Blickpunkt:Film

Kino

Vom 25. bis 31. August findet das Oslo Pix Film Festival statt. Gezeigt werden norwegische Werke, aber auch internationale Produktionen wie [„Heldin“](/movie/heldin) oder [Julia Ducournaus](/person/julia-ducournau) [„Alpha“](/movie/alpha_0). Im Interview erzählt Festivalleiterin Johanne Rognlien, was das Festival ausmacht.

**Was macht das Oslo Pix so besonders; inwiefern unterscheidet es sich von anderen Festivals?**

Das Oslo Pix Film Festival ist ein innovatives Festival, das die gesamte Stadt als Bühne nutzt. In den vergangenen Jahren haben wir z.B. Filme auf einem Hoteldach gezeigt, einen „Cinematic Pub Crawl“ veranstaltet, Filme mit Livemusik gezeigt und kulinarische Veranstaltungen organisiert – wie zum Beispiel unser Spaghetti Western in diesem Jahr. Da zeigen wir „The Good, the Bad and the Ugly“ und servieren dazu Spaghetti. 

Wir versuchen uns jedes Jahr neue und überraschende Ideen auszudenken. Natürlich entscheiden auch die Ressourcen, was zustande kommt. Außerdem gibt es wiederkehrende Events und solche, die sich über die Zeit weiterentwickeln. Wir versuchen immer etwas Neues zu bieten, lassen uns aber auch von anderen Festivals inspirieren. Alles, was ich gerade aufgezählt habe, passiert neben dem Hauptteil des Festivals, der in drei Kinos – unseren Hauptpartnern – im Zeitraum von einer Woche stattfindet. Für uns ist es vor allem wichtig, für die ganze Stadt zugänglich zu sein, egal welchen Hintergrund die Menschen haben. Deshalb organisieren wir auch kostenlose Vorführungen, damit jeder die Möglichkeit hat, das Festival zu genießen. 

![„Der schlimmste Mensch der Welt“ wird kostenlos im Open Air-Kino gezeigt/ Bild: Koch/Studiocanal](https://s3.eu-central-1.amazonaws.com/zone.busch.store.image/4ae4f771-f127-4756-8ec3-f758662fe5d1.jpg)

**Sie sprechen es gerade auch schon an: Welchen Stellenwert hat das Oslo Pix für die Stadt Oslo und den norwegischen Film?**

Ich glaube beim Oslo Pix Film Festival geht es darum, die ganze Stadt einzubeziehen und Kino auf neue Arten zugänglich zu machen. Wir zeigen Filme, die in vielen Fällen sonst nie in den norwegischen Kinos laufen würden. Deshalb bieten wir die einzigartige Gelegenheit, sie zusammen auf der großen Leinwand zu erleben. 

Gerade in Zeiten, wo Kinos immer weniger besucht werden, sind Festivals wie unseres umso wichtiger, um die Menschen an die Magie des gemeinsamen Filmeschauens zu erinnern. Indem wir besondere Events schaffen und Menschen zusammenbringen, wollen wir das internationale Kino feiern und die Verbindung zwischen Publikum und Branche stärken. Gleichzeitig hilft das Oslo Pix Film Festival dabei, Oslo als Filmhauptstadt zu etablieren. Indem wir lokale Talente neben globalem Kino zeigen, hoffen wir, Oslo als kulturelles Zentrum und relevanten Treffpunkt für Film hervorzuheben. 

**Das Festival gilt als besonders ans Publikum gerichtete Veranstaltung. Was bietet das Oslo Pix dennoch speziell für die Branche?**

Das Festival hat sich schon immer um das Publikum gedreht, das ist uns immer noch besonders wichtig. Gleichzeitig sind viele Besucher auch Branchen-Profis, da ungefähr 80 Prozent der norwegischen Filmindustrie in und um Oslo basiert ist. Deswegen ist es sinnvoll für uns, auch Programme anzubieten, die speziell die Branche ansprechen. 

Dieses Jahr freuen wir uns besonders darauf, erstmals einen Pitching-Contest zu starten, in dem Filmschaffende die Chance erhalten, neue Projekte vorzustellen und potenzielle Kollaboratoren zu treffen. Wir bieten außerdem Masterclasses an, die allerdings auch für die Öffentlichkeit zugänglich sind. Dadurch ergibt sich eine sehr entspannte, bodenständige Atmosphäre; Profis und Publikum in einem Raum, das ist mehr wie ein informelles Treffen. Wir sehen immer wieder, dass das sehr gut für beide Seiten funktioniert. Es werden Gespräche innerhalb der Branche gefördert, gleichzeitig bekommt das Publikum einen Einblick in die Filmindustrie. So wird das Oslo Pix gleichzeitig eine Feier des Films und ein Treffpunkt. 

![„Sentimental Value“ eröffnet das Festival/ Bild: Christian Belgaux, Plaion Pictures](https://s3.eu-central-1.amazonaws.com/zone.busch.store.image/6268e256-3495-462a-b618-ddafeb43d0c4.jpg)

**Charli XCX hat diesen Sommer kürzlich als [Joachim Trier](/person/joachim-trier)-Sommer ausgerufen. Wie sieht dieser Joachim Trier-Sommer für das Festival aus und wieso haben Sie sich für einen Fokus auf ihn entschieden?**

Joachim Trier ist definitiv einer der wichtigsten norwegischen Regisseure und seine Arbeit hat auch international Spuren hinterlassen. Das Festival mit seinem neuen Film, [„Sentimental Value“](/movie/sentimental-value), zu eröffnen, war ehrlich gesagt ein kleiner Traum für uns – darauf haben wir lange gehofft. Aber uns geht es nicht nur darum, eine neue Veröffentlichung zu feiern. Es geht auch darum, seine ganze Karriere anzuschauen und die Menschen in Norwegen daran zu erinnern, wie bemerkenswert es ist, dass ein Filmschaffender wie er immer noch Filme in Oslo dreht. Seine Arbeit ist sehr an die Stadt gebunden, und wir sind der Meinung, dass Oslo darauf stolz sein sollte. Deshalb wollten wir ihn besonders in den Fokus stellen. Der Stadtrat hat uns sehr dabei unterstützt, besonders mit den Open-Air-Vorführungen seiner Trilogie – das ist eine tolle Möglichkeit, die Filme zurück in die Stadt zu bringen, wo sie hingehören. 

**Norwegische Filme erfreuen sich aktuell großer Beliebtheit: „Sentimental Value“ erhielt den Grand Prix in Cannes, Dag Johan Haugeruds „Oslo Stories: Träume“ gewann den Goldenen Bären auf der Berlinale. Was macht das norwegische Kino in Ihren Augen aktuell so interessant und populär?**

Hm, gute Frage. Ich glaube nicht, dass es darauf die eine Antwort gibt, ich glaube eher es ist eine Mischung aus verschiedenen Dingen. Einerseits haben wir große Filme und Filmschaffende, die das norwegische Kino international bekannt machen. Andererseits gibt es aktuell viele starke Projekte, die auf internationalen Festivals laufen und so das norwegische Kino sichtbar machen – vielleicht mehr denn je. Gerade für Filme, die in Oslo spielen, ist der Oslo Film Fund sehr wichtig. Er macht es möglich hier zu drehen und unterstützt lokale Produktionen. 

Wir bieten außerdem gemeinsam mit der norwegischen Filmakademie das Seminar „What the F**k is International Potential?“ an, in dem es darum geht, wie norwegische Filme ein internationales Publikum erreichen können. Darin teilen Programmer, Sales Agenten und Produzenten ihre Erfahrungen und Erkenntnisse. Gleichzeitig gibt es ein großes Paradoxon: Trotz des Erfolgs, kämpft die Branche. Förderungen sind knapp und die Menschen müssen immer größere Risiken eingehen. Die Kinos brauchen mehr Filme, die ein breites Publikum anziehen. Und viele Filmschaffende verlassen die Branche, wodurch wir wichtige Talente verlieren. Wenn wir wollen, dass dieses „goldene Zeitalter“ weitergeht, müssen wir uns diesen Herausforderungen bald stellen. 

![„About a Hero“ beschäftigt sich mit KI und läuft ebenfalls auf dem Festival](https://s3.eu-central-1.amazonaws.com/zone.busch.store.image/1d729acc-6b51-4217-b425-dcaef2920fd5.jpg)

**Sind Ihnen bei der Auswahl der Filme spezielle Trends oder wiederkehrende Themen aufgefallen?**

Ehrlich gesagt ist es schwer, einen einzigen Trend herauszupicken, weil ein Festival in seinem Kern ja divers sein soll, oder? Es kommt sehr darauf an, wonach man als Programmer sucht. Dennoch sind mir in den letzten Jahren immer wieder Filme über junge Menschen aufgefallen, die sich orientierungslos oder isoliert fühlen – oft gemischt mit absurden oder unerwarteten Elementen. Mentale Gesundheit und die Suche nach Bedeutung scheinen große Themen zu sein. Wobei sie auf eine gewisse Art schon immer ein Teil des Kinos waren. Mir sind außerdem mehr Filme aufgefallen, die Genres mischen, was ich besonders toll finde. Das ist etwas, was wir in den kommenden Jahren noch mehr beim Oslo Pix Film Festival erforschen wollen.

**Dafür brauchen Sie allerdings auch die Ressourcen. Wie sieht die finanzielle Ausstattung von Festivals in Norwegen aus?**

Die Finanzierung von Filmfestivals in Norwegen ist immer noch nicht ausreichend – ehrlich gesagt, sollte sie besser sein. Auch in Zusammenhang mit der kommenden Wahl wird nicht genug über die Bedeutung von Kultur gesprochen und darüber, wie wichtig es ist, sie richtig zu finanzieren, damit Kultur nicht zu etwas wird, das nur einer Elite zugänglich ist.

Für mich persönlich käme es nicht infrage, ein Festival zu leiten, bei dem es nur um große Premieren von teuren Produktionen geht. Ich liebe die kostenlosen Open-Air-Vorführungen, die wir im Laufe des Jahres organisieren, und die Schulvorstellungen für 14-Jährige – das sind die lustigsten und gleichzeitig herausforderndsten Aspekte unserer Arbeit. Solche Projekte sind nur möglich, weil es politische Unterstützung und Förderung gibt, und das macht einen riesigen Unterschied.

Wenn ich etwas ändern könnte, dann wäre es die bessere Zusammenarbeit im gesamten Kulturbereich. Alle müssen zusammenarbeiten, um mehr Menschen für Kultur zu begeistern und gleichzeitig die Branche nachhaltig zu gestalten. Das System funktioniert nur, wenn alle sich gegenseitig unterstützen. Manchmal wirkt die Branche zu sehr nach innen gewandt, und das Publikum verpasst Erlebnisse, die Neugier wecken und das gesamte Feld stärken könnten. Das beunruhigt mich, und ich möchte das in den kommenden Jahren ändern.

**Haben Sie noch andere Wünsche oder Ziele für die Zukunft des Festivals?**

Mein Ziel ist es, das Oslo Pix Film Festival zu einem Festival zu machen, auf das sich die Menschen in Oslo jedes Jahr freuen. Ich hoffe, das Publikum ist bereit, Risiken einzugehen – es ist völlig in Ordnung, etwas zu sehen, das einem nicht gefällt oder einen herausfordert. Wenn wir Risiken eingehen, verlieben wir uns in Filme und bauen eine dauerhafte Verbindung zu ihnen auf. Das ist viel besser, als sich gleichgültig oder gelangweilt zu fühlen, was meiner Meinung nach eine große Herausforderung in der heutigen Welt ist.

Wir leben in einer Zeit, in der viele Menschen allein leben. In diesem Zusammenhang werden Orte wie Filmfestivals besonders wichtig. Ich hoffe, dass das Oslo Pix Film Festival dazu beitragen kann, Menschen zusammenzubringen und dieser Isolation entgegenzuwirken.

Ich hoffe außerdem, dass die internationale Filmbranche das Oslo Pix Film Festival als einen Ort sieht, an dem man neue Projekte entdecken und Filmschaffende kennenlernen kann, bevor ihre Filme auf großen Festivals wie Cannes gezeigt werden. Ich möchte, dass es ein Ort ist, an dem Filme so gesehen werden, wie sie gesehen werden sollten – gemeinsam mit einem Publikum.

Die Fragen stellte Lea Morgenstern.


Johanne Rognlien zum Oslo Pix Film Festival: „Die Verbindung zwischen Publikum und Branche stärken“