Blickpunkt:Film

Kino

Blickpunkt:Film: Wo lag der Reiz bei dieser Story aus den 60er Jahren?

Wong Kar-Wai: Mich interessiert diese Zeit, auch wenn ich damals noch ein Kind war. Die Handlung spielt in einer Shanghai-Community, bei Einwanderern, die nach 1949 nach Hongkong kamen und ihre eigene Kultur und ihre eigene Sprache mitbrachten, sich von den anderen absonderten. Das ist auch mein familiärer Background. Ich erinnere mich, wie unsere Eltern uns immer alles über die Nachbarn erzählten. Nichts blieb geheim. Inzwischen haben wir keine Nachbarn mehr in Hongkong, sondern nur noch Isolation."Wir suchen Schritt für Schritt, was wir wollen"

BF: Verlangte "In the Mood for Love" eine stärkere Strukturierung als beispielsweise "Happy Together"?

WKW: Erstmals greife ich ein Thema wie Ehe auf. Das erforderte eine sorgfältige und detaillierte Ausarbeitung von Storyline und Charakteren. Aber nichts war definitiv. Ich verlange sehr viel von meinen Schauspielern, gebe ihnen die Möglichkeit zur Improvisation. Die meisten Regisseure wissen schon vor dem ersten Drehtag Anfang, Mitte und Ende des Films. Bei mir ist der Prozess weniger voraussehbar. Wir wissen, was wir nicht wollen, und suchen Schritt für Schritt gemeinsam das, was wir wirklich wollen. Meine Arbeitsweise hat sich nicht geändert, ich möchte mir nur weniger Probleme aufladen und einen Film machen, der mich zufrieden stellt. Geduld ist das wichtigste, man darf keine Entscheidungen vom Zaun brechen.

BF: Warum haben Sie die einzige Sexszene rausgeschnitten?

WKW: Bis eine Woche vor Cannes war die Szene noch im Film. Aber bei der Endmischung versetzte ich mich in den Zuschauer und fand es besser, wenn die körperliche Liebe im Bereich der Imagination bleibt. Der Film transportiert die Gefühle der Protagonisten auch ohne exzessive Liebesszenen.

BF: Warum haben Sie in Bangkok gedreht?

WKW: In Hongkong findet man keine Locations mehr, die an die 60er Jahre erinnern. Außerdem spart man beim Drehen in Thailand Kosten und kann trotzdem auf gute Techniker zurückgreifen. Bei einem Budget von sieben Mio. Dollar halte ich das für einen wichtigen Aspekt.

BF: Seit Ihrem ersten Film setzt Chris Doyle das Licht. Wie würden Sie hier seinen Look beschreiben?

WKW: Als klassisch. Wir arbeiteten diesmal ohne Handkamera. Da Chris Doyle während der neunmonatigen Drehzeit noch andere Verpflichtungen wahrnehmen musste, konnte er nur etwa die Hälfte drehen, und ich musste einen zweiten Kameramann einstellen. Eine zusätzliche Herausforderung.

BF: Was war die größte Herausforderung bei diesem Projekt?

WKW: Es ist der schwierigste Film meiner Karriere. Alles ging schief, sogar die Untertitelung mussten wir zwei Tage vor Festivalbeginn neu machen lassen. Bis zur Fertigstellung des Films dauerte es zwei Jahre.

BF: Wie ist die Situation der Filmindustrie in Hongkong nach dem Anschluss an China?

WKW: Zur Zeit sehe ich keinen großen Unterschied. Nur färbte in den letzten Jahren die ökonomische Krise Asiens auch auf die Filmwirtschaft ab. Statt 100 werden derzeit nur 60 Filme jährlich produziert. Viele erfahrene Filmtechniker wechselten den Job. Nicht selten trifft man einen früheren Kamera- oder Tonmann als Taxifahrer. Ich weiß nicht, wie man die Filmindustrie ohne erfahrene Mitarbeiter wieder in Schwung bringen kann.

BF: Haben Sie auch unter der Krise gelitten?

WKW: Einige der Investoren sprangen plötzlich ab. Wir mussten neue Interessenten finden und warten, dass andere wieder finanziell auf die Füße kamen. Die daraus resultierende Unterbrechung der Dreharbeiten war ein Schock.

"Ich bin noch nicht bereit für Hollywood"


BF: Bei all diesen Problemen: Warum arbeiten Sie nicht in Amerika?

WKW: Ich bin noch nicht bereit und kann mir auch kaum vorstellen, dass Hollywood auf einen Typen wartet, der ohne Skript und ohne detaillierten Plan am Set auftaucht.

BF: Sie stecken schon in der Arbeit für Ihren nächsten Film, "2046"?

WKW: Wir drehten quasi parallel. Wenn ich nach Locations für "2046" suchte, dachte ich sofort, das könnte auch etwas für "In the Mood for Love" sein. Im kommenden September gehen die Dreharbeiten in Korea weiter. Wir stehen unter Zeitdruck, da wir vor dem chinesischen Neujahrsfest im Februar 2001 fertig sein möchten. Es ist ein metaphorischer Film über das Versprechen der chinesischen Regierung, in 50 Jahren eine Änderung herbeizuführen. Die Geschichte spielt zwar in der Zukunft, gehört aber nicht in die Kategorie Science Fiction. Sie basiert auf den drei westlichen Opern "Tannhäuser", "Madame Butterfly" und "Carmen". Erstmals drehe ich in Cinemascope und mit internationaler Besetzung.

Wong Kar-Wai zu "In the Mood for Love'