah-prinzip)" und "[Moon 44](/movie/moon-44)". Welche Einfluss hat diese Tätigkeit auf Ihr Arbeit als Regisseur?

TW: Wenn ich am Drehort stehe, gebe ich mich nicht so schnell zufrieden, weil der Cutter in mir weiß, welche Einstellungen im Schnitt fehlen werden. Insofern hat es mir immer viel gebracht. Seit sechs Filmen arbeite ich mit Cutter Christian Nauheimer zusammen, und bin total zufrieden, weil er den gleichen Anspruch hat wie ich. Ich bin als Regisseur nie allein. Ich habe ein Team, das manchmal ziemlich gute Ideen hat und ich wäre doof, wenn ich die nicht nehmen würde.

BF: Sie haben bis 2000 TV-Filme wie "Picknick im Schnee" und "[Nicht heulen, Husky](/movie/nicht-heulen-husky)" inszeniert. Wollen Sie sich in Zukunft auf die Arbeit für das Kino konzentrieren?

TW: Ich möchte arbeiten und Geschichten erzählen. Wenn ein TV-Film daher kommt, bei dem mir die Geschichte gefällt, dann arbeite ich eben wieder für das Fernsehen.

BF: Haben Sie schon ein neues Projekt?

TW: In der schwarzen Kino-Komödie "Polly Pin" will ich die Geschichte einer jungen Kriminellen erzählen, die zum zweiten Mal aus dem Gefängnis kommt und sich in Freiheit behaupten muss. Sie nimmt sich eine neue Arbeit, eine neue Wohnung und verliebt sich in zwei sehr unterschiedliche Typen. Der eine ist ein Verführer aus der alten Vergangenheit und der andere ein Polizist. Am Ende muss sie sich entscheiden, und sie entscheidet sich für sich selbst. Das reizt mich, weil ich die Figur interessant finde und, obwohl es unter Kleinkriminellen spielt, eine sehr moralische Geschichte ist.

Tomy Wiegand zu "Das fliegende Klassenzimmer"