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Kino

Mit seinen "Männerherzen"-Filmen landete [Simon Verhoeven](/person/simon-verhoeven) zwei Kinohits in Folge. Jetzt kommt sein neuer Film in die Kinos: "[Unfriend](/movie/unfriend)" - ein Horrorfilm, den er in Südafrika in englischer Sprache gedreht hat. Im Interview erzählt Verhoeven, dass Deutschland sich schwer mit Genrekino tut und warum er dennoch an seinen Stoff geglaubt hat.


Nach dem zweiten "Männerherzen"-Film wollten Sie einen Film über Hexen machen. Ist "Unfriend" das Ergebnis?


"Unfriend" geht eher auf meine Begeisterung für das Horrorgenre zurück, die bis in meine Kindheit zurückreicht. Ich habe schon als Junge Gruselgeschichten und Grimms Märchen geliebt; alles, was mit Hexen und dunklen Wäldern zu tun hat, fand ich faszinierend. Dieses Interesse hat mich eigentlich nie verlassen. Schon vor "Männerherzen" habe ich versucht, Drehbücher für Horrorstoffe zu schreiben, wie auch für alle möglichen anderen Genres. Dass dann "Männerherzen" der Stoff war, den ich realisieren konnte, war Zufall. Man wird schnell in eine Schublade gesteckt. So sehr ich die Komödie mag, habe ich mich nach den beiden ­Filmen dennoch nicht als Komödienregisseur empfunden. Ich will als Filmemacher unterschiedliche Dinge ausprobieren.


Was gab den Ausschlag für "Unfriend"?


Ein Freund von mir war gestorben, seine Seite auf Facebook wurde aber von anderen immer noch weiter gepflegt, wie das heute häufig der Fall ist. Ich erhielt also weiterhin Nachrichten von ihm, obwohl er gar nicht mehr am Leben war. Daraus entwickelte sich der Gedanke, was wohl sein würde, wenn Tote tatsächlich über Facebook mit anderen Menschen Kontakt aufnähmen. Mir erschien das als ausgezeichneter Ausgangspunkt für einen Horrorfilm.


Offene Türen rennt man in Deutschland nicht ein, wenn man Horror machen will.


Dabei haben wir in Deutschland eine große Tradition, was finstere und abgründige Stoffe anbetrifft: die Märchen, die schwermütige Romantik, die frühen expressionistischen Klassiker des Horrorfilms. Es ist schade, dass wir uns mit diesem Genre heute so schwertun.


Was Sie allerdings nicht abgeschreckt hat.


Ich bin als Filmemacher nicht unverantwortlich, ich möchte, dass meine Filme ihr Budget wieder einspielen. Und natürlich freue ich mich auch, wenn meine Geschichten von vielen Menschen gesehen werden. Das ist auch der Grund, warum mir schnell klar wurde, dass es nicht zielführend gewesen wäre, den Film in einer deutschen Stadt spielen zu lassen - oder überhaupt auf Deutsch zu drehen. Die Idee eines Facebook-Thrillers ist einfach eine "internationale" Idee, und Horror ist als Genre ideal für eine internationale Auswertung. So entstand der Plan, "Unfriend" mit einem überschaubaren Budget auf englischer Sprache zu machen.


Machte das die Sache einfacher?


Zunächst einmal war es komplizierter, weil das Projekt für Deutschland doch etwas ungewöhnlich war. Man weiß sonst einfach, wie es läuft, und richtet sich entsprechend ein. Im Fall von "Unfriend" mussten wir dagegen alle Abläufe auf den Prüfstand stellen und anders an die Sache herangehen. Meine Produzenten [Quirin Berg](/person/quirin-berg) und [Max Wiedemann](/person/max-wiedemann) haben tolle Arbeit geleistet und mich immer unterstützt, weil ihnen die Überlegung ebenfalls einleuchtete. Auch rückblickend finde ich, dass unsere Entscheidung richtig war.


Von deutscher Seite wurden Sie von der FFA und dem FFF Bayern gefördert.


Den Förderern gefiel der Stoff auf Anhieb. Ich bin mir nicht sicher, ob allen immer klar war, dass es ein lupenreiner Genrefilm werden sollte. Wir ernteten einfach viel Zuspruch für unsere Idee, wobei wir nie vorhatten, einen didaktischen Film über die Gefahren sozialer Netzwerke zu machen. Das ist zwar ein durchaus ernster Aufhänger, aber unser Umgang ist eher spielerisch: "Unfriend" soll unterhalten und spannend sein - wir wollten ein modernes, dunkles Märchen erzählen.


 Sie haben das Drehbuch gemeinsam mit [Philip Koch](/person/philip-koch) geschrieben. Und es gab ursprünglich auch die Überlegung, gemeinsam Regie zu führen.


Philip kannte ich von "Picco", der mir wahn­sinnig gut gefallen hatte. Ich war damals in der Jury, als der Film in Saarbrücken beim Max Ophüls Preis ausgezeichnet wurde. Wir sprachen ihn an, ob er nicht Lust auf "Unfriend" hätte. Ich war zu dieser Zeit auch noch mit einem anderen Projekt beschäftigt, und er arbeitete sich schon einmal in das Thema ein. Die Arbeit mit ihm war eine tolle Erfahrung. Dass es mit einer gemeinsamen Regie allerdings nicht hinhauen würde, wurde uns immer mehr bewusst, je weiter das Projekt voranschritt. Deshalb haben wir uns nach dem Drehbuch einvernehmlich getrennt, und ich habe die Regie übernommen. Und er konnte sich dadurch auf "Outside the Box" konzentrieren.


Warum hat sich die Fertigstellung von "Unfriend" so lange hingezogen? Ein erstes mehrminütiges Promo gab es bereits im Frühjahr 2014 zu sehen.


Zwei Gründe: Zum einen gestaltete sich die Postproduktion mit den vielen Effekten als aufwendiger, als wir es uns vorgestellt hatten, insbesondere die zahllosen Motion Graphics und Animationen auf Facebook. Das war Neuland für uns alle. Es gab keine Infrastruktur, auf die wir hätten bauen können. Wir mussten die Strukturen selbst schaffen. Es war einfach viel Arbeit. Und dann muss ich gestehen, dass uns der amerikanische Film "Unknown User" ein wenig in die Parade fuhr, ein Projekt, das später als unseres entwickelt, aber schneller umgesetzt wurde und uns wegen der ähnlichen Prämisse etwas den Wind aus den Segeln nahm. Obwohl die beiden Filme sonst kaum Gemeinsamkeiten haben, haben wir uns entschlossen, noch ein wenig mit der Auswertung zu warten. Das war die richtige Entscheidung.


Nun steht der Kinostart in Deutschland endlich vor der Tür. Aber wie sieht es mit der internationalen Resonanz aus?


Wir sind sehr glücklich. Die Auslandsverkäufe auf dem AFM waren großartig.


Wird "Unfriend" im Ausland als deutscher Film rezipiert?


Im Gegenteil. Die Leute fallen aus allen Wolken, wenn sie erfahren, dass der Film komplett aus Deutschland heraus entstanden ist. Das freut mich persönlich sehr. "Unfriend" sollte ja explizit nicht aussehen wie ein typisch deutscher Horrorfilm, sondern international wirken.


Dazu tragen auch die englischsprachigen Darsteller bei. Haben Sie gezielt Schauspielerinnen ausgesucht, die man nicht unbedingt mit anderen Rollen identifiziert, die man noch entdecken kann?


Wir haben in Los Angeles viele Schauspielerinnen angesehen, darunter auch einige mit klingendem Namen. Aber das spielt im Horrorgenre eine untergeordnete Rolle. Mir war es wichtig, die richtigen Darsteller zu finden. Und ich finde, dass [Alycia Debnam Carey](/person/alycia-debnam-carey) in der Hauptrolle ein echter Glücksgriff ist. Sie ist perfekt für "Unfriend". Mittlerweile sorgt sie in der Serie "Fear the Walking Dead" für einige Furore. Ich kann mir gut vorstellen, dass sie ein richtiger Star wird.


Wie sieht es mit Ihrer Zukunft als Filme­macher aus. Haben Sie bereits ein neues Projekt im Visier?


Ich arbeite bereits seit einiger Zeit an einer Gesellschaftssatire, die sich mit dem Deutschland des Hier und Jetzt auseinandersetzt. Ein Film über die Absurditäten der Flüchtlingssituation, könnte man sagen. Ich glaube, die Zeiten sind so ernst, dass man da etwas Humor gebrauchen kann.


Sie betrachten "Unfriend" also nicht als ­Visitenkarte für eine Hollywood-Laufbahn? Würde sich das nicht anbieten?


Überhaupt nicht. Wenn ich wirklich in Hollywood hätte Karriere machen wollen, hätte ich nach der Filmschule in Los Angeles bleiben können. Das war nicht mein Traum. Ich habe nicht den Eindruck, dass ich in Hollywood die Gelegenheit bekommen würde, meine Idee von persönlichen Filmen umsetzen zu können. Man kann da handwerklich sicherlich auf dem höchsten Niveau arbeiten, und ich will auch nicht ausschließen, in Zukunft wieder international zu drehen. Aber weil ich meistens meine eigenen Drehbücher verfilme und meine Geschichten oft deutsche Stoffe sind, lassen sich meine Filme natürlich in Deutschland am besten umsetzen. Außerdem leben meine Familie und ich einfach sehr gern hier.


Das Interview führte Thomas Schultze.

"Unfriend": Warum Simon Verhoeven einen Horrorfilm auf englisch gedreht hat