Blickpunkt:Film

Sie sagten einmal Hass sei ihr Antrieb für die Serie ["Andere Eltern"](/tvshow/andere-eltern) gewesen. Können Sie das bitte kurz ausführen?


 [Lutz Heineking jr](/person/lutz-heineking-jr).: In Zeiten wie diesen müssen wir das Wort Hass wieder positiv besetzen. (lacht) Ich bin vom Prenzlauer Berg nach Köln-Nippes gezogen und bin selber "keine Eltern". Da bekommt man um einen herum so viel Bizarres mit. Es handelt sich aber um einen liebevollen Hass gegenüber meiner Generation. Der treibt mich allgemein an, nicht nur bei "Andere Eltern".


Ist das eine gute Voraussetzung, um seine Figuren zu lieben?


LH: Oh ja! Ich liebe unsere Figuren allesamt und ich kann sie auch verstehen. Ich bin umringt von Leuten, die genauso sind. Ich finde es besonders toll, dass die Schauspieler - zwar von mir geleitet, aber doch mit großer improvisatorischer Kunst - es schaffen, diese Figuren so überdreht erscheinen zu lassen. Ohne Scheu vor Hässlichkeit und mit großer Selbstironie. Die ziehen das durch, ich ziehe das durch, wir ziehen durch.


"Andere Eltern" ist zu großen Teilen improvisiert. Erläutern Sie doch mal Ihre Arbeitsweise.


LH: Regieprinzip: Ruhe bewahren - Sicherheit ausstrahlen. Ich habe diese Art der Arbeit zuvor schon in mehreren Kurzfilmen und auch bei der vierteiligen Serie "Endlich Deutsch!" praktiziert. Wir perfektionieren das mit jeder weiteren Arbeit. Aus meiner Sicht sind es vier Phasen, in denen etwas entsteht. Zuerst wird über das Casting und die Figurenkonstellation eine Grundlage geschaffen, anhand derer wir eine Art Szenen-Treatment schreiben. Darin wird kurz und grob erklärt, wohin die Reise geht. Dann schicken wir die Schauspieler in diese Situationen. Anders als bei anderen Improvisatoren, wissen die Schauspieler bei mir auch nichts von Änderungen innerhalb einer Szene. Des Weiteren addiere ich echte Personen zum Cast hinzu. In "Endlich Deutsch!" habe ich z.B. eine echte Lehrerin vor ein Klassenzimmer voller Schauspieler gesetzt. Eins von vielen anderen Beispielen wäre auch ein echter Arzt in "Andere Eltern". Dadurch kommt eine Authentizität zustande, die ich mir so oft wünsche, die aber selten erreicht wird. Das erfordert Mut vom Sender. Ich finde aber auch, dass wir das entgegengebrachte Vertrauen rechtfertigen.


Fehlen noch zwei Phasen.


LH: Die dritte Phase ist die Improvisation der Schauspieler mit den Situationen und Menschen, die ich ihnen gegenüberstelle. Wenn dabei etwas nicht so funktioniert, wie ich das eigentlich vorgesehen habe, muss ich mit dem Buch reagieren. Ich sitze abends mit dem Cutter im Schnitt und schaue mir die Arbeit vom Vortag an. Wenn etwas nicht funktioniert hat, schließe ich mich nochmal mit meinen (Ko-) Autor(inn)...

Lutz Heineking jr: "Die Leute haben Bock mit mir zu arbeiten"