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Nick Hamm inszeniert die Geschichte des Schweizer Freiheitssymbol als brutales Schlachtengemälde mit Claes Bang in der Hauptrolle.

Schiller-Puristen und Anhänger möglichst werkgetreuer Verfilmungen sollten bei Nick Hamms Interpretation des berühmten Schweizer Mythos Wilhelm Tell ihre Nerven schonen und weggucken, denn mit einem gediegenen Stadttheater-Abend, der sich brav in die Erzähl- und Bühnentradition einreiht, hat dieser Historien-Actionfilm wenig am Hut. Natürlich handelt auch Nick Hamms „[Wilhelm Tell](/movie/william-tell)“ vom Volkshelden und Freiheitskämpfer und stellt Fragen nach Mut und Moral, die den Stoff zu einem Evergreen machen. Und auch die den Mythos Tell definierende Szene, in der er seinem Sohn einen Apfel vom Kopf schießt, spielt natürlich auch hier eine zentrale Rolle. 

Nick Hamm, von dem auch die Drehbuchadaption des Stoffes stammt, erzählt den Tell abgesehen von der bekannten Prämisse des Rebellen vor allem als actiongeladenes und hyperbrutales Schlachtengemälde, das den Konflikt zwischen eidgenössischen Rebellen und dem Habsburger Königshaus (Ben Kingsley führt es als König Albert an) systematisch und bildgewaltig eskalieren lässt. Claes Bang in der Hauptrolle als Wilhelm Tell spielt die Schweizer Legende in der Manier eines vollkommen in sich ruhenden Zen-Kriegers, in dem jedoch enorme Zornpotenziale vorhanden sind. Gegen das königliche Geheiß, vor dem Hut, der das Habsburger-Oberhaupt repräsentiert, niederzuknien, begehrt Tell auf und handelt sich den Zorn von Landvogt und Oberbösewicht Gessler (Connor Swindells) ein. Der zwingt Tell auf einen Apfel zu zielen, den er auf dem Kopf von Tells Sohn (Tobias Jowett) platziert. Die Dinge nehmen fortan ihren bekannten, legendenprägenden Lauf. 

Hamm inszeniert die mitunter an „Game of Thrones“ und „Braveheart“ erinnernden Schlachtszenen mit geradezu genüsslicher Lust am Gewaltexzess. Im Wilhelm Tell des Jahres 2024 – Premiere feierte der Film bei den Festivals in Toronto und in Zürich – fliegen abgetrennte Körperteile umher, es spritzen Blutfontänen und zeigen sich grausige Verletzungen, zugefügt durch Schwerthiebe und artverwandtes Schnitt- und Kriegsgerät. An mancher Stelle wartet die düstere Inszenierung, die durchwegs hervorragend ausgestattet ist, mit erzählerischer Freiheit auf. So stellt Hamm etwa seinem Wilhelm eine muslimische Ehefrau (Golshifteh Farahani) – die Mutter seines Sohnes – zur Seite, die er als Beteiligter an den Kreuzzügen im Nahen Osten kennenlernte. 

Für Diversity und Abwechslung sorgt auch die Besetzung von Amar Chadha-Patel als geistlicher Anführer. In weiteren Rollen sind u.a. Jonathan Pryce, Jonah Hauer-King, Jess Douglas-Welsh und Emily Beecham zu sehen. Wer als Kinobesucher angesichts der überbordenden wie lustvollen Over-the-Top-Inszenierung von Nick Hamm von allzu peniblen Erwägungen im Hinblick auf Werktreue und erzählerische Tradition absieht, wird mit dem Historien-Actionfilm mit Pulp-Faktor seine Freude haben. Das wüste Schlachtenspektakel um den Schweizer Volkshelden mag wenig subtil geraten sein, unterhaltsam ist die Produktion von u.a. Free Turn Films, Tempo Productions und Beta Cinema allemal. 

Chris Schinke

REVIEW KINO: „Wilhelm Tell“