Blickpunkt:Film

Kino

**Frau [Richter](/person/dr-martina-richter), mit seiner Mischung aus Festivalhits aus Cannes, Venedig, Locarno & Co. bietet das [Film Festival Cologne](/company/film-festival-cologne) bei seiner 35. Ausgabe wieder beste Unterhaltung für ein breites Publikum. Was war ihr Hauptaugenmerk bei der diesjährigen Programmierung?**

Unser Hauptaugenmerk liegt wie immer darauf, dem Kölner Publikum die herausragenden und wichtigen Filme und Serien dieses Jahres zu präsentieren, natürlich gefiltert durch unseren kuratorischen Blick. In unserer Sektion Best of Cinema Fiction zeigen wir vor allem die großen Produktionen von renommierten Regisseur:innen wie [Jafar Panahi](/person/jafar-panahi), den Gebrüdern [Dardennes](/person/jean-pierre-dardenne) oder [Kelly Reichardt](/person/kelly-reichardt). In der Sektion Look ist Platz für herausforderndere Filme wie etwa das fantastische Regiedebüt von [Kristen Stewart](/person/kristen-stewart) oder auch den mit Hilfe von KI entstandenen neuen Film des 93-jährigen [Alexander Kluge](/person/prof-dr-alexander-kluge). In der Reihe Best of Cinema Documentary laufen internationale Dokumentarfilme, die häufig schon viele Preise gewonnen haben, aber ohne das Festival wahrscheinlich nie in Köln oder NRW zu sehen wären. Und der NRW-Wettbewerb präsentiert wie immer die herausragenden Produktionen und Koproduktionen aus Nordrhein-Westfalen. Und dann gibt es natürlich noch unsere Reihe Top TV, dieses Jahr mit besonders starken Serien aus Europa und dem Iran.

**Der Filmpreis Köln geht in diesem Jahr mit [Werner Herzog](/person/werner-herzog) an einen der renommiertesten Regisseure Deutschlands. Was macht für Sie Werner Herzogs Werk aus?**

Werner Herzog hat es als einer der ganz wenigen deutschen Regisseure nach dem Zweiten Weltkrieg geschafft, wirklich weltweit zu so etwas wie einer Marke zu werden. Seine Filme haben eine so klare eigene Handschrift, dass man sie kaum verwechseln kann, dazu gehören sicherlich seine Suche nach „ekstatischer Wahrheit“, seine faszinierenden, oftmals getriebenen Protagonisten und seine unglaubliche Risikobereitschaft. Außerdem kann man seine Energie und seinen Arbeitsethos auch noch mit über 80 Jahren nur bewundern.

**Im Vorstellungstext zum Talk mit Herzog wird er als „ewig jung und immer weise“ bezeichnet. Warum ist Herzogs Werk noch in der Gegenwart so aktuell?**

Ich glaube paradoxerweise, weil er etwas repräsentiert, das uns immer mehr verlorengeht, aber wir empfinden eine Art Phantomschmerz über diesen Verlust. Herzog begibt sich nie in eine postmoderne Zitatenwelt, sondern präsentiert in seinen Filmen eine sehr reale und physische Auseinandersetzung oft mit Naturgewalten, aber auch mit den dunkleren Seiten der menschlichen Psyche.

**Werner Herzogs Filme sind für große Visionen und seine markanten und philosophischen Voice-Over bekannt. Wie ordnet sich sein neuer Film „[Ghost Elephants](/movie/ghost-elephants)“ in sein Werk ein?**

„Ghost Elephants“ ist tatsächlich ein Film für Herzog-Fans, einmal mehr geht es um einen Mann auf einer Mission im Urwald, und zwar um den südafrikanischen Elefantenforscher Steve Boyes, der im Hochland von Angola seit Jahren auf Suche ist nach einer Herde von legendären „Geisterelfanten“. In typischer Herzog-Manier stellt er sich in seinem Film die Frage, ob es nicht besser wäre, wenn man diese Elefanten nie finden würde, wenn sie ein Mythos blieben.

**Auch der Hollywood Reporter Award geht an einen gestandenen internationalen Regisseur. [Kleber Mendonça Filho](/person/kleber-mendonca-filho) präsentiert in Köln seinen Cannes-Gewinner „[The Secret Agent](/movie/o-agente-secreto)“. Wieder verhandelt er politische Spannungsfelder. Kommt der Film bei der aktuellen internationalen politischen Lage zur richtigen Zeit?**

Der Film spielt in den 70er Jahren zur Zeit der Militärdiktatur in Brasilien und handelt von einem Mann, der auf der Flucht vor den Behörden ist. Es ist sicher kein Zufall, dass Kleber Mendonça Filho diese Zeit gewählt hat. Weltweit sind autoritäre Regime auf dem Vormarsch, in Brasilien verherrlichte Präsident Bolsonaro von 2019 bis 2022 die Zeit der Militärdiktatur, mittlerweile wurde er unter seinem Nachfolger Lula da Silva zu einer Gefängnisstrafe wegen eines Putschversuchs verurteilt. Aber es sieht nicht überall auf der Welt so rosig aus.


**Nicht weniger politisch aktuell sind die Dokumentarfilme des phoenix-Preis-Gewinners [Mstyslav Chernov](/person/mstyslav-chernov), der mit seinen Filmen die Situation in der kriegsgebeutelten Ukraine begleitet. Was kann man von seinem Besuch in Köln erwarten?**

Wie Werner Herzog ist Chernov ein Filmemacher, der kein persönliches Risiko scheut. Er war 2022 einer der wenigen Journalisten, die in Mariupol ausharrten, als die Stadt von russischen Truppen belagert war. Aus dem Material, das er und sein Team dort gedreht haben, entstand sein Oscar-Gewinner „[20 Days in Mariupol](/movie/20-days-in-mariupol)“. Für seinen neuen Film „[2000 Meters to Andriivka](/movie/2000-meters-to-andriivka)“ ist er an die Front zurückgekehrt und hat einen der erschütterndsten Kriegsfilme gedreht, die wir im Team jemals gesehen haben.

**Die Gewinnerin des International Actors Awards [Maren Eggert](/person/maren-eggert) wird im diesjährigen Eröffnungsfilm, [Ulrich Köhlers](/person/ulrich-koehler) „[Gavagai](/movie/gavagai)“, zu sehen sein. Was macht ihre Schauspielperformance in dem Film besonders?**

Es ist einfach toll zu sehen, wie sie in „Gavagai“ die besondere Herausforderung meistert: Man sieht sie zum einen, wie sie eine Schauspielerin spielt, zum anderen, wie sie als diese Schauspielerin in einer Verfilmung des Medea-Mythos agiert. Es gibt also ein selbstreflexives Spiel im Spiel, das man so selten geboten bekommt.

**In diesem Jahr bekommt der deutsche Animationssektor mit einer Masterclass zu „[Alles voller Monster](/movie/stichkopf)“ ein besonderes Augenmerk. Worauf dürfen sich Animationsfreunde freuen?**

„Alles voller Monster“ ist der teuerste Film, der je in NRW entstanden ist, der Aufwand war enorm, von der Arbeit am Film wird der Animation Director David Nasser berichten, sowie Regisseur [Steve Hudson](/person/steve-hudson) und Produzentin [Sonja Ewers](/person/sonja-ewers).

**Der European Series Day nimmt den gegenwärtigen Stand der Serienproduktionen in den Fokus. Wie wird der sich wandelnde Markt in diesem Jahr repräsentiert?**

In den vergangenen Jahren haben sich die Spielregeln des seriellen Erzählens grundlegend verändert. Der Druck auf die Erlöse aus Fernsehen und Streaming ist spürbar gestiegen, was die Finanzierung hochwertiger Produktionen zu einer echten Herausforderung macht. Gleichzeitig erwarten die Zuschauerinnen und Zuschauer immer aufwendigere und originellere Inhalte.

Für Produzenten und Sender bedeutet das, neue Wege zu finden: Budgets müssen kreativ zusammengestellt, internationale Partnerschaften aufgebaut und Projekte so konzipiert werden, dass sie in einem zunehmend gesättigten Markt herausstechen. Genau hier setzt der European Series Day an und zeigt, wie europäische Branchenführer diese Veränderungen meistern und mit welchen Strategien sie die Serienmärkte von morgen gestalten wollen.

**Im diesjährigen Programm finden sich diverse deutsche Ko-Produktionen wieder. Beim Netzwerktreffen Benelux meets NRW stehen die Ko-Produktionen der Zukunft im Mittelpunkt. Was macht den Austausch zwischen den Benelux-Ländern und NRW so fruchtbar?**

Sowohl NRW als auch die benachbarten Benelux-Länder sind sehr dicht besiedelt, zusammen hat das Gebiet 47 Millionen Einwohner:innen. Das ist ein großer Markt mit vielen spannenden Kreativen und großen Förderinstitutionen, die Ausgangsbedingungen für eine fruchtbare Zusammenarbeit sind also hervorragend.

**Auch mit dem afrikanischen Kontinent steht man beim Africa XChange Summit in Kontakt. Was werden die Themen der Konferenz sein?**

Der Africa XChange Summit ist eine Initiative von [Rushlake Media](/company/rushlake-media) in Kooperation mit der Produktionsfirma Die [Gesellschaft DGS](/company/die-gesellschaft-dgs), unterstützt von der [Film- und Medienstiftung NRW](/company/film-und-medienstiftung-nrw). Die zweitägige Konferenz findet im Rahmen des Film Festival Cologne statt und bringt herausragende Persönlichkeiten aus ganz Afrika nach Köln. Wir versammeln Gäste aus den Bereichen Film, Games, Technologie und Finance, die in Bühneninterviews und Paneldiskussionen mit führenden deutschen Journalist:innen und Meinungsmacher:innen ins Gespräch kommen. Ziel ist es, die Perspektiven, Ideen und Innovationen afrikanischer Expert:innen sichtbar zu machen, transkontinentale Verbindungen zu stärken und so einen nachhaltigen, interkulturellen Austausch zu fördern – sowie neue Märkte und Partnerschaften für kreative und wirtschaftliche Zusammenarbeit zu eröffnen.

**Zum Abschluss eine persönlichere Frage: Worauf freuen Sie sich besonders bei der 35. Ausgabe?**

Ich freue mich ganz besonders auf unseren Abschlusstalk mit Werner Herzog, der von Regisseur [Albert Serra](/person/albert-serra) moderiert wird. Dieses Gespräch verspricht einen bestimmt faszinierenden Austausch zwischen zwei ganz besonderen Filmemachern.

Martina Richter: „Ziel ist es, Perspektiven sichtbar zu machen“