Blickpunkt:Film

Blickpunkt:Film: Wer hatte die Idee zu diesem Film?


Horst Königstein: Die Idee kommt von mir. In den achtziger Jahren hatte ich einmal ein großes Interview geführt mit [Kristina Söderbaum](/person/kristina-soederbaum) zum Projekt "Reichhauptstadt - privat", das ich mit [Wolfgang Menge](/person/wolfgang-menge) für den [SFB](/company/sender-freies-berlin-sfb) gemacht habe. Und da habe ich eigentlich die Details über die Harlan-Söderbaum-Beziehung - in der eine Frau unter Einfluss stand - erfahren, was mich sehr angeregt hat. Anfang der neunziger Jahre hat Dietrich Kuhlbrodt einen sehr spannenden Aufsatz über große Hamburger
Gerichtsprozesse veröffentlicht. Der letzte Auslöser war dann vor zweieinhalb Jahren die Lektüre der Goebbels-Tagebücher, die mich in ihrer Unverschämtheit und Klatschigkeit ziemlich aufgeregt haben. Seitdem weiß
ich, wie Goebbels sozusagen als "Filmmogul" seine Medienindustrie gelenkt hat.


BF: Man hätte ja aus dem Stoff einen reinen Dokumentarfilm machen können. Warum ist daraus ein Dokudrama entstanden?


HK: Es gab zunächst das Problem, dass wir aus allen möglichen Quellen die Texte für den Prozess zusammen suchen mussten. Dann war zu beachten, dass es
außer Ralph Giordano oder Lulu Schlage nur noch wenig Zeitzeugen gab, die direkt etwas über den Prozess aussagen konnten. Auch in der Stadt Hamburg
ist der Fall Harlan ein verwahrtes und verborgenes Sujet; die Unterlagen für diesen Prozess sind bislang nie systematisch ausgewertet worden. Das heißt, die ursprüngliche Überlegung, den Film sehr viel dokumentarischer zu machen, haben wir während der Dreharbeiten zugunsten dieser stärkeren Nachgestaltung
oder Fiktionalisierung zurückgenommen. Unseren Film kann man also als historisches Gerichtsdrama verstehen, das gleichzeitig auf eine sehr klamme Art gegenwärtig ist. Daher lege ich Wert darauf zu betonen, dass die meisten
der im Film verwendeten Texte authentischen Ursprungs sind.


BF: Wie sind Sie an die Schauspieler gekommen, vor allem an [Axel Milberg](/person/axel-milberg) in der Hauptrolle?


HK: Über Axel Milberg als Hauptdarsteller war ich extrem glücklich, vor allem deswegen, da unser Film auch für öffentlich-rechtliche Verhältnisse ein Low-Budget-Projekt darstellte. Aber welche Schauspieler ich auch immer angesprochen hatte - alle wollten sofort dabei sein, weil es eben dann doch um mehr ging als um die Rekonstruktion eines Prozesses. Es geht auch um die
Frage, die sich jeder Schauspieler manchmal stellt, in was für ein Stück bin ich hier eigentlich geraten, mit welchem Regisseur arbeite ich hier und in welchem Zusammenhang wird das ausgestrahlt? Fazit: Die Frage über die Verantwortlichkeit gegenüber das, was man als Künstler tut, stellt sich auch in der Gegenwart. Sicher nicht mit derart verhängnisvollen Folgen wie bei
Harlan und seinen Kollegen.


BF: Wurde denn auch während der Dreharbeiten unter den Schauspielern über Harlan und den Prozess diskutiert?


HK: Heftig und unentwegt. Was Sie gerade bei der Vorführung (anlässlich des [Emder Filmfests](/company/filmfest-emden) im Juni 2001; die Red.) erlebt haben, zeigt, dass der Film wie eine Initialzündung ist für viele Fragen, die alle so widersprüchlich sind wie das Projekt selber. Und das fand auch bei uns auf dem Drehort
statt. Deshalb verkaufen wir, wenn man das so sagen kann, unseren Film nicht auf der Ebene der Guido-Knopp-Filme, da er nicht die Süffigkeit besitzt wie diese eher der popkulturell verhafteten Auseinandersetzung mit der
Nazi-Zeit. Unser Projekt trägt sicherlich eine gewisse Sprödigkeit an sich, die aber auch Voraussetzung dafür ist, dass man in eine Distanz zu den gezeigten Figuren treten kann.


BF: Wie hoch waren die Produktionskosten?


HK: Der Film ist eine Eigenproduktion des Norddeutschen Rundfunks und hat rund eine Million Mark gekostet. Aber schauen Sie, [Joachim Lang](/person/joachim-lang) vom [Südwestrundfunk (SWR)](/company/suedwestrundfunk-swr) und ich haben zweieinhalb Jahre für den Film recherchiert. Und das ist etwas, was man in einer freien Produktion nicht ohne weiteres würde leisten können - vor allem nicht bei einem derart spröden Stoff.

Interview mit dem NDR-Filmemacher Horst Königstein