Blickpunkt:Film

Blickpunkt:Film: Wie haben Sie es geschafft, Literaturverfilmung und Realismus einer Zeit- und Personenbeschreibung wie schönstes Erlebniskino lebendig werden zu lassen?

Margarethe von Trotta: Wenn das so ankommt, freut mich das. Es war schwierig. Allein der Umfang des Werkes, es sind ja eigentlich vier abendfüllende Filme, und die verschiedenen Zeitebenen die immer wieder ineinandergreifen - das hat eine besondere Konzentration erfordert. Und ich hatte immer das Gefühl, ich müsste Johnson gerecht bleiben und einen Teppich ausbreiten, damit er noch neue Leser bekommt. Bei den Uwe-Johnson-Tagen in Anklam, seinem Hei- matort, habe ich den Film vorgeführt, und alle haben mir bestätigt, dass Landschaften, Menschen, Sprache, die ganze Atmosphäre genau stimmen. Da war ich wirklich erleichtert.

BF: Sie haben auch in Mecklenburg an den Original-Schauplätzen gedreht?

MT: Ja, aber auch in Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen, weil wir von dort Filmförderung hatten und deshalb in den Regionen drehen mussten. In Mecklenburg-Vorpommern waren die Drehorte Anklam, Güstrow, wo Johnson zur Schule ging, und Usedom. Außerdem hatten wir Außenaufnahmen in Berlin-Tempelhof und New York und Studioaufnahmen in Köln.

BF: Wie viel Drehzeit hatten Sie zur Verfügung?

MT: 100 Tage, das sind 25 pro Film, was natürlich nichts ist für so einen historischen Stoff, noch dazu mit Kindern, mit denen man ja nur fünf Stunden pro Tag drehen darf. Hinzu kam der häufige Drehortwechsel. Ich musste eine intensive logistische Arbeit leisten - das war schon anstrengend.

BF: Hat sich die Anstrengung gelohnt?

MT: Ja, unbedingt. Einen solchen Schriftsteller zu haben, der einem sozusagen seine Seele liefert, - das ist schon ein Glücksfall. Ich habe eigentlich zum ersten Mal verstanden, wie aufregend es für einen Regisseur ist, Literatur zu verfilmen. Da kann man tiefer schürfen, immer wieder Neues entdecken. So ist die Geschichte der Hauptfigur Gesine Cresspahl, gespielt von , nicht nur ihre eigene und damit die Uwe Johnsons, sondern es ist auch deutsche Geschichte. Und die ist, wie Gesine selbst sagt, nicht schön. Das habe ich auch beim Drehen gemerkt: Es ist viel schwieriger, diese deutsche Historie zu erzählen. Sie nimmt einen mit, beansprucht einen ganz anders als ein Komödiendreh.

BF: Haben Sie dabei auch an Kino gedacht?

MT: Wir haben überlegt, wie man aus viermal 90 Minuten einen einzigen Film von zwei oder zweieinhalb Stunden machen kann. Es geht nicht, würde höchstens so ein Reader's Digest werden, was man bei dieser Vorlage ja wirklich nicht anstrebt. Obwohl: Johnson selbst hat die amerikanische Fassung seines Romans einfach um 400 Seiten gekürzt. Ich habe aber trotz allem darum gekämpft, einen Negativschnitt zu machen. Wir haben auf Super 16 gedreht. Das wird heute ja sofort auf Avid übertragen, dort geschnitten und auf Beta SP kopiert. Kosten für einen Negativschnitt, von dem man dann Filmkopien ziehen könnte, werden gespart.

BF: Sie haben zuletzt häufiger fürs Fernsehen gearbeitet, "Winterkind", "Dunkle Tage" und jetzt "Jahrestage". Wie sieht es mit Kino aus?

MT: Das mache ich sicher auch wieder. Aber das Fernsehen hat mich gereizt. So etwas wie "Jahrestage" ist eine Herausforderung in vielerlei Hinsicht. Ein Budget von 15 Mio. klingt zwar nach viel, aber für praktisch vier Filme mit historischer Ausstattung, insgesamt 98 Darstellern und über 1000 Komparsen ist das eher wenig. Die Produktionsbedingungen waren nicht optimal und schon gar nicht mit Kinobedingungen zu vergleichen. Aber dass man dann doch so viel Professionalität entwickelt und das hinkriegt, das reizt mich sehr. Nach so vielen Jahren Filmemachen sucht man nach neuen Abenteuern. Deswegen habe ich auch Oper und Theater gemacht.

BF: Wie ist es mit Werbung? Oder digitalem Kino?

MT: Wegen Werbung hat man bei mir mal angefragt - warum nicht? Habe ich bisher noch nicht gemacht und früher als Linke immer abgelehnt. Dabei haben alle großen italienischen Regisseure - Fellini, Nellochio - Werbung gemacht, in Frankreich ebenso. Ein konkretes Projekt gibt es noch nicht, ich habe mich nur dazu bereit erklärt. Und digitales Kino? Ich weiß, dass die Entwicklung dahin geht, und deshalb muss man das rechtzeitig ausprobieren. Ich habe da einen Stoff, den ich schon lange machen will und jetzt neu geschrieben habe. Da könnten die Rückblenden in die NS-Zeit gut digital gedreht werden - als Kontrast und mit dokumentarisch-realistischem Touch.

BF: Wie sind die "Jahrestage" und Sie eigentlich zusammengekommen. War nicht  als Regisseur vorgesehen?

MT: Ich war die Vierte, der die Regie angeboten wurde, vor mir haben  und  abgesagt. Ich habe es von den Drehbüchern abhängig gemacht, und die gefielen mir. Mit Frank Beyer habe ich gesprochen, um Missverständnisse auszuräumen.

Margarethe von Trotta zu "Jahrestage'