Blickpunkt:Film

[Daniela Mussgiller](/person/daniela-mussgiller) und [Johanna Kraus](/person/johanna-kraus_1) sind beim [MDR](/company/mitteldeutscher-rundfunk-mdr) hauptverantwortlich für die Fiction zuständig. Mit Blickpunkt:Film sprachen sie über die Herausforderung, Premiumserien für die [ARD](/company/ard-gemeinschaftsprogramm-erstes-deutsches-fernsehen) non-linear und linear in die Erfolgsspur zu führen, ihre Präferenz für Gegenwartsstoffe und die neuen Serien „Juni“ (AT) und „[Charité 4](/tvshow/charite-4-staffel)“. Sie bestätigten außerdem das Aus für zwei ambitionierte Serienproduktionen.

**Die Serie „[Tage, die es nicht gab](/tvshow/tage-die-es-nicht-gab-at)“ hat in der ARD Mediathek hohe Wellen geschlagen. Ihre österreichischen Partner sprechen schon konkret von einer Fortsetzung. Ist der MDR auch wieder mit im Boot?**

DANIELA MUSSGILLER: Wir sind gerade dabei, das zu prüfen und zu konkretisieren. Die Voraussetzungen, um weiter zusammenarbeiten zu können, sind gegeben, aber endgültig beschlossen ist eine Fortsetzung noch nicht.

**Liegt es an dem Gefälle zwischen non-linearen und linearen Werten, dass die Entscheidung noch nicht gefallen ist?**

DANIELA MUSSGILLER: Wir sind aktuell (Stand: 25.04.) bei rund 13 Millionen Abrufen insgesamt und durchschnittlich 1,6 Millionen pro Folge. Damit liegt die Serie für die ARD ganz weit vorne. „Tage, die es nicht gab“ zeigt aber auch genau die Herausforderung, vor der wir in der ARD stehen. Ein Premiumprodukt muss in beiden Ausspielwegen sehr erfolgreich sein. Das ist unser Anspruch. Linear sind wir erfolgreich gestartet, die Programmierung über mehrere Wochen hatte aber zur Folge, dass sich die Zahlen nach unten entwickelt haben. Unser Hauptaugenmerk für die Zukunft muss deshalb auch auf der Programmierung liegen, damit Angebote, die eher auf ein non-lineares Publikum zielen, auch linear optimal genutzt werden.

**Ein großes Thema! Muss man heutzutage nicht die Erwartungshaltung dahingehend anpassen, dass Serien mit einer ausgeprägten Horizontalen linear hinter episodisch erzählten Serien zurückbleiben?**

DANIELA MUSSGILLER: Würde ich nicht sagen. Wir profitieren sehr stark vom Linearen, weil wir darüber sehr viel Publikum zur ARD-Mediathek locken. Auch deshalb wird der lineare Ausspielweg auch weiter Bestand haben. Wir müssen uns aber für unsere Premiumserien Strategien überlegen, um non-linear attraktives Programm linear gut auf die Strecken zu bringen, ohne dass wir dem einen oder dem anderen Publikum etwas wegnehmen. Eine rein inhaltliche Anpassung würde keines von beiden glücklich machen.

![13 Millionen Abrufe - Doch die Fortsetzung der mit dem ORF koproduzierten Serie „Tage, die es nicht gab“ ist noch nicht sicher; Foto: MDR/ORF/MR Film](https://s3.eu-central-1.amazonaws.com/zone.busch.store.image/59da6ab1-e060-453b-837a-09a3dab1b725.jpg)**„[ZERV](/tvshow/zerv-zeit-der-abrechnung)“ lief auch auf dem Dienstagssendeplatz. Ist der für diese horizontal erzählten Stoffe vielleicht ungeeignet?**

JOHANNA KRAUS: Wir sprechen in der Redaktion von einem Tauziehen mit dem linearen Programm auf der einen und dem non-linearen auf der anderen Seite. „[Tierärztin Dr. Mertens](/tvshow/tieraerztin-dr-mertens_9)“ ist das aktuellste Beispiel, das auf diesem Sendeplatz angelaufen ist und mit den ersten Folgen von jetzt auf gleich auf 18 Prozent Marktanteil kam. Die Serie ist auf diesen Sendeplatz und auf eine entsprechende Zielgruppe ausgerichtet. Gleichzeitig haben wir die neue Staffel sanft modernisiert. Ich bin gespannt, ob es aufgeht, das Programm dadurch auch in der Mediathek zu stärken. „ZERV“ ist wiederum kein geeignetes Beispiel, weil es genau in der Woche startete, in der der Ukraine-Krieg begann. Die Zahlen lassen sich daher nicht sauber auswerten. Wir liefen am Dienstag an, konnten noch mittwochs im Ersten laufen, aber mussten dann am Donnerstag aufgrund der aktuellen Berichterstattung zu One wechseln.

DANIELA MUSSGILLER: Der Erfolg von Serien wie „Tierärztin Dr. Mertens“ oder „[Die Kanzlei](/tvshow/die-kanzlei)“ wird primär linear geprägt. Aber die Premiumserien, auf die die ARD, auf die wir als MDR setzen, müssen auf beiden Wegen ihr Publikum erreichen. Wie man das austariert, ist ein Learning. In der Vergangenheit waren es vorwiegend historische Serien wie „[Charité](/tvshow/charite)“, die sowohl linear als non-linear gut funktionierten. Ich bin überzeugt, dass das bei „ZERV“ auch möglich gewesen wäre, so wie dies im Übrigen auch beim Mehrteiler „[Lauchhammer](/tvshow/lauchhammer-tod-in-der-lausitz)“ der Fall war, den wir aber nur mittwochabends ausgestrahlt haben. Die Herausforderung ist nun, dies auch mit zeitgenössischen Stoffen wie „Tage, die es nicht gab“ zu schaffen. Das ist unser Anspruch.

**Sind diese Premiumserien non-linear erfolgreicher als die klassischen Dienstagsserien?**

JOHANNA KRAUS: Ja, deutlich. Sie liegen in der Regel bei einer Million Abrufen pro Folge oder mehr. Wie gesagt, „Tage, die es nicht gab“ liegt mit durchschnittlich 1,6 Millionen Abrufen pro Folge darüber und auch „[Bonn](/tvshow/bonn)“ hat bei sechs Folgen insgesamt rund 9 Millionen Abrufe und liegt bei durchschnittlich 1,4 Millionen pro Folge (25.04.). Der non-lineare Erfolg ist absolut gegeben.

**Ist ein Lösungsweg, um auch den linearen Erfolg zu gewährleisten, von bestehenden Programmschemata abzuweichen, um so komprimiert wie möglich zu senden?**

DANIELA MUSSGILLER: Das ist ein Lösungsweg, über den wir diskutieren und für den wir sehr offen sind. Aber das entscheiden wir nicht allein.

**Die Vorstellung, dass „ZERV“ nicht weitergeführt wird als Programm, das die Ost-West-Thematik so gekonnt und unterhaltsam aufgegriffen hat, ist nur schwer erträglich.**

JOHANNA KRAUS: Ja, das ist es. Ich spreche da immer von unserem Zwiespalt, in dem wir mitunter sehr schwere und harte Entscheidungen treffen müssen. „ZERV“ war leider so ein Fall. Wir haben lange mit den Kreativen gesprochen, haben nach Anknüpfungspunkten gesucht, aber wir sind für uns nicht zufriedenstellend weitergekommen. 

**Ist auch für „Lauchhammer“ bereits die Entscheidung gegen eine Fortsetzung gefallen?**

JOHANNA KRAUS: Ja, hier war es vergleichbar. 

![Serie zum Generationenkonflikt - „Juni“ (AT) mit Franziska Weisz und Lea Drinda; Foto: MDR, Via Film / Felix Abraham](https://s3.eu-central-1.amazonaws.com/zone.busch.store.image/9b16da86-8199-42f0-9900-5895e7f7cf32.jpg)**Wie geht es im Serienfeld weiter, wonach suchen Sie?**

JOHANNA KRAUS: Wir setzen auf Serien, die in der Gegenwart spielen. „Juni“ (AT) gehört z. B. dazu. Darauf habe ich nach den Dreharbeiten schon einen ersten Blick werfen können. Man spürt, was für eine Wucht in diesem Generationenthema steckt. Wir haben große Lust, diese Richtung einzuschlagen und Geschichten aus dem Hier und Heute zu erzählen. Es gibt so viele aktuelle Themen, die wir sehr gut mit den Regionen unseres Sendegebiets verbinden können oder die aus diesen Regionen kommen – im Fall von „Juni“ aus Halle. Diese Serien haben nochmal eine andere Dynamik, weil sie so viel über uns erzählen und aktuelle Konflikte enthalten.

**Bei dem, was über „Juni“ zu erfahren war, hat man den Eindruck, mehr am Puls der Zeit kann man nicht sein.**

JOHANNA KRAUS: Ursprünglich war das ein Stoff über jugendliche Intensivtäter. Aber wir kamen in der Entwicklung immer stärker auf einen anderen Kern, die Beziehung zwischen der Erwachsenengeneration und den Jugendlichen, die Liebe, aber vor allem auch die Ohnmacht die zwischen ihnen besteht.

DANIELA MUSSGILLER: Ich erhoffe mir von dem Stoff, dass wir beide Gruppen erreichen und sich beide verstanden und richtig dargestellt fühlen. So würden wir grundsätzlich gerne weitermachen. Wir wollen auch in andere Genres vorstoßen, wollen Komödie machen und nicht nur Crime. So wie wir in dieses Tauziehen zwischen non-linear und linear gehen, gibt es auch auf inhaltlicher Ebene ein Ziehen zwischen historischen Stoffen und Gegenwartsstoffen, zwischen bewährten Genres wie Krimi und Thriller auf der einen und weniger verbreiteten, wie Komödie, auf der anderen.

**Bedeuten gegenwärtige Themen auch verstärkt eine Zusammenarbeit mit Leuten aus den jüngeren Generationen?**

DANIELA MUSSGILLER: Wir sind im MDR gegenüber jungen Filmschaffenden immer sehr offen – denkt man an die Debüt-Tradition in der ARD – und würden uns noch mehr neue Gesichter wünschen. 

JOHANNA KRAUS: Ja, auf jeden Fall. Bei „Juni“ haben wir ein Regie-Casting gemacht und mit [Charlotte Rolfes](/person/charlotte-rolfes) eine junge Regisseurin ausgewählt. Denn natürlich bringt jemand einen Teil seiner Persönlichkeit in ein Projekt mit ein. Bei Charlotte war auffällig, wie schnell sie sich insbesondere mit der Erzählebene der Jugendlichen identifiziert hat. Unter dem Aspekt stimmt es schon, dass die gegenwärtigen Stoffe vor allem Türen für die Zusammenarbeit mit den jungen Kreativen öffnen.

DANIELA MUSSGILLER: Unter vielen jungen Filmschaffenden ist offenbar noch das Klischee verbreitet, dass die Öffentlich-Rechtlichen immer nur das Gleiche suchen und man am besten mit einem Krimi vorstellig wird. Dabei ist das Gegenteil der Fall. Wir wollen die Heimat für junge Kreative, am liebsten aus der Region, sein. Daran arbeiten wir. 

**Bei Ihrem regionalen Webserien-Wettbewerb „Mein Schwein pfeift“, aus dem „Die Pflegionärin“, „Straight outta Crostwitz“ und „Ollewitz!“hervorgingen, hat es mit den jungen Kreativen ganz gut geklappt. Wie fällt hier Ihre Bilanz aus?**

JOHANNA KRAUS: Auf diese drei Serien sind wir sehr stolz, weil alle drei ganz eigene Geschichten erzählen und sich in der Tonalität stark voneinander abheben. Wir waren hier sehr schnell in der Umsetzung. Im Frühjahr haben wir die Projekte ausgewählt, im Sommer wurde entwickelt, im Herbst gedreht und zum Jahresende hatten wir die Serien vorliegen. Ein ganz wesentlicher Aspekt war – Stichwort Distributionsstrategie –, dass es uns gelungen ist, mit diesen drei Serien in sozialen Medien wie Youtube und Instagram, aber auch in Podcasts, aufzutauchen. Das ist ein wesentlicher Teil des großen Erfolgs. Denn für uns ist es sehr bedeutend, auch Zuschauerinnen und Zuschauer zu erreichen, die sich nicht im ARD-Kosmos bewegen, und ihnen zu zeigen, was die ARD für sie zu bieten hat.

**Wie haben die Serien linear funktioniert?**

DANIELA MUSSGILLER: Sie waren schwierig zu platzieren, weil die Folgen zum Teil sehr kurz waren. Ein Learning aus diesen drei, und drei weiteren kurzen Serien von Degeto und WDR, war für die gesamte ARD, dass eine Serienfolge mindestens 20 Minuten lang sein muss, um zu zünden. Das zweite Learning hat Johanna schon erwähnt, die große Bedeutung der Distribution für die ARD-Mediathek. Alle Serien, die vorwiegend in der Mediathek funktionieren sollen, brauchen ein ganz starkes Distributionskonzept, um überhaupt in Erwägung gezogen zu werden. Nur wenn die Distribution mitgedacht wird, können diese Projekte erfolgreich werden. 

JOHANNA KRAUS: Das hat uns ganz gezielt weitergeführt. Wie haben jetzt „24 Stunden“ abgedreht, das Nachfolgewerk der für den Grimme Preis nominierten Mediathekenserie „[2 Minuten](/tvshow/2-minuten_8)“, und haben hier die Formatierung in 6 x 22 Minuten geändert. Das ist eine Serie über das erste Babyjahr, die inklusive Distribution speziell für die Zielgruppe junger Erwachsener entwickelt wurde.

DANIELA MUSSGILLER: Auch bei solchen Projekten bekommen wir die volle Unterstützung innerhalb unseres Hauses, aber auch innerhalb der ARD. Das gemeinsame Ziel, mehr junge Menschen für unser vielseitiges Angebot zu gewinnen, macht vieles gemeinsam möglich.

![Blick in die Zukunft - Die vierte Staffel von „Charité“ mit Sesede Terziyan; Foto: MDR/UFA Fiction](https://s3.eu-central-1.amazonaws.com/zone.busch.store.image/cc416e1e-4618-4055-be33-289d8cf73904.jpg)**Planen Sie weitere Wettbewerbe im Stile von „Mein Schwein pfeift“?**

JOHANNA KRAUS: Erstmal nicht. Aktuell liegt unser Hauptaugenmerk auf Premiumserien und richtig guten Filmen, die gleichermaßen auf dem Mittwochssendeplatz und in der ARD-Mediathek Erfolg versprechen. Dabei liegt der Fokus auf gegenwärtigen Stoffen die sich an eine Zielgruppe unter 50 Jahren richten, die populär-emotional erzählt sind und die verschiedenen Lebenswelten in Mitteldeutschland widerspiegeln.

DANIELA MUSSGILLER: Auch ohne aktuelle Ausschreibungen stärken wir weiterhin unsere regionalen Kreativen. ARD-weit gab es gerade einen Aufruf zur Einreichung einer Familienserie. Damit sind wir hier im MDR ganz gezielt an die Produzentinnen und Produzenten aus unserer Region herangetreten. Außerdem führen wir unseren Workshop mit Autoren und Autorinnen, die an unserer Region interessiert sind, fort. Eine entsprechende Maßnahme gibt es auch für Produzierende. In diesem Jahr mit der Degeto als Partner, um breiter aufgestellt zu sein. Wir sehen uns in der Verantwortung für die Produktionswirtschaft in Mitteldeutschland.

**Wie kommt es zu der Rückbesinnung auf Filme?**

JOHANNA KRAUS: Das ist keine Rückbesinnung. Für uns war der Fernsehfilm immer relevant. Wir halten das Format für bestens geeignet, um bestimmte Geschichten zu erzählen. Der Serientrend hat auch dazu geführt, dass uns manchmal aufgeblähte Stoffe angeboten werden, die man sehr gut in 90 Minuten erzählen kann. Deshalb ist es wichtig, dass zuerst die Geschichte kommt und erst an zweiter Stelle die Form, in der man sie erzählt. Dieses Denken wird in der jetzigen Zeit der Transformation begünstigt. Die Mediathek gibt uns viele Freiheiten, andere Formen zu denken. Dadurch werden auch die linearen Sendeplätze flexibler.

DANIELA MUSSGILLER: Wir sind für Revolutionen und für Evolutionen zu haben. Wir denken „out of the box“, wo immer wir das können. Das heißt aber nicht, dass wir die Linearität aufgeben oder den Kinofilm, den Fernsehfilm oder den Debütfilm. Man wird immer abwägen müssen, wie viel man sich von allem leisten kann. Trotzdem heißt das nicht, dass man eines ganz weglässt.

**Aber die Etatumschichtungen in Richtung Mediathek gibt es ja. Hat das konkrete Auswirkungen auf bestehende Fiction-Formate des MDR?**

DANIELA MUSSGILLER: ARD-weit wägen wir immer ab. Wenn man eine Serie mit 6 x 45’ angeht, macht man möglicherweise mal einen Fernsehfilm weniger. Beim MDR haben wir gesagt, wir konzentrieren uns in einem Jahr auf eine Serie, im nächsten dann wieder verstärkt auf Fernsehfilme. Umschichtung bedeutet für uns außerdem, und da sind wir wieder am Ursprung des Gesprächs, Stoffe für Premiumserien zu finden, die auf beiden Ausspielwegen funktionieren.

JOHANNA KRAUS: Ein wesentlicher Punkt sind auch die steigenden Mehrkosten, die uns zu der Frage führen, ob wir in Zukunft weiterhin all das machen können, was wir bisher realisiert haben.

**Ein Blick in die Zukunft werfen, heißt auch konkret über die nächste „Charité“-Staffel zu sprechen. Denn die ist inhaltlich im Jahr 2049 angesiedelt. Was ist die größere Herausforderung, die Vergangenheit nachempfindbar zu machen oder die Zukunft glaubwürdig zu erfinden?**

JOHANNA KRAUS: Die Zukunft zu erfinden war eine sehr große Herausforderung, weil wir ja eine historische Zukunft erzählen wollen.

**Wie meinen sie das?**

JOHANNA KRAUS: Wir erzählen zwar das Jahr 2049, haben uns in der Entwicklung aber gesagt, wir blicken aus dem Jahr 2100 darauf zurück. Was würden wir dann über 2049 erzählen und wie würden wir es erzählen? Dadurch war die Entwicklung sehr auf das Wissen von Expertinnen und Experten angewiesen. Die Grundfrage war: Wofür wird man in der Zukunft den Nobelpreis bekommen? Um diesen Hauptstrang haben wir die Geschichte aufgebaut. Das war sehr spannend, ich kann mich an kein Projekt erinnern, bei dem wir jemals so viel über die Bücher geredet haben. Aber wir haben es im Kasten, und es ist faszinierend geworden. Wir bleiben Menschen, wir werden weiterhin Schmerzen haben und es wird weiterhin Heilung geben.

**Jenseits der Medizin betrifft der Blick in die Zukunft auch Mode, Design, Architektur. Was können Sie uns darüber aus dem Jahr 2049 berichten?**

JOHANNA KRAUS: Wir sind bewusst nach Portugal gegangen, um dort zu drehen, weil wir uns gesagt haben, dass Berlin und Brandenburg 2049 bereits trockener sind und eine andere Flora und Fauna haben. In einer Folge herrscht auch Starkregen. Ich glaube, klimatisch haben wir alle schon ein Bild davon, wie es in 25 Jahren aussehen wird. Außerdem hatten wir das Glück, in Portugal einen Klinikneubau zu finden, in dessen Stil wahrscheinlich auch in Zukunft Häuser gebaut werden. Die Mode kann man auf einen einfachen Nenner bringen, es geht darum, möglichst wenig zu schwitzen. Sehr spannend war die Frage, in welchem politischen System wir leben werden. Wir gehen von einer Demokratie aus. Der Fokus liegt aber auf der Medizin, da rechnen wir zukünftig u.a. mit einem Scoring System der Krankenkassen. Das kristallisierte sich in den Gesprächen mit den Expertinnen und Experten heraus. Fiktion gehört aber auch dazu und so haben wir auch ein paar mutige Thesen aufgestellt.

DANIELA MUSSGILLER: Und welche Frisur wird in sein?

Johanna Kraus: Es gibt kurze Haare und Zöpfe. Aber vor allem trägt jeder Kopfbedeckung, wenn er raus geht. Sonnenschutz ist 2049 ein großes Thema. Man sieht mehr Hüte, als wir es heute gewohnt sind oder auch mal eine Stola, die man sich schnell überwirft.

**Was gibt es sonst noch Neues aus der MDR-Fiction?**

JOHANNA KRAUS: Wir haben mit dem „[Rennsteig-Krimi](/movie/auge-um-auge-tod-am-rennsteig)“ und „[WaPo Elbe](/tvshow/wapo-elbe)“ zwei starke Formate gestartet, bei denen eine Fortsetzung geplant ist. Und der „Polizeiruf 110“ aus Halle mit [Peter Kurth](/person/peter-kurth_f) und [Peter Schneider](/person/peter-schneider_b1) geht ebenfalls weiter. Wir haben gerade mit den Dreharbeiten angefangen und freuen uns sehr, dass die Ermittlungen hier im altbewährten Team wieder aufgenommen werden.

**In unseren zurückliegenden Gesprächen war Ihnen Diversität vor und hinter der Kamera ein großes Anliegen. Inzwischen scheint Diversität fast schon Normalität geworden zu sein. Stimmt dieser Eindruck?**

JOHANNA KRAUS: Ich habe das Gefühl, dass wir einen gewissen Standard erreicht, aber wir immer noch Luft nach oben haben. Diversität ist nach wie vor ein Prozess. Wir diskutieren intensiv über Figuren und ich finde es wichtig, dass wir in der Diskussion bleiben, denn unser Anspruch ist, dass wir viele verschiedene Lebenswirklichkeiten glaubwürdig erzählen. Da kann man nie einen Haken dahinter setzen, weil sich auch Lebenswirklichkeiten verändern. Das Bewusstsein für die Thematik ist geschaffen, dadurch entsteht vielleicht der Eindruck einer Selbstverständlichkeit. 

DANIELA MUSSGILLER: Ich glaube nicht, dass Diversität schon zu 100 Prozent in die DNA aller übergegangen ist. Wir müssen da weiter dranbleiben. Auch unsere Redaktionen müssen noch diverser aufgestellt werden, das ist aber ein Langstreckenrennen. Deshalb wird uns dieses Thema weiterhin begleiten.

Das Interview führte Frank Heine


Daniela Mussgiller & Johanna Kraus: „Es ist wie beim Tauziehen“