Blickpunkt:Film

Blickpunkt:Film: Wie hat sich das Programmangebot im Bereich Kinderserien bzw. Kinderfilme entwickelt?


Susanne Schosser: Super RTL zeigt nur wenig Kinder- und Jugendfilme. Da dieses Genre aufgrund gesetzlicher Regelung nicht unterbrochen werden darf, lassen sich Spielfilme für Kinder nicht refinanzieren. Wir konzentrieren uns aber nicht nur deswegen auf Serien. Lange Spielfilme überfordern oftmals die Konzentration der Kinder. Kurze Serien hingegen kommen der Entwicklung und Auffassungsgabe der kleinen Zuschauer wesentlich eher entgegen. Und das Programmangebot in diesem Bereich ist sehr gut. Seit gut fünf Jahren ist die Zahl an Kinderangeboten im Fernsehen gestiegen, und damit hat sich auch die Produktionslandschaft entwickelt. Mit dem Neuen Markt kam eine zusätzliche Investitionswelle, die sich aber langsam stabilisiert und wo sich gerade die Spreu vom Weizen trennt. Wir kommen jetzt an den Punkt, wo das Überangebot an Massenware abgebaut wird. Eng wird der Markt hingegen in Sachen qualitativ hochwertigen Koproduktionsthemen bleiben. Aber auch da ist die momentane Situation für uns sehr angenehm: Als Marktführer werden uns so gut wie alle Produktionen zuerst angeboten, und wir können uns die Rosinen herauspicken.


BF: Sind durch die steigende Zahl von Kindersendern ein Überangebot und dadurch sinkende Preise zu verzeichnen?


SS: Theoretisch ist die Gleichung eine ganz simple: Je mehr produziert wird, desto günstiger werden die Programme. Dies bezieht sich aber in erster Linie auf Massenprodukte, die nicht den Stellenwert haben. Wenn es um Qualitätsprodukte geht, ist es auch bei Serien so, dass der Marktwert eher stabil bleibt. Qualität hat halt seinen Preis. Der Trend geht allerdings immer mehr in Richtung Kofinanzierung bzw. Koproduktion. Der normale Lizenzeinkauf gerät dabei ein wenig in den Hintergrund. Das heißt also, dass - wenn wir an einem bestimmten Produkt Interesse haben - wir das Geld bezahlen müssen, das für die Produktion benötigt wird, sonst kann die Produktion nicht stattfinden. Die Preise bei den Einkaufserien, vor allem wenn es um den Einkauf von Paketen geht, sind in den vergangenen zwei bis drei Jahren etwas nach unten gegangen. Aber auch hier gilt, wenn man Qualität oder Klassiker haben möchte, stagnieren die Preise. Es ist nicht so, dass der Markt alles nur noch zu Dumpingpreisen hergibt.


BF: Was zeichnet qualitativ optimales Programm aus und wie gut ist es verfügbar?


SS: Wichtig für uns ist, dass das Format langfristig einsetzbar ist, dass es interessante Storys und ein gutes Story-Telling besitzt. Die Charaktere müssen sehr individuell und einprägsam sein. Unter diesen Voraussetzungen kann man ein Thema behutsam zu einer gefragten Marke aufbauen. Bestes Beispiel derzeit ist die Animationsserie "Bob der Baumeister". Der kleine Handwerker hat sich bereits fest in die Herzen seiner kleinen Fans geschaufelt. Jetzt können wir Bob als Marke aufbauen. Das gleiche Ziel verfolgen wir mit der kanadischen Serie "Angela Anaconda", ein freches Mädchen, das in Amerika schon Kultstatus hat und hoffentlich auch bei uns einen Trend setzen wird. Die in Cut-And-Paste-Technik animierte Serie ist etwas ganz Neues. Bei aller Individualität müssen wir aber auch darauf achten, dass das Programm trotzdem "mainstreamig" ist und ein Massenpublikum anspricht. Bei unseren hohen Marktanteilen können wir kein Programm anbieten, das nur eine Minderheit interessiert, es sollte stets die breite Zielgruppenstruktur treffen. Wir sind zwar der größte europäische Einkäufer in dem Bereich Kinderserien, aber qualitativ hochwertige Produktionen sind nicht unbegrenzt verfügbar. Im Gegenteil. Innovative Programme wie "Angela Anaconda" sind rar. Auch wenn wir mit Disney, Nickelodeon, Fox-Kids und bald auch Warner die weltweit stärksten Labels im Programm haben, treten wir immer öfter als Koproduzent in Erscheinung. Wir haben mittlerweile erstklassige Zeichentrickkompetenz und können auf diesem Weg unsere Erfahrung in Produktionen einfließen lassen.


BF: Auf welche Lizenzen haben Sie in letzter Zeit zugegriffen?


SS: Zu unseren Neuerwerbungen gehören u.a. Benjamin Blümchen, neue in Produktion befindliche Lucky Luke-Folgen, Mummy Nanny - Unsere Mumie ist die beste oder auch Unten am Fluss - Watership Down. Viele der reinen Lizenzkäufe sind Pre-Buys, also bereits im Vorfeld eingekaufte Produktionen. Paketkäufe sind in der Regel nicht dabei. Wir suchen uns die besten Produkte bei unterschiedlichen Produzenten aus. Um unseren Qualitätsstandard zu halten, beteiligen wir uns häufig auch als Koproduzent oder Kofinanzierer. Aktuell sind wir an den BAF-Greenlight-Produktionen @dventurers, Acaria und Meadowlands beteiligt. Außerdem koproduzieren wir mit Egmont Hans-Christian Andersen Märchen. Diese Produktion wird in einem neuen Look kreiert und sich eng an den Originalen orientieren. Weitere Beispiele für eine Mischung aus Kofinanzierung und Einkauf ist Angela Anaconda oder auch eine Koproduktion mit Fox-Kids "What's with Andy". Insgesamt sind wir an etwa 25 Prozent der Serien als Koproduzenten und an weiteren 10 Prozent als Kofinanzierer beteiligt.


BF: An welchen Marken sind Sie interessiert?


SS: Marken sind sehr wichtig für uns. Entweder in bereits eingeführter Form, wie beispielsweise "Benjamin Blümchen", oder eben als etwas ganz Neues, das wir selber erst auf die Schiene bringen müssen wie bei "Angela Anaconda", eine sehr individuelle Serie, die wir sehr behutsam einführen müssen, wenn sie erfolgreich laufen soll. Wir hatten damals bei Nickelodeon beobachtet, dass die etwas ausgefallenen Sachen nicht so gut liefen. Man muss aber dazu sagen, dass das deutsche Publikum ein anderes ist als beispielsweise das angelsächsische. Das hat auch damit zu tun, dass Eltern in Deutschland einen viel größeren Einfluss auf den TV-Konsum ihrer Kinder nehmen. Bei " Angela Anaconda" zum Beispiel hatte ich Bedenken, dass die Serie aufgrund des ganz neuen Looks im Programm untergehen könnte. Deshalb gehen wir mit dieser Serie einen fürs Fernsehen wohl einzigartigen Weg: Bevor das Format im TV anlaufen wird, präsentieren wir Angela und ihre Freunde zuerst im Internet und im Print-Magazin. Ohne die Chance der cross-medialen Einführung hätte ich die Serie wahrscheinlich nicht gekauft. Aber dadurch, dass Super RTL auf fast allen medialen Plattformen vertreten ist, können wir das Wagnis, innovative Formate zu bringen, eingehen und müssen nicht immer auf der gleichen Welle reiten.


BF: In welcher Größenordnung kauft Super RTL Programm aus Deutschland und Europa ein?


SS: Das lässt sich in unserem Segment nicht so einfach definieren, da in der Regel international produziert wird. Als Größenordnung würde ich sagen, dass wir etwa fünf Serien aus Deutschland und zehn europäische Produktionen pro Jahr einkaufen.


BF: Wie schätzen Sie die Produktionskompetenz von deutschen bzw. europäischen Produzenten ein?


SS: Die Deutschen sind in den vergangenen fünf Jahren sehr viel professioneller geworden und spielen jetzt gemeinsam in einer Liga mit Frankreich und England. In manchen Bereichen wie dem Pre-School-Bereich setzen die Engländer Maßstäbe und befinden sich noch vor USA und Kanada. Insgesamt gleicht sich die Qualität immer mehr dem der Amerikaner an, wenn auch noch nicht ganz die Stufe der großen Studios erreicht ist. Aber Europa ist auf dem richtigen Weg. Das liegt natürlich auch daran, dass die Nachfrage in den letzten Jahren gestiegen ist und sich die Techniken erheblich weiterentwickelt haben.


BF: Wo fehlt es noch an Professionalität?


SS: Aus unserer Sicht fehlt es noch ein wenig an der Fähigkeit des Story-Tellings. Das liegt wahrscheinlich daran, dass das Schreiben in unserem Ausbildungssystem nicht den Stellenwert besitzt wie in Amerika. Es bilden sich zwar auch bei uns einige gute Autorenbüros heraus, aber das ist nicht vergleichbar mit dem, was im angelsächsischen Raum passiert. Wenn wir eine deutsche Koproduktion haben, dann kommen zwar oft die Animationen aus Deutschland, aber die Autoren in aller Regel aus England, Irland oder den USA. Eine weitere Schwäche liegt in der Produktionsdisziplin, Serien werden nicht rechtzeitig fertiggestellt. Aber auch dies ist in den vergangenen Jahren schon viel besser geworden. Im Weltvertrieb liegen natürlich die großen US-Studios vorne, weil sie über weltweite Partner verfügen. Europäische Studios müssen dagegen über die Märkte tingeln, was erhebliche Zeit beansprucht, bis ein Produkt erst einmal bekannt geworden ist.


BF: Mit welchen deutschen bzw. europäischen Produzenten arbeiten Sie zusammen?


SS: Im deutschen Bereich arbeiten wir mit allen namhaften Partnern mehr oder weniger eng zusammen. Mit der [RTV Family Entertainment](/company/your-family-entertainment-yfe) haben wir im vergangenen Jahr einen Fünf-Jahres-Vertrag über 20 Serien abgeschlossen. Mit BAF-Greenlight koproduzieren wir die drei genannten Serien Meadowlands, @dventurers und Acaria. Einzelkäufe machen wir bei [TV-Loonland](/company/tv-loonland-ag), [EM.TV](/company/sport-1-medien-ag), CTM und [Kiddinx](/company/kiddinx-entertainment). Die Studios Trickcompany, ASL und [Hahn Film](/company/hahn-film-ag) realisieren Serienprojekte. Zu den europäischen Partnern gehören unter anderem Alphanim, FuturIkon und BKN International aus Frankreich, Hit Entertainment und Just Entertainment aus England, Magma Films aus Irland sowie Egmont Imagination aus Dänemark.

Interview mit Super-RTL-Programmchefin Susanne Schosser